KURT VILE – (watch my moves)


Foto-© Adam Wallacavage

Goin on a plane today
Gonna chug a beer and curse my name
See you on the other side
Either on the tarmac or the after life
Things gettin a little weird
My mind gone foggy, my memory’s unclear
Manhood…compromised
Watch me shrinkin back into a little kid
Just as I’m… just gettin old

(Kurt Vile – Goin on a Plane Today)

Folk-Sänger und -Songwriter gibt es viele, aber nur wenige mit einem so unprätentiösen und entspannten Stil wie Kurt Vile – lange Haare, Holzfällerhemd, Blue Jeans und ein versonnenes Lächeln gehören zu seinen Markenzeichen: Der freundliche, etwas kauzige Musiker von nebenan ohne Rockstar-Allüren oder Eitelkeiten. Außergewöhnlich ist dafür aber seine Produktivität: (watch my moves), das am 15. April erscheint, ist bereits sein neuntes Soloalbum, von anderen Bandprojekten und einer Menge EPs ganz zu schweigen. Viele seiner Songs hat er bereits zuhause aufgenommen, bevor er berühmt wurde, denn seinen Lebensunterhalt musste er sich zunächst als Gabelstaplerfahrer verdienen. Vielleicht kommt daher seine bodenständige Ausstrahlung – der Titel seines hochgelobten Debüt-Soloalbums aus dem Jahr 2008, Constant Hitmaker, wirkt da fast wie ein selbstironisches Augenzwinkern.

Obwohl es sich im Nachhinein gar nicht mehr so ironisch anhört: Der 42-jährige hat sich durch die konstant hohe Qualität seiner Veröffentlichungen über die Jahre hinweg schon einige berühmte Fans gesichert, z.B. Sonic Youth-Gitarristin Kim Gordon, die über sein sechstes Album B’lieve I’m Goin Down schlicht und einfach schrieb: “I love this record!”

Der Titel des neuen Albums ist Programm: (watch my moves) dreht sich um Bewegung, Aufbruch, das Unterwegs-Sein von irgendwoher nach (n)irgendwohin. Vile erklärt, dass er morgens gerne mit einer Tasse Kaffee am Fenster sitzt, im Kopf auf Reisen geht und seinen Tagträumen nachhängt, und diese nostalgisch-wehmütige, aber auch hoffnungsvolle Stimmung fängt das Album perfekt ein. Man fühlt sich erinnert an Country -, Rock – und Folk-Größen wie Tom Petty oder Bruce Springsteen, ganz besonders aber an Neil Young: Dichte Gitarren-Klangwände, ein Gespür für Americana, eine besonnene Feel-Good-Atmosphäre, die es trotzdem schafft, nicht gekünstelt zu wirken, eingängige Melodien, die aber nie platt oder abgedroschen klingen, sondern vielschichtig und komplex; und ein Stich ins Melancholische, ohne jedoch in Niedergeschlagenheit abzugleiten. Auch Bob Dylan scheint durch, wenn Vile manchmal vom Singen ins mäandernde Erzählen übergeht und ausschweifende poetische Geschichten zum Besten gibt, voller Gedankensprünge und starker Bilder.

Im Opener Goin on a Plane Today wird Neil Young sogar namentlich erwähnt. Der Song strahlt eine gemütliche Aufbruchsstimmung aus und könnte mit seinen simplen, aber anrührenden Klavierakkorden und den elegischen Bläsern im Refrain direkt von Youngs’ Klassiker Harvest stammen. Eine ähnliche Atmosphäre erzeugt auch die vorab veröffentlichte Single Like Exploding Stones mit ihrem entrückten, verträumten Gitarren-Riff.

Ganz anders sind dagegen Songs wie das experimentelle Palace of OKV in Reverse mit den rückwärts abgespielten, leiernden Gitarren oder das minimalistische Kurt Runner, in dessen introspektives Riff man vollkommen versinken kann. Hier zeigt Vile, dass er auch Ausflüge ins Hypnotisierende und Psychedelische draufhat. Fo Sho mit seinen Synth Drone Sounds und den verzerrten Gitarren klingt dagegen dreckiger und grungiger, und mit dem Bruce-Springsteen-Cover Wages Of Sin erzeugt er sogar eine fast bedrohliche, düstere Stimmung, wenn seine knabenhafte Stimme, von Hall verfremdet, gegenüber den schweren Gitarren beinahe körperlos wirkt.

Auf der anderen Seite stehen luftig-gut gelaunte Sommerhits mit Surfrock-Anleihen wie das relaxte Mount Airy Hill (Way Gone) oder das harmonische, frühlingshafte Jesus On A Wire, das vor sich hin tanzt wie Sonnenlicht, das durch die Äste bricht. Da spürt man Viles Talent für nachdenklichen, tiefgründigen Pop-Rock à la Midlake oder Suzanne Vega.

Insgesamt schafft er es, einen beeindruckenden Flickenteppich an Stimmungen einzufangen. Gemeinsam ist allen Songs eine Sommerlichkeit, eine Nuance schöner Melancholie, der nie die Leichtigkeit oder der ironische Humor ausgeht, und eine Entspanntheit und Aufrichtigkeit, die selten geworden ist im Musikbusiness. Das Motiv von Aufbruch und Unterwegssein, aber auch Nostalgie zieht sich durch die ganze Platte: Ein perfekter Sommersoundtrack zum Abtauchen. Man darf schon gespannt sein auf Longplayer Nr. 10, der bei einem so produktiven Musiker wie Vile sicher nicht lange auf sich warten lassen wird.

Kurt Vile – (watch my moves)
VÖ: 15. April 2022, Verve Records
www.kurtvile.com
www.facebook.com/kurtvileofphilly

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Tamara Plempe

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