SCHWARZE MILCH – Filmkritik

Nomade: „Worauf warten diese jungen Dinger nur?“
Wessi: „Warte ich denn?“

Manchmal sind es unsere liebsten Menschen, die sich am weitesten von uns entfernen können. Schwarze Milch von Regisseurin Uisenma Borchu erzählt, wie es ist, sich von der eigenen Heimat zu entfremden, sie aber auch wiederzufinden. Ein Film von Ferne, Heimweh und dem Wunsch, dazu zu gehören – genau das Richtige für die kommende Zeit der Isolation.

Zwei Schwestern – eine aus dem Westen, eine aus dem Osten – Wessi und Ossi. Zwei Welten, die unterschiedlicher nicht sein könnten, treffen aufeinander als die eine Schwester, gespielt von der Regisseurin Uisenma Borchu selbst, ihre neue Heimat Deutschland verlässt, um ihre als Nomadin lebende Schwester in der Mongolei aufzusuchen. Jahre sind seit der letzten Begegnung vergangen und zwischen Wessi und Ossi (Gunsma Tsogzol) liegen mehr als nur 6300 Kilometer. Die Freude über die Rückkehr der verlorenen Schwester währt nur kurz und die Konflikte stehen schon vor der Jurte Schlange. Zu abgehoben sei Wessi, zu sehr auf ihr Äußeres bedacht und eine Ahnung vom Leben hätte sie sowieso nicht. Als sie dann auch noch mit Ossis alleinstehendem Nachbarn Terbish (Terbish Demberel) eine romantische Beziehung eingeht, scheint der Graben zwischen den zwei Schwestern unüberwindbar.

Es ist eine Geschichte, die mit wenig Worten auskommt und vor allem durch ihre Bilder lebt. Borchu führt ihre Zuschauer*innen im dokumentarischen Stil durch ihr Heimatland die Mongolei und lässt die einzigartige Landschaft für sich sprechen. Grüne Steppen, hohe Dünen und ewige Weiten prägen das Land zwischen Russland im Norden und China im Süden. Die Geschichte der heimgekehrten Schwester beginnt durch die gezeigten Bilder erst richtig zu leben und entwickelt eine spürbare Demut vor der Natur. Aber auch sinnliche, intime Sequenzen wie Ossi, die das erste Mal in Pferdemilch badet, oder Terbish und Wessi, wie sie miteinander schlafen, sorgen dafür, dass die Geschichte von Schwarze Milch mit wenigen Worten zu verstehen ist.

Uisenma Borchu bringt mit ihrem neuen Film die Ferne zu uns – in einer Zeit in der wir nicht in die Ferne können. Es ist eine kleine Realitätsflucht, die uns zeigt, wie wichtig die Menschen sind, die uns nahestehen und dass wir ab und zu über den eignen Schatten springen müssen, um das zu erkennen.

Regie: Uisenma Borchu
Darsteller: Gunsmaa Tsogzol, Terbish Demberel, Franz Rogowski, Bud-Ochir Tegshee, Bayarsaikhan Renchinjugder
Heimkino-Start: 23. Dezember 2020, Alpenrepublik

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Julius Tamm

Hat irgendwas mit Medien studiert, schaut gerne Filme und schreibt auch noch drüber. Autor bei bedroomdisco, FRIZZ Darmstadt, hr-iNFO Online und hessenschau Social Media.

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