WIENER DOG – Filmkritik

Wiener Dog - Filmkritik

Auch als Hundebesitzer ist man nicht automatisch glücklicher: Zumindest nicht im siebten Film von Indie-Regisseur Todd Solondz. Vielmehr scheint der vierbeinige Hauptdarsteller von Wiener Dog tragische, komplizierte oder verbitterte Herrchen und Frauchen geradewegs anzuziehen. Und genauso bitter, herzzerreißend und unglamourös ist auch seine Einführung: Auf einem Pick-Up wird er, gefangen in einem Käfig, in einen winzigen Hundezwinger gebracht. Man weiß nicht, woher er kommt, warum er hier landet, aber an dieser Stelle beginnt seine Reise durch die vier Episoden des Films.

Lässt sich bei der ersten Episode um einen kleinen, traurigen Jungen, der bei kaltherzigen Yuppie-Eltern aufwächst, zu anfangs noch hoffen, dass die Geschichte durch den Dackel eine glückliche Wendung nehmen würde – spätestens, als zu sanfter Klaviermusik die Durchfallspuren des Hundes auf der Einfahrt ausgiebig präsentiert werden, ist klar: Die Poesie dieses Films ist rein zynisch. Beinahe verspürt man Erleichterung, als man mit Beginn der zweiten Episode dieser Familie entfliehen kann und sieht, wie sich Greta Gerwig als Tierarzt-Assistentin dem verstoßenen Hund annimmt und mit ihm und Kieran Culkin auf einen Roadtrip fährt. Doch auch im Verlauf dieser Geschichte wird immer deutlicher: Dieser Film porträtiert keine glücklichen Menschen.

Ob es die Protagonisten, Nebenfiguren oder eben die Tiere der Story sind – sie alle scheinen traurige Gestalten, die auf eine Weise in ihrem Leben gefangen zu sein scheinen, bei der man nicht weiß, ob es ihnen bewusst ist oder nicht. Dabei findet die Tragik in kurzen Dialogen statt, die klaren, ruhigen Bilder wiegen ebenso schwerer. Als Zuschauer erfährt man trotz des mäßigen Tempos jedoch keine Pause: Ob es Sucht, Einsamkeit, Betrug oder gar Tod ist – nichts überrascht mehr. Ist der Zuschauer am Anfang vorwiegend verstört, so erahnt er im Laufe dieses Films, dass wohl keiner der Figuren etwas Gutes passieren wird, was sie aus der Misere holen wird.
Auch Danny DeVito als erfolgloser Drehbuch-Autor, der als Professor von seinen Studenten nicht ernst genommen wird, reiht sich ein in die Ansammlung unglücklicher Besitzer dieser speziellen Dackeldame. Während diese zunächst eine größere Rolle in der Handlung des Films spielt, etabliert sie sich im Verlauf immer mehr als das wiederzuerkennendes Begleitstück der einzelnen Charaktere und hält so den Plot stimmig zusammen – gemeinsam mit der darüber liegenden Hoffnungslosigkeit des Films. Dabei verkörpert der Wiener Dog die Naivität, mit der man auch als Zuschauer durch diesen Film wackelt: Nichtsahnend, aber immer kurz vor dem nächsten Schicksalsschlag – für den Hund in Form von unverträglichem Futter oder einer Schnellstraße.

So ergibt Wiener Dog eine ruhige, langsame und dennoch zutiefst deprimierende Tragikomödie, die in ihrem Erzählmodus aber wider besseren Wissens nicht selten überraschend wirkt. Ganz versteckt lassen sich auch Szenen der Zärtlichkeit oder eine absurde Komik entdecken – doch gerade, wenn man darüber lachen möchte, führt die Handlung zum nächsten fatalen Schock. So hält Todd Solondz eigenwilliger Film den Zuschauer gekonnt in der Schwebe, nicht sicher, ob er weinen, lachen oder wie er das Gesehene überhaupt einordnen soll. Denn entscheidend bleibt, dass Solondz all diese Tragik vorwiegend durch überaus alltägliche Szenen darstellt, in denen gar nicht so viel passiert, die letztlich aber doch in der Lage sind, die Tragik des Lebens umfassend zu spiegeln. Und so beginnt der Film auch mit einem kleinen, traurigen Jungen und endet mit einer alten verbitterten Dame, die den Dackel „Tumor“ nennt. Wer da noch so naiv ist, auf eine Art Happy End zu warten, wird schließlich mehr als enttäuscht. Wer allerdings in der Lage ist, sich der Kälte und Härte der Realität alltäglicher Geschichten zu stellen, kann dieser Kombination aus Nihilismus, Poesie und Ästhetik jedoch sicher einiges abgewinnen.

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Wiener Dog (USA 2016)
Regie: Todd Solondz
Darsteller: Danny DeVito, Greta Gerwig, Ellen Burstyn, Julie Delpy, Kieran Culkin
Heimkino-VÖ: 29. November 2016, Prokino