DIE FABELMANS – Filmkritik


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Movies are dreams, that you never forget.

(Mitzi Fabelman – Die Fabelmans)

Der junge Sammy Fabelman (Gabriel LaBelle) wächst zunächst wohlbehütet mit seinen drei Geschwistern in den USA der Nachkriegszeit auf. Im Laufe mehrerer Umzüge stören jedoch von außen zunehmender Antisemitismus und von innen die nicht rund laufende Ehe seiner Eltern und der geistige Zustand seiner Mutter Mitzi (Michelle Williams) die Idylle. Dies wiegt besonders schwer, denn die eher künstlerisch veranlagte Mutter fördert und versteht den zunehmend am bewegten Bild interessierten Sammy wesentlich besser als der technisch versierte Vater Burt (Paul Dano).

Beworben wird Die Fabelmans hauptsächlich als Steven Spielbergs semiautobiografische Aufarbeitung seines Lebens. Wer nun einen klargezeichneten Weg vom ersten Kinobesuch über konkrete Inspirationen für Indiana Jones, ET & Co. bis hin zu der ersten eigenen Regiearbeit erwartet, der wird enttäuscht. Enttäuscht jedoch nur, weil er nicht das bekommt, was er erwartet, aber auf keinen Fall wegen dem Film selbst. Denn glücklicherweise ist dieser unrealistische Ansatz, in der der Genius eines Künstlers auf einen oder mehrere konkrete Momente zurückzuführen ist, weder Fokus noch Botschaft des Films.

Vielmehr werden sehr einfühlsam die Herausforderungen und die unglaubliche Selbstlosigkeit der Eltern in dieser unorthodoxen Familie aufgezeigt. Auch die harte Lebensrealität als jüdisches Kind in den USA der 60er Jahre wird mit all ihren Härten, Absurditäten aber auch den schönen und lustigen Seiten aufgezeigt. So ergibt sich eine sehr runde Coming of Age-Geschichte, in die auch noch, zur Freude aller Cineasten, viel Liebe für den Film und das Handwerk dahinter, tatsächlich aber Kunst im Allgemeinen, eingearbeitet ist. Eben keine Spielberg Origin Story, aber dafür zu gleichen Teilen eine Liebeserklärung an den Film, Steven Spielbergs Eltern und ein wenig auch an die Kindheit und den Verlust der Unschuld. Besonders Paul Dano ist dabei, wie eigentlich immer, so ruhig und verletzlich, dass man ihn die ganze Zeit über in den Arm nehmen möchte. Eine Leistung, die umso beeindruckender ist, da an sich die Mutter im Fokus der Zuneigung von Sammy und der Geschichte des Filmes steht. Ein beeindruckendes Erlebnis, das perfekt die emotionale Zerrissenheit eines Scheidungskindes widerspiegelt und neben der herausragenden Performance und Inszenierung dem grandiosen Script, welches Spielberg gemeinsam mit dem langjährigen Kollaborateur Tony Kushner schrieb, zuzuschreiben ist. Denn damit nicht genug, ist neben den Eltern auch noch Seth Rogens „Benny Loewy“, bester Freund der Familie vor allem aber des Vaters, hervorzuheben, der ebenfalls eine tragende und tragische Rolle in den Geschicken der Fabelmans spielt. Dass alle drei Bezugspersonen von Sammy, trotz ihrer gänzlich unterschiedlichen Verhaltensweisen und Charakterzügen, gleichermaßen nachvollziehbar herausgearbeitet werden und die Sympathie des Zuschauers einsammeln, ist eine absolute Meisterleistung.

Obgleich es gerade keine fiktive Erklärung von Spielbergs Genius ist, wird die ganze Geschichte dennoch sehr clever durch das Medium Film zusammengehalten und der Zuschauer am Ende mit einem sehr smarten Kameraschwenk und einem Augenzwinkern zurück in die Realität entlassen. Ein Element, das der Dramatik der Handlung nicht im Weg steht, sondern dem Zuschauer immer mal wieder etwas Zeit zum Durchatmen gibt. Hatte Ausnahmeregisseur Spielberg in seinen moderneren Filmen wie Ready Player One oder BFG ein wenig das Gefühl vermittelt, die Verbindung zum Zeitgeist verloren zu haben, findet er sie definitiv in den 60ern wieder. Sei es nun in der West Side Story oder seiner eigenen. Wenn ihr wie Sammy Filmambitionen und Interesse hegt, wart ihr wahrscheinlich schon im Kino , alle anderen sollten spätestens jetzt daheim einen Blick riskieren.

The Fabelmans (USA 2022)
Regie: Steven Spielberg
Besetzung: Gabriel LaBelle, Michelle Williams, Paul Dano, Seth Rogan
Heimkino-VÖ: 25. Mai 2023, Universal Pictures Germany GmbH

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Malte Triesch

Malte wuchs im idyllischen Lilienthal, direkt an der Grenze zu Bremen, der schönsten Stadt im Norden Deutschlands, auf. Seine frühesten Film-Erinnerungen ist, auf dem Schulhof in der neusten TV Movie alles anzustreichen was gesehen und aufgenommen werden muss. Da die Auswahl an Horrorfilmen hier doch recht be- oder zumindest stark geschnitten war entdeckte er Videotheken für sich bzw. seine Mutter, da man diese ja erst ab 18 betreten durfte. Wenn er nicht gerade Filmreviews schreibt ist er wahrscheinlich im (Heim-)Kino oder vor dem Mikrophon für den OV Sneak Podcasts, SneakyMonday.

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