TIMBER TIMBRE – Interview

Am 31. März kommt mit ‘Hot Dreams‘ das vierte Studioalbum von Timber Timbre in die Läden. Das Projekt des kanadischen Komponisten, Musikers und Sängers Taylor Kirk zeichnete sich stets durch einen ihm sehr eigenen geisterhaften Sound aus. Für das neue Album, das jenem haunted folk viele neue Facetten abgewinnt und hier und da fast optimistisch klingt, hat sich das Mastermind Simon Trottier als Co-Komponisten und Co- Songschreiber mit ins Boot geholt. Wir trafen die beiden in Berlin zum Interview.

Auf dem Weg hierher in der U-Bahn habe ich das neue Album gehört und eine obdachlose Frau ging um Geld bettelnd von Passagier zu Passagier, die sich allesamt abwandten. Die ganze Szene schien in Zeitlupe abzulaufen und alles fühlte sich untermalt von der Musik sehr cineastisch und gleichzeitig so falsch an, da ich die traurige Situation im Kopf so romantisierte. Freut ihr euch, wenn eure Musik solch widersprüchliche Gefühle auslöst?

Kirk (lacht laut): Auf die Dinge, von denen ich begeistert bin, reagiere ich körperlich. Also nehme ich an, ja, das ist eine gute Sache. Sei es, weil ich eine Form von Nostalgie verspüre oder was auch immer. Solch eine Reaktion ist also ein guter Parameter. Wenn wir gerade von Nostalgie sprechen. Hot Dreams, die neue Platte, klingt sehr nostalgisch, sehr analog, aber nie retro. Wie schafft man es, einen einzigartigen Sound zu erzeugen, der inspiriert, aber nicht kopiert klingt?

Trottier: Wir haben Instrumente benutzt, die in den 1960ern verwendet wurden. Das Mellotron zum Beispiel. Wir hatten das große Glück in einem Keyboard-Museum in Kanada aufzunehmen. Die hatten dort eine riesige Ansammlung alter Instrumente, etwa ein echtes Mellotron, meistens hört man heute Software-Plug-Ins. Wir hatten Zugang zu all diesen Vintage Keyboards, aber gleichzeitig war unser Ziel, heute Musik zu machen. Wir haben nicht so sehr alte Tape Recorder und dergleichen benutzt, aber über die Verbindung der alten Instrumente mit neuen Aufnahmetechniken einen einzigartigen Sound gefunden. Wir haben auch so Sachen gemacht, wie eine Geige durch ein Tape Delay zu spielen.

Von welchem Instrument kommt der hohe, geisterhafte Ton in The New Tomorrow?

Trottier: Das war ein Novachord, ein wirklich sehr altes Keyboard und der erste polyphone kommerzielle Synthesizer, den es je gab.

Kirk: Die meisten Einflüsse auf der Platte sind schon ältere Instrumente und Musik von früher, das kann man schon so sagen. Wir mögen raue und ungeschliffene Klänge. Aber das ist nicht sehr zeitgemäß, ich weiß also nicht, woher der moderne Aspekt unserer Zeit genau stammt.

Ihr gebt nicht viele Interviews und in den wenigen äußert ihr euch auch medienkritisch. Was läuft falsch mit den modernen Medien?

Kirk: Früher dachte ich immer, all das ist wirklich schädlich und der Musik abträglich. Aber so kann ich nicht mehr denken, es funktioniert einfach nicht. Es ist sinnlos, da es mittlerweile einfach so gemacht wird. Wir haben Wege gefunden, damit umzugehen. Und doch, ich würde es vorziehen, weniger im Vordergrund zu stehen und hinter der Musik zurückzutreten. Ich hab wirklich nicht so viel über die Musik zu sagen und ich weiß wirklich nicht so genau, wie man darüber redet. Wir haben also jede Menge Regeln darüber entworfen, wie man mit dem ganzen Promo-Kram umgeht.

Haltet ihr sie ein?

Kirk: Wir haben sie alle gebrochen und brechen sie immer weiter. Wir haben früher mal gesagt, wir machen keine Videointerviews, kein Radio.

Trottier: Vor kurzem wurden wir gefragt, ob wir im Fernsehen über unsere 12 liebsten Musikvideos reden wollen. Ich war völlig überfordert, für mich waren Musikvideos immer nur eine Art von Werbung.

Kirk: Außerdem wollen wir nicht ins Fernsehen, weil wir dann da sitzen und charismatisch sein müssen und dafür sind wir einfach nicht gemacht.

Bleiben wir mal kurz bei den bewegten Bildern. Euer neues Musikvideo zu ‘Hot Dreams’ hat mich an die Filme von Nicolas Winding Refn erinnert.

Trottier: Das hab ich dem anderen Typen aus der Band auch gesagt. Das Video hat mich an Only God Forgives und Drive erinnert. Und tatsächlich war dieser Regisseur für Scott (Cudmore, Anm. des Verfassers), der das Video gedreht hat, eine Referenz. Es ist cool geworden.

Vor einiger Zeit hast du mal gesagt, dass eine Bibel aufzuschlagen und sich der großen Metaphern zu bedienen, beim Songwriting sehr hilfreich wäre. Sind die religiösen Bilder noch ein Thema?

Kirk: Damals war ich an dem Motiv interessiert, da ich es sehr mit traditioneller Folk-Musik verband. Aber seitdem habe ich die Aufmerksamkeit doch eher auf andere Dinge gerichtet, andere Motive gesucht.

Bevor wir uns heute getroffen haben, hatte ich immer das Gefühl, dass Timber Timbre eine Entität ist, hinter der die Musiker zurücktreten oder die auch ohne die Individuen dahinter bestehen bleibt. Ist das noch in eurem Sinne?

Kirk: Ja, das war immer etwas, an dem ich interessiert war. Früher habe ich viel Energie darauf verwendet, die „Optik“ des Projektes zu bestimmen. Ich wollte jede Form von Humanität herausnehmen und es so ambivalent wie möglich halten. Und das ist so viel Arbeit (lacht)! Und dann hat man aber diese Singer-Songwriter-Stimme auf der Platte, will aber kein Singer-Songwriter-Musikvideo drehen, denn das würde jene Optik zerstören. Und das nicht zu tun, verstört die Leute, damit kommen sie nicht klar. Jetzt versuchen wir, das ganze etwas entspannter anzugehen. Es ist auch weniger mein Solo-Projekt als bei den alten Platten. Wir haben diesmal Songs zusammen geschrieben, wir haben Songs zusammen produziert, die Liveband ist größer.

War es schwerer gemeinsam zu schreiben?

Kirk: Nein, es war leicht. Ich habe das sehr genossen. Für Simon war es nichts Neues und ich empfand es als willkommenes Regulativ.

Trottier: Ich war eher jemand, der hier und da Sachen vorgeschlagen hat, es kamen also nicht zwei Egos einander in den Weg. Wir sind ein Team.

Wenn ich früher eure Musik gehört habe, dachte ich immer: Gute Musik muss traurig sein! Das neue Album ist positiver und das funktioniert auch. War diese Neubesinnung bewusst?

Kirk: Ja, durchaus! Auch wenn es keine Umstände gab, die dies verursacht haben. Ich habe durchaus entschieden, dass diese Platte eine Neuausrichtung erhalten soll. Sie sollte sich anders anfühlen und anhören. Ich wollte weg von diesem Fokus auf Moll. Es sollte nicht so gemein und böse in seiner Symbolhaftigkeit sein. Das Projekt sollte als mehr gelten, als nur geisterhaft und gruselig. 

Sebastian Ladwig

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