LA ABUELA – SIE WARTET AUF DICH! – Filmkritik


Foto-© Koch Films

Es gab immer nur uns zwei, sonst niemanden!

(Susana – La Abuela – Sie wartet auf dich!)

Die Spanierin Susana (Almundena Amor) lebt in Paris und ist kurz davor ihren Durchbruch im Modeling zu haben, als ihre Großmutter (Vera Valdez) in Madrid einen Schlaganfall erleidet. Zurück in Madrid ist sie einerseits bemüht sicherzustellen, dass ihre nun 24/7 betreuungsbedürftige Großmutter weiterhin in ihrer Wohnung bleiben kann und umsorgt wird und andererseits ihr eigenes Leben in Paris fortsetzen zu können. Die Sorge um ihre Großmutter, der gesellschaftliche Druck sich um sie zu kümmern und der eigene Anspruch dies zu tun und gleichzeitig die eigene Karriere am Laufen zu halten, bringen sie dabei scheinbar an den Rand ihrer psychischen Leistungsfähigkeit. Wie sonst lassen sich ihre alptraumhaften Visionen erklären?

Wo The Babadook in 2014 eindrucksvoll gezeigt hat wie die Grenzen von Realität und Wahnsinn als alleinerziehende Mutter verschwimmen können, zeichnet La Abuela (Spanisch für „Die Großmutter“) ein ähnliches Bild für die Pflege eines geliebten älteren Menschen. Der Film ist dabei vielleicht nicht ganz so pointiert und auch nicht ganz so gruselig, aber dafür ein bisschen leichter verdaulich. Von entspanntem Mainstream-Horror ist La Abuela aber dennoch weit entfernt. Gerade wer schon einmal Familienmitglieder betreut hat, wird von so mancher im Sinne des Genres überspitzen Szene, an das Erlebte erinnert und besonders getroffen werden, oder aber vielleicht auch mit dem Ende nicht ganz einverstanden sein. Denn da ist La Abuela dann doch Mainstream und gibt uns seine definitive Antwort auf die Visionen, die Susana plagen.

In den Momenten, in dem der Film als Drama durchaus seine Schwächen hat, überzeugt er als reiner Horrorfilm jedoch auf ganzer Linie. Vom langsamen Aufbau bis zum Finale bleibt es spannend und vor allem beklemmend. Die Story hat genügend Wendungen, um einen bis zum Ende rätseln zu lassen und das ohne, dass sie an den Haaren herbeigezogen wirken. Dass der Film die Spannung über die gesamten 100 Minuten aufrecht erhalten kann, ist besonders bemerkenswert, da wir hier ein Kammerspiel zwischen nur zwei Personen haben, von denen eine in Folge des Schlaganfalls auch noch nahezu stumm ist. So obliegt es fast alleine Almundena Amor, ohne eine Gegenspielerin, die ganze Klaviatur der Emotionen von Mitgefühl über Verzweiflung bis Panik abzuspielen. Dies gelingt ihr dabei ebenso perfekt, wie Vera Valdez, die mit viel Mut und scheinbar ohne falsche Scham ihr Alter zur Schau stellt. Das überrascht speziell bei Frau Valdez nicht, da sie (Geb. 1936) immer noch als Modell und Schauspielerin tätig ist; kann aber insgesamt nicht hoch genug gelobt werden, da alternde Körper immer noch ein Tabuthema in Filmen sind. Auch weil die Botschaft des Filmes in Bezug auf Altenpflege und die damit verbundenen Emotionen, zwiegespalten ist, wird sicher niemand komplett glücklich mit dem Ergebnis sein. Wobei man nicht vergessen sollte, dass eine gewisse Dualität der Emotionen für viele die Realität im Umgang mit den geliebten Älteren darstellt und es hier keine klaren oder zumindest einfache Antworten gibt.

Horror „Made in Spain“ mausert sich langsam aber sicher zu einer festen Instanz im internationalen Kino. So liefert Regisseur Paco Plaza einen Film ab, dem sowohl Arthouse Horror-Fans als auch der Horror-Mainstream etwas abgewinnen können und setzt damit konsequent seinen Run erfolgreicher spanischer Horrorfilme fort – denn er ist Teil des Duos hinter der Rec-Saga und der Netflix Produktion Veronica. Ursprünglich für einen großen Release in 2021 geplant, kommt der Film, nach einer Tour über die internationalen Festivals, Corona-bedingt nun still und leise im Heimkino an. Genauso und mit abgedunkelten Fenstern sollte man ihn dann auch genießen. Denn der Film braucht etwas Zeit und Ruhe um seinen Horror zu entfalten. Besonders für Menschen, die mit dem Alter und Altern grundsätzlich ein Problem haben, ist La Abuela keine leichte Kost, aber auch genau deshalb für diese Zielgruppe, sowohl um sich zu gruseln als auch sich dem Thema anzunähern, sehr sehenswert. Denn, auch wenn man den Standpunkt des Filmes nicht teilt, kann man ihn als Startpunkt für eine Diskussion nutzen und mit dem Thema „Alter“ dürfen wir uns fürher oder später hoffentlich alle auseinandersetzen.

La Abuela (ES FR BE 2021)
Regie: Paco Plaza
Besetzung: Almundena Amor, Karina Kolokolchykova, Vera Valdez
Heimkino-VÖ: 7. April 2022, Koch Films

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Malte Triesch

Malte wuchs im idyllischen Lilienthal, direkt an der Grenze zu Bremen, der schönsten Stadt im Norden Deutschlands, auf. Seine frühesten Film-Erinnerungen ist, auf dem Schulhof in der neusten TV Movie alles anzustreichen was gesehen und aufgenommen werden muss. Da die Auswahl an Horrorfilmen hier doch recht be- oder zumindest stark geschnitten war entdeckte er Videotheken für sich bzw. seine Mutter, da man diese ja erst ab 18 betreten durfte. Wenn er nicht gerade Filmreviews schreibt ist er wahrscheinlich im (Heim-)Kino oder vor dem Mikrophon für den OV Sneak Podcasts, SneakyMonday.

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