SOLANGE – A Seat At The Table

Solange - A Seat At The Table CD-Kritik

When you know you gotta pay the cost
Play the game just to play the boss
So you thinking what you gained, you lost
But you know your shit is taking off, oh
When you driving in your tinted car
And you’re criminal, just who you are
But you know you’re gonna make it far, oh

When you feeling all alone
And you can’t even be you up in your home
When you even feeling it from your own…

(Solange – F.U.B.U.)

Man kann sich kaum vorstellen, wie schwer es sein muss im Schatten einer so erfolgreichen popkulturellen Ikone wie Beyonce Knowles als Schwester aufzuwachsen – eine Schwester, die jeder kennt, die jeder liebt, und die vermutlich nicht viel Raum für die Entwicklung einer eigenen Identität lässt. Umso erstaunlicher ist es, dass sich Beyonce’s kleine Schwester Solange mit ihrem dritten Album A Seat At The Table genau das sichert – ihren eigenen Stuhl am Tisch der einflussreichen Künstler des 21. Jahrhunderts.

A Seat At The Table ist nicht nur ein wunderbar groovendes, umwerfend einfallsreiches und musikalisch spannendes Neo-Soul Album, sondern gleichzeitig auch ein wichtiges Zeugnis der persönlichen Entwicklung einer jungen schwarzen Frau in dieser Welt. Nicht nur auf Songs wie dem trotzig slow-groovenden F.U.B.U., dem jazzy Mad (das Lil Wayne featured) oder dem wunderbar souligen Weary beschäftigt sich Solange mit der Realität einer 30-jährigen dunkelhäutigen Frau, die grade im Licht der aktuellen Entwicklungen kein Sonntagsspaziergang ist – und in Interludes wie Dad was Mad und Tina Taught Me featured Solange ihre Eltern und deren persönlichen Kampf mit Rassentrennung und der sozialpolitischen Vergangenheit und Gegenwart.

Der klare Gegensatz zur Musik ihrer Schwester besteht jedoch vorallem, darin, dass Solange kein musikalisches Hokuspokus, keine fetten Beats und atemberaubenden Arien braucht, um ihre Message an den Mann zu bringen – vielmehr trifft die Aussage ihrer Songs oftmals um einiges härter eingebettet in ihren sanften Gesang und die wohlig-experimentelle instrumentale Untermalung.

Don’t Touch My Hair zum Beispiel öffnet nur mit Solange’s butterweichem Gesang über einem spärlichen Drumbeat, zu dem sich langsam ein zurückhaltend-groovender Bass und lediglich im Refrain ein paar leise Bläser und ein Chor gesellen – und doch ist die brutal-klare Message des Songs kaum zu überhören. Solange ist ein Meister darin, das Persönliche als Metapher für das Gemeinsame zu nutzen, und es ist dieser spannender Kontrast zwischen ihrer harmonischen musikalischen Vision und der brutalen, ungebremsten Ehrlichkeit, die aus jeder Pore ihrer Lyrics strömt, die dieses Album nicht nur umwerfend schön anzuhören, sondern auch ebenso wichtig auf gesellschaftlicher Ebene macht.

Alte Wurzeln mischen sich auf A Seat At The Table mit neuem Soul und musikalischer Experimentierfreude: aufgenommen in Louisiana, der Heimat ihrer Eltern, zeigt das Album die originelle Vision Solange’s als Künstlerin, als moderne Frau, als Aktivistin – und als so viel mehr als bloβ die kleine Schwester von Beyonce. Es ist ein Album, das als Ganzes zu genieβen ist – und noch für eine lange Zeit relevant bleiben wird.

5von5

Solange – A Seat At The Table
VÖ: 18. November 2016, Smi Col
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