Foto-© Danny Clinch
You’re always nervous with the real thing
Mind is changing like a mood ring
Jumping every time the phone rings
‚Cause your mind’s off of me
Families faking on the TV
Live in the spectrum that we can’t see
Crying tears that we don’t believe
Keeps your mind off of me
Take your mind off me a little while
In the darkest place I saw you smile
And the way it all changed
Makes me wanna cry, but
Take your mind off me, yeah
(Arcade Fire – Pink Elephant)
Der Albumtitel Pink Elephant lädt zu gewissen Gedanken ein, er fordert sogar dazu heraus: Wer oder was ist „der Elefant im Raum“ bei Arcade Fire? Denn da war doch mal was…
Die ursprünglich englischsprachige Redewendung vom „elephant in the room“ beschreibt laut Definition „ein offensichtliches Problem oder eine schwierige Situation, über die nicht geredet wird, obwohl sie für alle Anwesenden klar erkennbar ist“. Ist es also naiv, trotzig oder mutig, dass Arcade Fire für ihr siebtes Studioalbum diesen Begriff evozieren? Es geht, man erinnert sich, um einen bis heute nicht völlig abgeräumten Skandal, der diese einst Stadien füllende, hoch angesagte, enorm erfolgreiche kanadische Band erschütterte.
Wie aus einem im August 2022 vom renommierten Indie-Online-Magazin Pitchfork veröffentlichten Artikel hervorging, wurde Win Butler, Arcade Fires Leadsänger und Songwriter, von mehreren Frauen des sexuellen Fehlverhaltens beschuldigt – ein Fall von Ausnutzung der eigenen Machtposition als Superstar. Butler gab zwar an, dass all diese Kontakte einvernehmlich gewesen seien, und bestritt die Vorwürfe. Aber ein Makel blieb, zumal der Musiker in der Öffentlichkeit stets seine vorbildliche Partnerschaft mit Ehefrau und Co-Sängerin Régine Chassagne herausgestellt hatte.
Diese privaten Friktionen der vergangenen knapp drei Jahre bei Arcade Fire lassen sich kaum ganz ausblenden, wenn man nun das neue Album hört. Aber natürlich hat Pink Elephant eine objektive Beurteilung verdient. Denn die Kanadier bilden ja zunächst mal (und wollen dies offenkundig auch weiterhin tun) ein herausragendes Ensemble, das beim Auftauchen in der Szene vor 20 Jahren – angeheizt durch Promi-Fans wie David Bowie oder David Byrne – zu den weltbesten Bands gezählt wurde und massenhaft Preise einheimste, darunter den Grammy 2011.
Funeral (2004), Neon Bible (2007) und The Suburbs (2010) gehören definitiv zu den einflussreichsten Pop-Alben dieser Jahre. Mit dem von Glam-Rock und Disco geprägten Reflektor (2013) gab es einen ersten Dämpfer, danach sorgten auch Everything Now (2017) und We (2022) nicht mehr für einhellige Begeisterung, verkauften sich aber weiterhin gut.
Pink Elephant wurde nun von Win Butler, Régine Chassagne, Jeremy Gara, Tim Kingsbury und Richard Reed Parry eingespielt (der Multiinstrumentalist Will Butler hat sich schon länger verabschiedet, er ist jetzt solo und mit Ehefrau und Schwägerin in der Band Sister Squares unterwegs). Das aus zehn Trackls mit kompakten 42 Minuten Laufzeit bestehende neue Album wurde von Studiozauberer Daniel Lanois mitproduziert und im Good News Recording Studio von Butler/Chassagne in New Orleans aufgenommen. Nach außen ist zumindest die künstlerische Gemeinschaft also intakt.
Aber reicht das? Man muss leider – und das ganz objektiv, soweit für einen Reviewer möglich – sagen, dass Pink Elephant für Fans von Arcade Fire wenig Neues und einigen Leerlauf bereithält. Der Opener Open Your Heart Or Die Trying ist ein fast dystopisch nach Blade Runner-Score klingender Ambient-Track. Danach werden die Songs zwar gelegentlich zwingender, überzeugen auch mal mit kräftigem Electro-, Noise- und Art-Rock (Alien Nation) – aber die (gerade auch im Konzert) so faszinierende, hibbelige Energie dieser Band bleibt doch insgesamt auf der Strecke.
Das Titelstück Pink Elephant geht ein bisschen stärker nach vorn, findet aber auch zu keiner melodischen Idee, die Arcade Fire nicht früher schon hatten. Das vorab ausgekoppelte Year Of The Snake ist mit Chassagnes und Butlers gemeinsamem Gesang wohl der beste Track des Albums; zwei, drei weitere Songs gehen in die richtige Richtung.
Aber auch danach liefert Pink Elephant noch manch Halbgares und Mediokres – die Band steht irgendwie auf der Bremse, als sei sie sich ihres Status nicht mehr sicher (was angesichts der jüngsten Entwicklungen gar kein Wunder wäre). So gerät dieses Album, obwohl besser als der bisherige Karriere-Tiefpunkt Everything Now, leider nicht zum erhofften Befreiungsschlag im dritten Arcade-Fire-Jahrzehnt. Ob es für die so lange erfolgsverwöhnten Kanadier als Top-Band eine Zukunft gibt, bleibt daher offen.
Arcade Fire – Pink Elephant
VÖ: 09. Mai 2025, Columbia Records
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