INTERPOL – El Pintor

Enter the override, how we run the day
Sleeker and cheaper, the wind changed
Following deeper, they do what I say
Spectral incentives, have paved the way

Everything is wrong, wrong, everything is wrong
I guess we open time, what is now is overcome

(Interpol – Everything is wrong)

El Pintor. Der Maler. Nach dem Weggang ihres Bassisten Carlos Dengler mussten sich Interpol neue Wege suchen – Horizonte malen. Glücklicherweise hat man sich beim Album nicht für ein völlig neues Konzept entschieden, sondern die warmen, melancholischen Melodien beibehalten. Schön. Der aufmerksame Leser hat außerdem bereits bemerkt, dass El Pintor auch nichts anderes bedeutet als Interpol. Ein Anagramm, das uns sagen soll, es hat sich gar nicht so viel geändert? Die Band hat umarrangiert und die Lücke, die Bassist Carlos Dengler hinterlassen hat, behutsam schließen können.

Fast 50 Sekunden muss man bei ‘All The Rage Back Home’ auf den typischen Interpol-Gitarrensound warten. Vorher kaum vernehmbar die Stimme Paul Banks: When she went, There Love, come over, My head abounds, Oh, the feelings, And she wept, Hold me again, I made no sound, Oh, the beating, And she swore, Love is never gone, So easily, And we went, Over again, My head abounds, Oh, the feelings. Ein Gefühl stellt sich ein, als hätte man einen guten Freund viel zu lange nicht gesehen. Man hätte sich mal melden können, aber es gab so viele andere Dinge zu tun. Doch es braucht keine Was-hast-du-die-letzten-vier-Jahre-so-gemacht-Gespräche, die vertraute Intimität ist sofort wieder da. Man war sich immer nah und merkt jetzt erst, wie sehr man sich vermisst hat.

My Desire’ umspannt dieses Gefühl mit den treffenden Sounds. In wohliger Erstarrung lauscht man den ersten Songs, die sich wie immer irgendwo zwischen Postpunk und Indierock bewegen. Erst ‘Same Town, New Story’ bricht mit dem Gewohnten und hat für Interpol-Verhältnisse ein sehr klares, durchgehendes Gitarrenriff und nicht diesen liebevoll verschwimmenden Klang früherer Songs der Band. Das ist wahrscheinlich das, was Musikjournalisten mit Mathrock meinen. In einem Artikel der Welt steht, dass Banks das Ganze geometrische Musik nenne. Ästhetik wurde bei Interpol schon immer groß geschrieben, weshalb diese Aussage wenig verwunderlich ist.

Jeder Song auf El Pintor fühlt sich an wie in kleiner Befreiungsschlag. Als habe man Vergangenes abgeschüttelt – auch die eher mittelmäßige Platte ‘Interpol’ (2010) – und sich ganz auf die eigene Kunst konzentriert. ‘Everything Is Wrong’ ist so wundervoll zusammengesetzt, als würde der gute Freund dich umarmen und fragen, wie es dir wirklich geht. Ein Gefühl der Geborgenheit kommt auf, das sich auch in ‘Ancient Ways’ und dem letzten Song der Platte ‘Twice As Hard’, durchsetzt.

El Pintor macht einen den Einstieg nicht schwer. Sie ist nicht ganz so sperrig wie eine Antics, sondern besticht durch warme Harmonien und melancholischen Weltschmerz. Manchmal ist der sogar tanzbar. Hey Interpol, schön, dass du wieder zu Hause bist!

Interpol – El Pintor
VÖ: 5. September 2014, Pias Coop/Soft Limit (rough trade)
www.interpolnyc.com
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