BLACK SEA DAHU – I Am My Mother


Foto-© Paul Märki

I turned myself inside out
You don’t even know
I put on the warpaint and calm the winds of your trauma closing in
Where do you end and where do you begin?

I laid my broken heart in your hands

(Black Sea Dahu – Affection)

Passend zu den ersten Sonnenstrahlen des Jahres bringen Black Sea Dahu mit ihrem zweiten Album I Am My Mother schonmal ein bisschen Sommerfeeling in den Februar: Die Schweizer Band um Sängerin, Songschreiberin und Gitarristin Janine Cathrein liefert mit ihrer introspektiven, vielschichtig arrangierten Indie-Folk-Platte den richtigen Soundtrack für lange Sonnentage und laue Abende.

Bei dem „Dahu“ im Bandnamen handelt sich sich um ein Schweizer Fabeltier, eine Art Gämse mit unterschiedlich langen Beinen, ein anrührendes und im wahrsten Sinn des Wortes „schräges“ Wesen. Genauso drehen sich auch die Musik und die Texte von Cathrein um die Zwischentöne, um das, was nicht so ganz passt, um das Unausgesprochene, Befremdliche und Wundersame.

So beschäftigt sich z.B. der Opener Glue auf den ersten Blick mit einer Geschichte über Cathreins Großmutter, die an Demenz erkrankt ist und mit Gedächtnis- und Identitätsverlust hadert. Daraus erwächst eine Meditation über den Gesamtzustand der Welt und der Gesellschaft, die gleichsam ihre Wurzeln vergisst und auf der Suche nach einer größeren Vision in der Uneinigkeit stecken bleibt, wie man am Klimawandel und dem Artensterben sehen kann: “And human race forgot all about the past / History repeats itself / While we wipe out elephants to the last.” Erinnerungen sind auch nur Geschichten, die man sich selbst erzählt, und die Gedanken sind der Kleber, der die Geschichten zusammenhält. Dabei spielt der Song subtil mit einem warmen, kernigen Vinyl-Rauschen und -Knacken im Hintergrund, was nach Nostalgie und guter alter Zeit klingt.

Cathrein erweist sich als vielschichtige und poetische Texterin, die Themen gehen unter die Haut, die Melodien und Arrangements sind ebenso komplex wie die emotionalen Lyrics und stützen sie perfekt. Human Kind erinnert in seiner ätherischen Gefühlsbetontheit z.B. an den Output von Midlake. One And One Equals Four mäandert in schöner Schwermut vor sich hin und findet treffende Metaphern für Beziehungen, die wegen zu großer Unterschiede nicht funktionieren: “There’s an ocean between you and me / That can’t be overcome.” Auch die reduzierte Ballade Affection, die von Zuneigung und Verletzlichkeit handelt, geht ganz in die Tiefe des Themas und bleibt trotzdem optimistisch und lebensbejahend. Im launigen Titelsong I Am My Mother macht sich Cathrein Gedanken darüber, wie man selbst geformt wird von den Menschen, die einem am nächsten stehen.

Das ganze Album ist durchzogen von einem warmen, introspektiven, bluesigen Grundton, melancholisch, aber doch mit Augenzwinkern, intensiv, aber trotzdem verträumt und relaxed. Es ist die perfekte Musik für das Chill-Out-Zelt auf einem Festival, wo man in die Wolken starren, seine Gedanken ordnen und Gefühle verarbeiten will. Der nachdenkliche Urban Folk-Sound ruft Assoziationen wach an Sommerabende am See, lauschige Cafés, Road Trips, oder das Glitzern von gerade verschwindendem Sonnenlicht.

Black Sea Dahu – I Am My Mother
VÖ: 25. Februar 2022, Black Sea Dahu
www.blackseadahu.com
www.facebook.com/blackseadahu

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Tamara Plempe

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