SUCKER PUNCH – Filmkritik

„Du hast alle Waffen, die du brauchst!“

Unter diesem Motto steht nicht nur die Handlung des neuen Streifens von Zack Snyder (‘300’, ‘Watchmen’), auch der Film selbst bedient sich aller Mittel, die Hollywood zur Verfügung stellt und darüber hinaus. Das ist auch die größte Stärke des Films, die aber leider zugleich den Wermutstropfen mit sich bringt, dass die Handlung ein wenig in den Hintergrund tritt. Deshalb ist sie auch mit wenigen Worten schnell erzählt: Die zwanzigjährige Baby Doll (Emily Browning) ist nach dem Tod ihrer Mutter mit ihrer kleinen Schwester dem übergriffigen Stiefvater (Gerard Plunkett) ausgeliefert. Als sie versucht, die Kleine vor ihm zu retten, wird sie ungewollt mitschuldig an ihrem Tod und kommt in eine dubiose Nervenheilanstalt. Gut vom Stiefvater bezahlt, sollen die hiesigen Pfleger (u.a. Oscar Isaac), die nicht weniger schmierig daher kommen, dafür sorgen, dass Baby Doll innerhalb von fünf Tagen einer Lobotomie unterzogen wird, damit sie mit breiigem Hirn ihrem Stiefvater nicht mehr im Weg steht. Damit ist der Rahmen abgesteckt, der bis hierher als schwarz-weißer Zeitlupen-Prolog untermalt von ‘Sweet Dreams‘ die an Tragik – die sich im puppenhaften Gesicht festsetzt – kaum zu übertreffende Geschichte der vermeintlichen Protagonistin erzählt und dabei an alte Stummfilme, Graphik Novells und Oper gleichzeitig erinnert.

„Bringt sie ins Theater!“

(Das Publikum oder Baby Doll?)

Ein runter gekommener Theaterraum, wie man ihn aus ‘Moulin Rouge‘ kennt, dient den ausschließlich weiblichen Insassen der Klinik als Aufenthaltsraum, aber auch der zuständigen Psychologin (Carla Gugino) als Behandlungsraum für ihre theatrale Therapieform. An diesem Setting blitzt ein selbstreflexiver Zug des Films auf, der kaum übersehbar ist, den wohl aber einige Kritiken nicht erkennen konnte, denn er spielt ununterbrochen mit seiner eigenen filmischen Inszeniertheit und stellt sie plakativ aus und das nicht nur, indem er sich wild an allen filmischen und medialen Genres bedient. Sei es Musical, Theater, Computerspiel oder eben Filme, aus denen er wiederum einen bunten Genremix kreiert. Denn die Phantasiewelt, in die sich Baby Doll flüchtet, zeigt eine Mischung aus Stripclub und Bordell, in dem die Zuchthauswächter die Rolle der Zuhälter übernehmen und die Ärztin zur Tanzchoreographin wird.

Baby Dolls Tanzperformances werden für das Publikum im Bordell zur fesselnden Faszination, die der Kinobesucher aber nicht gezeigt bekommt. Der jedoch darf teilhaben an der zweiten Ebene ihres Innenlebens, was manchen sicher an ‘Inception‘ denken lässt. In dieser Welt werden die Mädchen – Sweet Pea (Abbie Cornish), Rocket (Jena Malone), Blondie (Vanessa Hudgens) und Amber (Jamie Chung) – zu Aktion-Manga-Amazonen, die als eingeschworene Kampftruppe in 4 Shooter-Adventure Levels 4 Gegenstände auftreiben müssen, die ihnen zur Flucht verhelfen sollen. Dabei treffen sie auf rotäugige Zombie-Soldaten, Orks, Drachen und thron-artige Roboter, die sie in, nie blutigen aber um so atemberaubenden Aktiongemätzeln, erfolgreich kurz und klein prügeln und schießen.

Mehr soll zur Story gar nicht gesagt werden. Wie die Dinge sich auflösen und ob die Logik dahinter überzeugt, davon kann und sollte sich jeder ein eigenes Bild machen. Insgesamt scheint dieser Film aber die cineastische Welt zu spalten, denn die Zahl der negativen wie positiven Kritiken bleibt sich gleich. Dieses Kritik gehört zu den letzteren, denn obwohl manche sicher sagen: „Das hab ich alles schon gesehen.“, kann man diesen Stimmen entgegenhalten: „Aber nicht in einem Film!“. Dieser spielt mit allen Seh-, Hör- und Rezeptionsgewohnheiten, die einem Film zur Verfügung stehen. Er zitiert, (re-)mixed und übertreibt hemmungslos, lässt alle Grenzen verschwimmen, wodurch er sich selbst ironisch hinterfragt und reflektiert, das Ganze untermalt von einem irren Soundtrack.

Kurzum ein Must-See für jeden Filmliebhaber, der sich nicht vor Popkultur at it’s best fürchtet, denn das ist dieser Film sicher auch und scheut dabei keinen Vergleich mit den Videos von Lady Gaga. Man könnte noch weiter über Geschlechterbilder schwadronieren, die der Film zeichnet oder auch nicht. Das überlässt man aber besser denen, die davon etwas verstehen. Ich sage lieber: Ein gelungenes Debut als Autor für Zack Snyder mit einem Film, der noch viel von sich hören machen wird und das nicht nur in nerdigen Foren, sondern auch in Theoriekontexten. Ein Film der ist, wie er heißt!

Sucker Punch (USA 2011)
Regie: Zack Snyder
Darsteller: Emily Browning, Vanessa Hudgens, Jena Malone, Carla Gugino
Im Kino seit 31. März 2011, Warner Bros.

httpvh://www.youtube.com/watch?v=Lm–kMXMMYM