Montagsgedanken – Alpträume

Es gibt die Art Alpträume, die jeder kennt, die jedem von uns das Fürchten lehren, von typischen menschlichen Ängsten genährt: Monsterverfolgung, Zombies, Sterben und Verlust von geliebten Menschen und Tieren. Der eigene Partner behandelt einen wie Luft und geht  vor den eigenen Augen fremd als wäre es das normalste der Welt. Man hat Sex mit (hier bitte eine Person einfügen, die du nicht ausstehen kannst).
Besonders häufig quälen mich Träume, in denen nichts mehr funktioniert. Ich muss mich wehren, doch die Arme sind wie gelähmt, ich möchte schnell weglaufen oder jemanden verfolgen, doch meine Beine lassen sich kaum von der Stelle heben.  Ich bin absolut handlungsunfähig und kann an meiner eigenen Misere nichts verbessern, im Gegenteil, durch dieses Nichtstun und Nicht-vom-Fleck Kommen verschlimmere ich die eigene Situation auf ein größtmögliches Maß.
In meinem Fall kommt die berufstypische Ausprägung dieses Traumes dann im Zusammenhang mit der Auflegerei vor. Ich habe schon oft geträumt, dass ich am DJ Pult stehe und einfach kein Folgelied finden kann. Im Pioneer-Display sehe ich die Sekunden verrinnen, ich gerate immer mehr unter Zeitdruck und werde immer langsamer, Beine und Arme lassen sich nicht mehr willkürlich kontrollieren (ähnlich wie beim Off-Beat-Tänzer). CDs lösen sich in meinen Händen in Staub auf, sind also einfach weg, fallen runter und so weiter. Noch bemerkt die tanzende Menge von all dem nichts, ich schaue wieder auf die ablaufende Zeit, nur noch wenige Sekunden, es ist mir noch immer nicht möglich einen Tonträger zu erhaschen, ein heilloses Durcheinander im Kopf, Panik und Angstschweiß und plötzlich, die letzte Basedrum verlischt, Stille. Was dann passiert weiß ich nicht genau, jedenfalls werde ich nicht geteert und  gefedert, weder ausgebuht noch ausgelacht. Einfach Stille und ich wache gestresst und am Rande eines Nervenzusammenbruchs auf.
Träumen Köche auch sie hätte plötzlich keine Messer, Töpfe und Pfannen mehr? Träumen sie, dass sie nicht mehr in der Lage sind ein ordinäres Spiegelei zu backen, während ein Bon nach dem anderen in die Küche flattert und eine hungrige Meute im Gastraum die Messer wetzt und auf Nachschub wartet? Ich assoziiere einen Fünf Sterne Gourmet Koch in St. Moritz, der schweißgebadet neben seiner hübschen Frau aufwacht: „Schatz, was ist passiert, wieder die Zwiebel, die sich nicht würfeln lässt?“.
Im Gegensatz zum menschlichen Versagen gibt es dann noch die Auflege-Alpträume, die von technischen Problemen handeln. Dabei verschwinden teilweise ganze Gerätschaften oder CD-Player lassen sich von einem auf den anderen Moment nicht mehr bedienen. Diese Alpträume haben allerdings ihre angsteinflößende Wirkung auf mich verloren, nachdem ich bereits zwei Mal  realen technischen Totalausfällen zum Opfer fiel. Beide durch Alkoholika verursacht. In einem Fall sogar so, dass die ganze Veranstaltung um halb drei nachts komplett beendet war. Früh Feierabend heute, habe ich mir gedacht und seitdem ich weiß, dass man überraschender weise überlebt, wenn das Soundsystem ausfällt, habe ich diesen Auflege-Alptraum nie mehr geträumt.

Man soll sich seinen Ängsten stellen, auch während des Träumens, dem bösen Monster entgegentreten und sehen was passiert. Ich werde das jedenfalls das nächste Mal versuchen und wenn dann die letzte Basedrum schlägt und plötzlich Stille herrscht, schrei ich ganz laut: “Freibier!”

Ihr lest: Montagsgedanken – Tagebuch einer Djane. Mein Name ist: Doris Vöglin