13 SEMESTER – Filmkommentar

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„Ich weiß ja nicht, wo du herkommst. Aber das hier ist Darmstadt.“

Ein Name, eine Stadt, eine Liebe. Oder doch Hassliebe? Wenn man hier in Darmstadt großgeworden ist, wünscht man sich spätestens nach dem Abitur ganz weit weg. In die Welt. Andere Menschen kennenlernen, sich selbst testen. Dann spätestens reicht die Nähe zur „Großstadt“ Frankfurt, die man vom Feiern gut kennt, nicht mehr, und man kann es kaum erwarten, nach Berlin, London oder gar Australien zu reisen und Ausschau nach der Zukunft zu halten.
Doch Moment mal! Darmstadt hat ja auch noch eine andere Bedeutung: Erste durchzechte Nächte in der Krone (und danach im Herkules, was man nicht vor den Eltern zuzugeben wagte), lange Abende ‚auf‘ der Mathildenhöhe, der erste Kuss, Familie, und Freunde, die man wie die eigene Westentasche kennt und liebt… ja, Heimat eben.

Heimat ist in Darmstadt besonders gut zu finden. Das muss sich auch der Regisseur von 13 Semester gedacht haben. Immerhin ist er durch viele deutsche Städte gereist, um ausgerechnet hier, in Darmstadt, den perfekten Drehort zu finden. Nicht in Berlin, Köln, oder Hamburg. Die Kleinstadt gewinnt.

„Ich weiß ja nicht, wo du herkommst. Aber das hier ist Darmstadt.“

Momo und Dirk, gespielt von Max Riemelt und Robert Gwisdek, stammen beide aus einem Brandenburger Kaff. Den Namen habe ich vergessen, so klein ist es. Genauso wie oben beschrieben, sind auch sie auf der Suche nach der Zukunft, welche sie beide in Form eines Studiums der Wirtschaftsmathematik ausgerechnet an der TU Darmstadt zu finden glauben. Während Dirk das Studium von Beginn an Ernst nimmt und die Vorzüge eines Studentenlebens weitestgehend ignoriert, richtet sich die ganze Aufmerksamkeit des Zuschauers auf Momo. Dieser schlägt sich nämlich, ganz nach den amerikanischen Vorbildern im College-Film-Genre, mit den gängigen Nachteilen des WG-Lebens, einer – anfangs – unerwiderten Liebe, nächtlichen Alkoholexzessen im „Roxy“, und gescheiterten Geschäftsideen herum, die vor der akuten Studiumskrise retten sollen. Das Ganze wird nach einzelnen Semestern aufgezogen, mal ausführlich, mal minutiös dargestellt. Am Ende gibt es dann natürlich auch ein Happy End. Also keines im Hollywood-Style, aber… naja, das sollt ihr ja selbst sehen.

Im Grunde genommen zeigt der Film nichts Neues. Alles schon mal dagewesen. DIE WELT beklagt sogar, dass Regisseur Frieder Wittich in Zeiten von „Bologna und Bachelor“ das Thema verfehle, weil der Film das heutige „Turbostudium“ nicht mehr richtig abbilde.
Das mag schon sein. Momo lebt tatsächlich das typische, weitestgehend autonome Studentenleben wie man es aus der Vergangenheit kennt (oder wie man es auch gerne mal den Magisterstudenten zugeschrieben hat). Nicht ohne Grund heisst der Film 13 Semester.

Ich glaube jedoch, dass sich Wittich damals, als der Dreh im Sommer 2008 begann, der aktuellen Diskussion bewusst war. So neu ist die nämlich nicht. Möglicherweise hat Wittich sich aber einfach von der Atmosphäre Darmstadts inspirieren lassen. Von der Gemütlichkeit der „Heiner“, den vielen ausgelassenen Studentenparties, und den Biergärten im Sommer. Und von der wunderschönen Jugendstilarchitektur oder der Historie rund um den Langen Ludwig und den Fünffingerturm, den zwei Wahrzeichen Darmstadts. Vielleicht fand er aber auch einfach den manchmal nervigen, weil über die ganze Stadt verteilten, aber sonst doch recht netten Campus, gut – einen Campus, an dem jeder Student hier auch nur versucht sein Bestes zu geben, und sich für die Zukunft – in der Ferne? –  zu rüsten.

Der Film bewirkt jedenfalls, dass ich mich wieder mit der Stadt versöhne. Dass ich ihr doch wieder etwas abgewinnen kann. Das konnte ich auch dem zufriedenen Lächeln der Freundin ablesen, die mit mir im Kino war. „Ich weiß ja nicht wo du herkommst,“ aber wir sind beide hier aufgewachsen. In Darmstadt. Und schließlich sind es die Erinnerungen an all die erfüllten Momente in dieser Stadt, die zählen.

httpv://www.youtube.com/watch?v=-GkAahfAcsc

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13 Semester (Darmstadt 2009)
Regie: Frieder Wittich
Darsteller: Max Riemelt, Robert Gwisdek, Claudia Eisinger
Premiere: 7. Januar 2010, Claussen Wöbke Putz Filmproduktion/20th Century Fox

Christine Schlögl

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