MESSER – Jalousie

Messer - Jalousie CD-Kritik
Foto-© Katja Ruge

Wenn einer liebt kann auch ein anderer lieben, denkt sich der, der liebt.
Wenn einer lügt kann auch ein anderer lügen, denkt sich der, der betrügt.
Wenn er verletzt kann auch ein anderer verletzten, Worte finden ihren weg.
Wenn einer stirbt kann auch ein anderer sterben, denkt sich einer schnell und geht.

(Messer – Die Hölle)

Messer sind bekannt für ihren vorwärtsschreitenden Post-Punk, gnadenlos, nicht festgefahren, aber mit hohem Wiedererkennungswert. Ihr drittes Album ‘Jalousie‘ erscheint gerade bei Trocadero und beweist, dass die Jungs aus Münster noch etwas vielseitiger sind als vielleicht zunächst gedacht und musikalisch auch in anderen Sphären der Rockmusik denken können.

„Ist das noch Post-Punk?“ muss man sich direkt beim Opener ‘So Sollte Es Sein‘ fragen. Orgel und Trompete bei sehr geringem Tempo, so etwas wie Melodie in Hendrik Otrembas krächzender Stimme und das auch noch im Duett mit Stella Sommer von Die Heiterkeit. Sehr schwermütig aber auch unvermittelt schön. Das meiste für das Messer bisher stand ist in dem Song dafür nicht enthalten.

Mit ‘Der Mann Der Zweimal Lebte‘ ist man dann aber schon wieder in gewohnter Messer Manier. Und generell sind bei aller Entwicklung viele Elemente aus den letzten Alben geblieben, wenn auch die Strukturen insgesamt etwas komplexer sind und die Gitarren noch sphärischer Klingen als zuvor. So auch bei ‘Schaumbergs Vermächtnis‘ und ‘Im Jahr der Obsessionen‘. Zweiteres ist ein düsteres Klangbad in voller Tiefe. Wenn die aggressive Stimme die Sphären nicht zerreißen würde, könnte man sich fast an Pink Floyd’sDark Side Of The Moon‘ erinnert fühlen. Doch genau die einschneidende Stimme von Otremba lässt das Konzept des Albums aufgehen. Kurz bevor man in der Musik zu versinken droht, versetzt sie den Hörer jedes Mal wieder in eine Unruhe, lässt ihn beinahe aufschrecken.

Anonymität, Mistrauen, Rausch und Unklarheit sind Beispiele für die Themen auf dem Album. Durch den, für Post-Punk etwas zurückhaltenden Sound und die auditive Dunstschicht, die um Alles schwebt sind die Texte deshalb auch sehr authentisch und stark. Einzelne Worte werden wie gewohnt teilweise sehr oft wiederholt. ‘Die Echse‘, ‘deine Liebe‘ oder ‘meine Lust‘ brennen sich nach kurzer Zeit regelrecht in den Gehörgang ein und man geriet stimmungsmäßig schnell in die lyrische Welt des Frontmannes. Auch Songs wie ‘Die Hölle‘ mit den Worten „Die Hölle ist auf ewig dein Versteck“ tragen nicht wenig zu der Düsterkeit bei. Wer diese nicht mag, wird es mit der neuen Platte schwer haben.

Auch der knallharte Post-Punk (mit Betonung auf Punk) Fan findet hier nicht mehr das, was er sich von Messer wahrscheinlich erhofft hat. Wenn man jedoch offen ist für Neues im deutschsprachigen Raum und es genießt bei der Experimentierfreudigkeit zwischen sphärischen Gitarren, treibenden Drums, elektronischem Gewaber und ausgereifter Dichtkunst zuzuhören, dann wird man auf seine Kosten kommen. Achso, und wenn man bereit ist einer Stimme zu zuhören, vor der man sich wahrscheinlich auch beim zehnten Mal „Die Eeeeechse“ noch fürchtet.

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Messer – Jalousie
VÖ: 19. August 2016, Trocadero
www.gruppemesser.blogspot.de
www.facebook.com/gruppemesser

Christian Weining

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