Kinotipp der Woche & Kritik: JOKER


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Is it just me or is it getting crazier out there?

(Arthur Fleck – Joker)

Arthur Fleck (Joaquin Phoenix) lebt zusammen mit seiner gebrechlichen Mutter (Frances Conroy) in einem heruntergekommenen Apartment in Gotham City. Sein einziges Ziel im Leben ist Menschen zum Lachen zu bringen und so verdingt er sich in Gelegenheitsjobs als Clown und träumt davon Comedian zu werden. Rückschlag um Rückschlag treiben den ohnehin in psychiatrischer Behandlung befindlichen und von starker Medikamenten-Abhängigkeit gezeichneten Mann immer näher an die Grenze seiner psychischen Belastbarkeit. Als mit der Beziehung zu seiner Mutter auch noch sein scheinbar letzter emotionaler Bezugspunkt in Frage gestellt wird, tritt ein bedrohliches Alter Ego in Form des Jokers immer mehr in den Vordergrund.

Die Erwartungen an den neuen Joker Film haben sich enorm gewandelt seit der initialen Ankündigung in 2017. Zunächst war die Stimmung verständlicherweise eher negativ. Die Welt hatte gerade erst 2016 einen neuen Joker in Form von Jared Leto in Suicide Squad präsentiert bekommen. Ein Großteil der Fans war enttäuscht von dem Film und nicht wenige auch von der Darstellung des Jokers. Somit war das Verlangen nach einem neuen Joker Film schon einmal gedämpft. Fans von Letos Darstellung hingegen wurden ebenfalls vor den Kopf gestoßen, denn Joker ist verständlicherweise völlig losgelöst von dem übergeordneten DC Extended Universe in dem Suicide Squad spielt. Generell stellt Joker DCs Abkehr von der Marvel Formel des geteilten Universums dar, denn Joker soll als Film ganz alleine für sich stehen. Der Film basiert nicht auf einem bestimmten Comic und auch der kommende Batman Film mit Robert Pattinson wird, so die Aussage DCs, keine Verbindungen ziehen. Ob der Film bei Erfolg wiederum eine DC Dark Serie ähnlich gearteter Einzelfilme nach sich ziehen wird, ist aktuell noch in Diskussion.

Die negative Stimmung fing mit den ersten Berichten über Joaquin Phoenix´ Performance an sich zu wandeln und mündete in Standing Ovations auf der Premiere in Venedig. Diese ist auch mit Abstand der beeindruckendste Aspekt des Films. In einem düster und hoffnungslos gezeichneten, an das New York in den 80ern angelegten, fiktivem Gotham City steht seine Figur am unteren Rand der Gesellschaft. Er scheint Negativität und Hass förmlich anzuziehen und wie ein Schwamm aufzusaugen. 25 Kilo hat Joaquin Phoenix für die Rolle abgenommen um auch physisch darzustellen wie ausgezehrt der Charakter ist und so bereitet es teilweise fast physische Schmerzen ihm zuzusehen. Ein weiterer zentraler Aspekt der Rolle des Jokers ist die Lache. Von Mark Hamill über Heath Ledger und auch Jared Leto hat jeder Darsteller hier seinen eigenen Twist von absolut verrückt bis hin zu schlicht furchteinflößend gefunden. Passenderweise scheint Phoenix´ Joker förmlich an seinem eigenen Lachen zu ersticken, ähnlich wie Andy Serkis´ Gollum.

Schauspielerisch gesehen gibt es also wenig Kritik an Joker, aber ist er der Skandalfilm, als der er teilweise in den Medien verschrien wird? Vergleiche zu Taxi Driver drängen sich natürlich auf. Nicht nur ist die Story ähnlich konzipiert, Taxi Driver Regisseur Martin Scorsese war für die Joker Regie im Gespräch und Taxi Driver Hauptdarsteller Robert De Niro spielt auch hier zumindest eine Schlüsselfigur. Analog zu Taxi Driver, Full Metal Jacket oder auch Platoon bietet der Film zwar keine positive Identifikationsfigur, glorifiziert die Gewalt aber auch nicht. Es wird zwar Empathie für Arthur Fleck als Opfer einer abstoßenden Gesellschaft erzeugt, aber seine Taten werden in keiner Weise gerechtfertigt. Der Film geht sogar einen Schritt weiter, denn auch wenn gerade zum Ende hin der Joker in einigen wenigen Szenen durchaus erstarkt dargestellt wird, sagt er auch klar, dass dies die Perspektive des Jokers selbst ist. Und dass sein Selbstbild und seine Wahrnehmung nicht der Realität des Filmes entsprechen wird ebenfalls klar. Dennoch werden sicher viele, wie auch bei den anderen Beispielen, Szenen und Bilder, die im Kontext des Films abstoßend sind ob ihrer enormen grafischen Qualität als cool und nachahmenswert aufnehmen. Genauso wie es aber nicht genügt bei Nachrichten nur die Schlagzeile zu lesen, sollte man auch hier den Film als Ganzes betrachten. Abgesehen von der Diskussion, ob die Gewaltdarstellung nun gerechtfertigt ist oder nicht, für Zartbesaitete ist Joker auf jeden Fall nicht geeignet. Wenn es auch nur wenige Gewaltspitzen gibt, wäre auch eine 18er Freigabe durchaus gerechtfertigt gewesen. Am Ende ist Joker weniger Skandal als mehr ein Film der beeindruckend aufzeigt welche Bandbreite Comic-Verfilmungen sogar im quasi Superhelden Genre mittlerweile bieten können.

Regisseur Todd Phillips, sonst eher bekannt für die weniger tiefgründige Hangover Trilogie, hat mit einem gerade für Comic-Vverfilmung im Superhelden Universum extrem geringen Budget von nur 55 Millionen USD einen Film abgeliefert der sowohl Comic- als auch Scorsese-Fans begeistern wird.

Joker (USA / CAN 2019)
Regie: Todd Phillips
Cast: Joaquin Phoenix, Robert De Niro, Zazie Beetz, Frances Conroy, Brett Cullen, Sheaq Whigham, Dougleas Hodge
Kinostart: 10. Oktober 2019, Warner Bros. Pictures Germany

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Malte Triesch

Malte wuchs im idyllischen Lilienthal, direkt an der Grenze zu Bremen, der schönsten Stadt im Norden Deutschlands, auf. Seine frühesten Film-Erinnerungen ist, auf dem Schulhof in der neusten TV Movie alles anzustreichen was gesehen und aufgenommen werden muss. Da die Auswahl an Horrorfilmen hier doch recht be- oder zumindest stark geschnitten war entdeckte er Videotheken für sich bzw. seine Mutter, da man diese ja erst ab 18 betreten durfte. Wenn er nicht gerade Filmreviews schreibt ist er wahrscheinlich im (Heim-)Kino oder vor dem Mikrophon für den OV Sneak Podcasts, SneakyMonday.

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