PHILINE SONNY – about the song

Foto-© Fabian Süggeler

Die ersten beiden Singles auf dem Amilli-Label MIGHTKILLYA haben Philine Sonny kurzerhand zu einer der spannendsten Newcomerinnen hierzulande gemacht – die Erwartungen sind dementsprechend groß, aber die 20-Jährige liefert und liefert… So auch mit der just erschienenen neuen Single Oh Brother, die für ordentlich Gänsehaut sorgt. Für unsere about the song-Reihe hat die Musikerin alles Wissenswerte zum neuen Song zusammengeschrieben:

Oh Brother ist ein Song für meinen Bruder David. Wir sind sehr eng zusammen aufgewachsen, er ist nur 1,5 Jahre älter als ich. Deswegen sind wir die meiste Zeit zusammen zur Schule gegangen, hatten wir teilweise sogar den gleichen Freundeskreis und haben insgesamt einfach ein sehr gutes Verhältnis.

„You’re the calm in all of my troubled times“: Unsere Eltern sind getrennt, seit wir recht jung sind und das bringt Konflikte und Herausforderungen mit sich, die von Familie zu Familie unterschiedlich sind und es entstehen Dynamiken, die Außenstehende nicht wirklich nachvollziehen können. David und ich haben wegen der Umstände auch viel Zeit bei meiner Oma und meinem Opa verbracht. Bis wir fast erwachsen waren sind wir also meistens zwischen drei Haushalten hin- und hergefahren worden, haben Weihnachten in drei Häusern gefeiert und weil wir an Silvester niemanden enttäuschen wollten, waren wir jedes Jahr bei jemand anderem. Der Einzige, der das Ganze aus der gleichen Perspektive erlebt hat, wie ich, war mein Bruder, weil zumindest wir beide immer überall zusammen waren und das verbindet einen schon sehr doll. 

Ich habe mich mit der ganzen Situation etwas schwerer getan als David und habe mich viel mit meinen Eltern gestritten. Da gab es durchaus den einen oder anderen Moment, in dem er mir den Arsch retten musste oder für mich das Reden übernommen hat – er ist schon immer eher rational mit Konflikten umgegangen und ich eher emotional. „I owe you more than i can tell“, weil ich mir ziemlich sicher bin, dass er noch viel öfter in meinem Namen geschlichtet hat, als ich es mitbekommen habe. 

„Meet me by the riverside“: Mein Papa ist damals zu seiner Freundin ins Sauerland gezogen. David, meine drei Stiefgeschwister und ich sind da immer stundenlang im Wald gewesen, haben selbstgeschmiedete Nägel in „unseren“ Baum geschlagen und Dämme in allen möglichen Bächen gebaut. Wenn ich an unsere Kindheit denke, muss ich auch immer an die ganzen Geschichten aus dieser Zeit denken.

Oh Brother fühlt sich auch an, wie mein Erwachsenwerden. In der letzten Strophe singe ich „Oh Brother, aren’t you scared of the pain that waits for us in our damn lives“. Mit 14 ist unser Opa an Krebs gestorben, was für uns beide ziemlich einschneidend und bei mir der Anfang einer Zeit war, in der ich immer wieder mit Depressionen zu kämpfen hatte. Das war natürlich eine Sache, die sehr prägend war für’s Aufwachsen, genauso wie der Fakt, dass mein Bruder irgendwann immer weniger Zeit Zuhause verbracht hat, nachdem seine Ausbildung gestartet ist und er seine erste Freundin hatte: „Will you stay until i fall into dreams? By the time the sun rose you’ll be gone but still close“. 

Als ich schon angefangen hatte, den Song zu schreiben – immer nachts auf dem Balkon der WG, in der ich gewohnt habe, damit ich niemanden wecke – hat David mich gefragt, wann ich denn mal einen Song für ihn schreiben würde und dass ich das ja mal machen müsse. Da habe ich kurz überlegt, ob ich’s doch lieber lasse, nur damit er nicht wieder Recht behält. Ich hab den Song dann aber natürlich zu Ende geschrieben, das war Ende Oktober 2020, glaube ich. Kurz davor bin ich zum Studieren in eine neue Stadt gegangen und habe da besonders viel darüber nachgedacht, wie es ist, dass wir beide jetzt das erste Mal nicht mehr zusammen wohnen und was die Zeiten früher ausgemacht hat. Deswegen ist es kein Wunder, dass ich erst in der neuen Umgebung geschafft habe, die richtigen Worte für den Song zu finden.

Im Februar 2021 bin ich für knapp 6 Wochen in eine leerstehende Wohnung über dem Restaurant von meinem Papa gezogen, um die EP zu Ende zu produzieren – das war mitten im Wald, ganz in der Nähe von den Orten, an denen wir früher immer gespielt haben.
Oh Brother habe ich im Oktober 2020 direkt nachdem die letzte Zeile stand früh morgens aufgenommen, fast alle Spuren sind One Takes und ich hatte keinen Plan für die Produktion, bevor ich angefangen habe aufzunehmen. In den 6 Wochen habe ich kurz versucht, nochmal ein paar Dinge zu ändern oder noch mehr Instrumente einzuspielen, habe aber schnell gemerkt, dass der Song, so, wie er an diesem Morgen entstanden ist, gut so ist und so war Oh Brother der erste Song der EP, der fertig war. 

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Dominik

Bedroomdisco-Gründer, Redaktions-Chef, Hans in allen Gassen, Golden Leaves Festival Booker, Sammler, Fanboy, Exil-Darmstädter Wahl-Hamburger & happy kid, stuck with the heart of a sad punk - spreading love for great music since '08!

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