TORRES – und die Frage nach dem Selbstbild

Foto-© Ashley Connor

Torres eignet sich ganz wundervoll als Girlcrush. Vermutlich liegt das an der personenimmanenten Coolness mit der sie tanzt, singt oder spricht. Für das neue Album Three Futures flirtet sie mehr denn je mit energischer Elektronik und steilen Gitarren. Wir sprechen mit ihr über diese Entwicklung und darüber inwiefern Kunstproduktion ein trainierbarer Muskel ist.

„Irgendwas ist passiert. Vielleicht nenne ich es einfach ‚zu viel Gras’“ – Torres hat ein herrlich dunkles Lachen. „Ich konnte irgendwann diese einfachen Gitarrenmuster nicht mehr hören. Es ist mir regelrecht auf die Nerven gegangen, so zu klingen.“ erklärt die Amerikanerin. Auf dem neuen Album wollte sie mehr: Mehr Tiefe, mehr Können, mehr Komplexität. Vielleicht bemühen sich Musikerin und Plattenfirma daher auch um einen Pressetext zum neuen Album der klingt, als müsse man vor dem ersten Hören zunächst eine Literaturliste abarbeiten: Jodorowsky, Hemingway und Nabokov finden sich als Inspiration auf dem Werk wieder. So als intellektueller Überbau quasi.

„Nabokov wollte ich einfach schon immer mal lesen und endlich hatte ich Zeit dazu.“ so Mackenzie Scott, wie sie bürgerlich heißt. Jadorowsky hingegen begleitet die Musikerin schon länger, anfangs hauptsächlich wegen seiner surrealen Filme, danach begeisterte sie sich für seine Bücher und Theorien zur Psychoanalyse. „Das hat mich schwer beeindruckt und mich stark beschäftigt. Man findet Nabokov und Jadorowsky auf jeden Fall in meiner Musik wieder.“ – Angst vor verkopften, komplizierten Harmonien braucht man dennoch nicht zu haben. Die Musik auf Three Futures läuft einem ziemlich einfach rein – Psychoanalyse hin oder her. „Ja, das ist natürlich auch wichtig. Ich will Musik machen, die sich die Leute anhören. Aber auch da funktioniert Jadorowsky: Es geht um Energien und Freiheit. Bei Nabokov ist es viel Sorgfalt. Braucht man ja alles, um Musik zu machen!“

Hat Scott da Regeln, wenn es um die Bedürfnisse eines Künstlers geht? Was beflügelt Kunst? Was brauchen KünstlerInnen überhaupt, um etwas zu Schaffen? Eine Frage, mit der sich Torres auch eingehend beschäftigt hat. „Ich glaube, deshalb habe ich Hemingway gelesen. Mich hat fasziniert, dass er Kunst wie einen Sport und sich selbst wie einen Athleten betrachtet hat. Er wollte der Beste sein, die Nummer eins. Ich kenne niemanden, der derart abgeklärt mit seiner Kunst umgeht.“ Hier tut sich ein Spannungsfeld auf, denn gleichgültig, ob man über das Schreiben Goethes, das Malen Frida Kahlos oder das Komponieren Axl Roses spricht – Kunst passiert ja nie einfach so. KünstlerInnen setzen sich nicht von der Muse geküsst hin und produzieren ihre Werke. „Es ist tatsächlich eine Art Training – vermutlich hatte Hemingway da recht. Ich merke das auch: Ich glaube, ich bin heute eine bessere Songwriterin als ich es beim ersten Album war. Das kommt durch Übung, klar.“ Das alles aber nur als Sport anzusehen um am Ende auf einem imaginären Siegertreppchen ganz oben zu stehen hat Hemingway jedoch auch nicht geholfen – darin stimmen wir überein: Wir finden Hemingway insgesamt ganz schön langweilig.

Natürlich muss man mit Scott über das Selbstbild als Künstlerin und den Feminismus sprechen. Und natürlich bezeichnet sich Scott selbst als Feministin, wer tut das nicht? Natürlich ist es ihr wichtig, als gleichberechtigte Musikerin wahrgenommen zu werden. Man gewinnt jedoch den Eindruck, dass sie sich wünscht, diese Diskussion oder Nachfrage sei gar nicht mehr nötig. Ihr Augenmerk liegt auf etwas anderem: „Worauf ich richtig stolz bin: Das ich besser an der Gitarre werde. Mir ist es wichtig, für eine gute Gitarristin gehalten zu werden. Das ist mir wichtiger, als alles andere, dass man über mich als Musikerin sagt.“

Silvia Silko

Mehr erfahren →