Foto-© Rachel Lipsitz
I’ve been to Paris, where I ate snails
I’ve been to Cardiff, that’s in Wales
I can walk on water, I can walk in strong winds
I can cook a good Coq au Vin, if you take out the bins.
(The Moonlandingz – The Sign Of A Man)
Es ist immer eine Freude, über Lias Saoudi zu berichten. Als Sänger von Fat White Family ist er für jede Schandtat zu haben. Er ist Teil der Londoner Techno-Crew Decius, Anfang des Jahres erschien deren zweites Album. Nun meldet er sich unter dem Namen Johnny Rocket mit The Moonlandingz zurück, zu denen auch die Produzenten Adrian Flanagan und Dean Honer gehören. Die Herren lernten sich Mitte der Zehnerjahre in Sheffield kennen. Initiator war Flanagan, der für ein anderes Projekt (The Eccentronic Research Council) spontan eine Band erfunden hatte, die er The Moonlandingz nannte. Schnell entwickelte sich Mannschaftsgeist, verfestigte es sich 2017 unter diesem Namen mit dem Debüt Interplanetary Class Classics. „Feral antics and louche anarchy“, resümierte der Guardian appetitanregend.
Dasselbe lässt sich acht Jahre danach auch von dem Nachfolger behaupten. Diese Leute haben nicht bürgerliches Glück für die Mitte der Gesellschaft auf dem Zettel. Sie holen Ewen Bremner zu sich und lassen dem schottischen Schauspieler in Some People’s Music freie Hand. Prompt führt er sich wie in seinen bekannten Rollen (Trainspotting, Snatch) auf. Er hat die Hasskappe auf. Ob er lieber blind or taub werden will, um Auseinandersetzung mit Moonlandingz-Musik zu vermeiden? Taub, ätzt Bremner. „Turn that shit down, turn it off, fuck it!“, brüllt er geistesverloren. Ob Hörer*innen sich eingeladen fühlen, sich nach so einem Opener mit dem Album zu beschäftigen, ist die Frage. Lias hat nichts dagegen, wenn man es als künstlerischen Selbstmord betrachtet. „Wir nehmen mit diesem Stück die negative Besprechung über das Album vorweg, noch bevor jemand über eine schlechte Bewertung nachgedacht hat“, lästerte er unlängst im Gespräch mit der BBC.
Schmeißt den Song in den Papierkorb, wenn er euch nicht gefällt. Steigt aber auf jeden Fall mit The Sign Of A Man ein. Hier ist es wie 1982 in einer Bar oder Disco in der Motzstraße, Old Compton Street oder im Castro, wo Musik von von Bobby Orlando läuft – der Produzent aus New York ist großes Vorbild der Pet Shop Boys. Da bleibt man nicht ruhig sitzen, da lebt man auf. Zu ähnlich später Stunde spielt die Begegnung in Roustabout. Das hat von der Idee her mehr mit Richard Hawley oder einem Lied von Lee und Nancy zu tun. Im Refrain heißt es übersetzt: „Wenn dein Herz leer ist und Gott dir sehr den Schwung gab, wenn du unter der Dusche stehst und das, was du siehst, eine Blume ist, bist du ein Hilfsarbeiter.“ Sehr hörenswert, auch wegen der wunderbaren Duettpartnerin Nadine Shah. Die Gäste sind ja generell ein Thema bei The Moonlandingz. Auf dem Debüt waren es der Cowboy von The Village People, Phil Oakey von The Human League, Rebecca Taylor (heute Self Esteem) und Yoko Ono, jetzt sind es Ewen, Nadine und ein gewisser Iggy Pop. Aber Vorsicht wegen des großen Namens – von Ig hätte man Besseres als die laue Chanson-Ballade It’s Where I’m From erwartet.
Andererseits hat No Rocket Required auch in der zweiten Hälfte starke Momente. „Elevator boogie in a percosetz blue, nobody does it better but now there’s nothing left to do, bedside tombstone, the bottom of fatigue, one more letter but now there’s no more ink to bleed“, murmelt Lias in All Out Of Pop melancholisch. Es geht um das Gefühl anhaltender Leere in der Musikkultur seit dem Ableben der Granden im Jahr 2016 – Cohen, Bowie, Prince, George Michael. Stink Foot ist auch ein Stück, von dem man nicht loskommt. In ihm lernen wir Jessica Winter kennen, die Teil des Duos Pregoblin ist und im Juli ihr eigenes Album veröffentlicht. Sie sieht ein bisschen wie Sofie Royer aus und vergnügt sich mordsmäßig zu einem Electro-Groove. Mit ihr fühlt man sich in Zeiten zurückversetzt, als Madonna in Alleys und Kellern zu Hause war und weniger von Körperhygiene hielt. Die dreiteilige Krack Drought Suite ist ein abschließendes Donnerwetter. Lias rekapituliert Teufelszeug, Haltlosigkeit und Abusus – alles, was ihn bekannt gemacht hat. Sehr zum Vorteil ist es mit Sound versetzt, der an eine der besten Berliner Bands erinnert, an Atari Teenage Riot.
Am Ende ist man überwältigt ob der vielen Eindrücke, die das System fluten. Es ist ein knallbunter Zirkus, eine kaputte Orgie, ein derber Putsch gegen die Intoleranz, ein Paradebeispiel für großartige Musik aus Sheffield. Die Stahlstadt in Yorkshire ist von den Nazis schwer bombadiert und von den Tories über Jahrzehnte übel zugerichtet worden. Aber ihre Musiker halten sich wacker und trotzen dem Bullshit. Haltet zu ihnen.
The Moonlandingz – No Rocket Required
VÖ 25. April 2025, Transgressive
www.themoonlandingz.com
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