LOLLAPALOOZA – Nachbericht


Foto-© Sebastian Madej

Die deutsche Ausgabe des Lollapaloozas ist am vergangenen Wochenende fünf Jahre alt geworden. Nach jeweils einem Jahr am Flughafen Tempelhof, Treptower Park und der Rennbahn Hoppegarten mit jeweils größeren und kleineren Problemen lief im zweiten Jahr im Olympiapark alles entspannt und glatt – bis auf den Ton, der hat immer noch ganz schön gezickt. Trotzdem wurde gezeigt, wie eine moderne und diverse Massenveranstaltung – an jedem der beiden Tage kamen 85.000 Menschen – funktioniert. Die martialischen Bauten, die größtenteils zu den Olympischen Spielen 1933 angelegt wurden, sind zwar beeindruckend, versprühen aber nicht gerade lockere Festivalstimmung. Durch Dekoration und Liebe zum Detail wird daraus eine Partykulisse mit beleuchtetem Riesenrad, gegenüber des Schwimmbeckens hängen riesige Ballons in Form von Meerestieren, auf dem Gelände sind KünstlerInnen und Figuren unterwegs, eine Treppe führt zu einem lauschigen Weingarten, im Kidzpalooza konnten die jüngsten Gäste entspannt den Tag verbringen und auch sonst gab es viele interessante Angebote und gemütliche Ecken abseits der Bühnen. Ein bisschen merkwürdig fühlt es sich zwar an, wenn Mädchen mit Glitzerkronen vor dem ästhetischen NS-Erbe in Form des Rosseführer von Joseph Wackerle am Maifeld posieren, aber gut – es geht an diesem Wochenende um Spaß. Immerhin auf die Jungs von Kraftklub ist Verlass, die bei ihrer Show auf die besondere Kulisse hinweisen. Apropos Acts: An zwei Tagen haben die VeranstalterInnen ordentlich aufgefahren, das Line-up ist durchmischter als auf den meisten anderen Festivals, das Publikum deutlich jünger.

Der Samstag startet entspannt mit den wunderbaren Steiner & Madlaina auf der gelben Hauptbühne. Es ist zwar noch nicht viel los, aber die beiden Schweizerinnen versetzen das Publikum mit ihren cleveren Popsongs in Tanzstimmung – zumindest beim Hit Schönes Leben wippen am Ende doch die meisten. Direkt danach legt auch der britische Singer-Songwriter Tom Walker auf der roten Main Stage eine bemerkenswerte Show hin, bevor Sigrid auf der gelben Bühne mit ihrer natürlichen und energiegeladenen Pop-Show beweist, warum sie gerade der letzte Schrei ist. Und während danach eigentlich alle nur noch auf Billie Eilish warten, die unverständlicherweise mit 17:30 Uhr einen Nachmittagsspot bekommen hat (wie übrigens alle Frauen auf den Main Stages …),bringt der deutsche Rapper Dendemann die Massen zum Springen. Und dann wird es eng vor der roten Bühne: Teenie-Superstar Billie Eilish kommt in riesigem Louis Vuitton Shirtkleid und grünen Haaren auf die Bühne. Dank schwieriger Tonverhältnisse, die ihrer Stimme keinen Gefallen tun, hört man in den hinteren Reihen eigentlich mehr Fan-Gekreische als Gesang und trotzdem ist irgendwie klar, dass hier gerade für viele etwas Großes passiert.

