LEWIS CAPALDI – People should be fucking dancing!


Foto-© Christoph Köstlin

Lewis Capaldi ist erst seit zwei Jahren so richtig im Business – dafür aber massiv erfolgreich. Bisher fütterte er seine Fangemeinde immer nur mit einzelnen Singles, jetzt gibt es endlich das heiß ersehnte Album Divinely Uninspired To A Hellish Extent. Ein Gespräch mit dem lustigsten Mann an der Balladen-Front.

Lewis Capaldi nimmt das alles nicht so ernst. Auf den Plakaten der Londoner U-Bahn sieht man ihn mit einem Handtuch-Turban auf dem Kopf. Das Bild ist medium gelungen, das Zitat daneben, in dem er sich selbst als die schottische Beyoncé bezeichnet dafür umso lustiger. Capaldi singt von gebrochenen Herzen und tiefen Gefühlen – wenn man ihn trifft merkt man aber schnell: Den empfindsamen, leidenden Künstler, den muss man woanders suchen. „Ich kann Situationen einfach richtig gut auskosten und daraus Lyrics machen – auch wenn alles gar nicht so schlimm ist,“ erklärt er. Aber was soll man mit einer Stimme wie seiner auch anderes machen: Da geht ja nur das große Drama, die krassen Gefühle – auch wenn der Konflikt, der die Lyrics verantwortet bloß verschüttete Milch ist. „Ich habe mit eher rockigen Sachen angefangen damals. Balladen und Love-Songs waren nicht immer mein Metier. Ich kann also auch anders,“ erklärt Capaldi. Irgendwann war das, was er jetzt macht genau der Stil, der ihn selbst berührt hat. „Ich mag die Nummern am liebsten, die so richtig stripped sind. Die ganz intim sind, nicht zu viele Instrumente, nicht zu viel Arrangement – einfach nur ein bisschen Klavier und Stimme.“ Lewis Capaldi steht entsprechend ungerne im Studio und werkelt an seinen Songs. Dieses nachjustieren an Songs, immer wieder dasselbe einsingen und im Prinzip jede Verkünstelung sind nichts für ihn. „Wenn ein Song funktioniert, tut er es einfach. Da braucht man den Rest doch gar nicht,“ legt er nach. Er ist dennoch Perfektionist – nur eben einer, der das Besondere im Einfachen sucht. Schlimm ist es für ihn aber dennoch nicht, dass aus seinen Songs durch Remixe Party Banger gemacht werden: „People should fucking dance!“ sagt er und lacht.

Musikalisch ist Lewis Capaldi insgesamt recht eindeutig unterwegs: Auf seinem ersten Album liefert er balladenfokussierten Powerpop mit Pomp, Kitsch und Vibrato – also genau das, was er macht, seit er 2017 mit seiner Single Bruises plötzlich auf der Bildfläche erschien. Seither hat er sich langsam aber sicher in die Ohren und Herzen so ziemlich jeder popinteressierten Person geträllert. Seine Songs verschenkt er dabei glücklicherweise nicht an die Beliebigkeit – was bei einer Stimme wie seiner aber auch wirklich schwierig wäre. Geht einem ja sofort an die Substanz, wenn Capaldi loslegt.

Neben der Musik ist der 23-Jährige aber eben auch wahnsinnig unterhaltsam. Klingt also nicht nur gut, macht auch viel Spaß. Sich Capaldi live ansehen, ist also eine echte Wundertüte der emotionalen Achterbahnfahrten: Einerseits die ganze Melancholie, andererseits der lustige Capaldi. “Ich habe deshalb auch mein Album so genannt – es bedeutet ja quasi ein Kontrast in sich: Sehr uninspiriert, das aber in großem Stil. Es ist auch mit einem Augenzwinkern zu verstehen.” Wie so ziemlich alles bei Capaldi. Oder war das mit der schottischen Beyonce ernst gemeint?


Silvia Silko

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