Nach ein paar Liedern setzt dann trotzdem eine Wanderschaft der Menschen in den hinteren Reihen zur Perry’s Stage ein: Hier spielen Scooter mit viel Feuerwerk, Tänzerinnen in Leder und dem obligatorischen Mundharmonika-Mikrofon in der Hand, als wäre es noch 1998 und die Massen tanzen – komplett ironisch natürlich. Gleichzeitig spielt Roosevelt eine eher einsame Show auf der Alternative Stage. Ein Schicksal, das selbst Indiegrößen wie Courtney Barnett und Princess Nokia zuteil wird. Erstere ist bekannt für ihre kraftvollen Live-Shows und auch wenn die Chefin von milk!-Records, die sonst international große Hallen füllt, sich am Ende höflich bedankt, wissen wahrscheinlich Künstlerin und Publikum, dass hier der Funke leider nicht wirklich übergesprungen ist, oder eher noch nicht überspringen konnte. Man hat das Gefühl, die Bands auf der Alternative Stage sind die Verliererinnen des diversen Line-ups. Die Bühne ist relativ weit von den anderen entfernt und auch wenn das Booking hochkarätige KünsterInnen bereithält, wird es hier nie so richtig voll. Das ist für Fans wie Acts enttäuschend. Marteria & Casper auf der gelben Bühne haben dieses Problem nicht, trotz Nieselregen sind die Massen voll dabei. Der Abend endet mit Twenty Øne Piløts und Swedish House Mafia auf den Main Stages, während die Parcels auf der Alternative Stage die letzten sommerlichen Klänge des Jahres verbreiten, reißen Underworld im Olympiastation die Perry Stage ab – mit Feuer, Lasern und allem, was dazu gehört.

Am Sonntag lohnte sich ein früher Besuch des schön angelegten Weingartens – hier erwies sich die junge Schwedin Korantemaa, die sich mit ihrer Gitarre vor die Laptopkamera setzte und über YouTube ihre Karriere startete, als Neuentdeckung des Tages und definitiv Künstlerin to watch. Überhaupt waren die NewcomerInnen im Weingarten ein voller Erfolg, auch die Shows von Ilgen-Nur, Pip Blom und whenyoung waren ein stimmungsvoller und intimer Blick in die musikalische Zukunft. Eine mitreißende Show lieferte die Britin Rita Ora am Nachmittag auf der gelben South Stage. Großes Publikum, professionelle Tanzshow und Star-Glamour haben funktioniert, am Ende tanzen hier alle fröhlich in der Sonne, sie verteilt am Ende Küsschen an die Fans in der ersten Reihe, es fließen sogar Tränen. Warum das alles jedoch um 14:30 Uhr stattfindet, löst das gleiche unverständliche Kopfschütteln wie die Terminierung von Billie Eilish aus. Danach wirkt Olli Schulz auf der roten Main Stage ein bisschen blass, aber er kann auch selbst nicht so richtig glauben, dass er auf der gleichen Bühne steht, auf der am Abend die Kings of Leon auftreten werden. Dass die im Gegensatz zu ihren Vorgängern von Kraftklub dann auch ein bisschen blass wirken werden, konnte man zu diesem Zeitpunkt ja noch nicht ahnen. Er schafft es trotzdem, die große Bühne zu füllen und für gute Stimmung zu sorgen.

Der Nachmittag geht weiter mit dem britischen Folkrocker Hozier, auf der grünen Bühne überzeugt der Newcomer Rex Orange County mit britischem Charme und seelenvollem Pop. Danach wird es doch noch einmal voll und wild auf der Alternative Stage: Die Berliner Rapperin und Sängerin Nura wird extrem gefeiert – Heimspiel. Danach kommen Kraftklub auf der gelben Bühne und man merkt, dass sie einfach Lust haben. Das Publikum springt und singt, als gäbe es kein Morgen – gut, wer will jetzt schon an Montag denken? Die Biermänner kommen kaum nach, die Menge tobt gemeinsam wie selten an diesem Wochenende. Zur Zugabe lassen die Bandmitglieder sich mit einer Hebebühne ins Publikum fahren, danach gibt es ein Wettrennen per Crowdsurfing zurück auf die Bühne. Da wirken die US-Rockstars von Kings of Leon im Anschluss leider etwas flügellahm, das Publikum vor der roten Bühne kommt zum Abschluss des Festivals noch einmal zur Ruhe. Im Olympiastadion feuert Martin Garrix währenddessen Partyhits ab – und immer wieder auch Feuerwerk. Und das Fazit? Das Lollapalooza ist ein Festival, das es mit den großen in Europa locker aufnehmen kann, das bunter und entspannter ist als die meisten und mit dem Weingarten einen tollen Platz für NewcomerInnen geschaffen hat. Im nächsten Jahr sollte aber am Sound, an den Stage Times der großen weiblichen Acts und dem Konzept für die Alternative Stage gearbeitet werden.

Einige Auftritte des Lollapalooza 2019 können bei MagentaMusik 360 hier angeschaut werden. Mit dabei sind Sigrid, Tom Walker und Steiner & Madlaina!