Foto-© Alec Bowman_Clarke
Kaum eine Songwriterin vermag in ihren Songs so sehr mit klanglich dichter Atmosphäre immer wieder herbstliche Vibes heraufzubeschwören wie die britische Songwriterin Josienne Clarke. Seit Langem wird Clarke für ihre kristallklare Stimme und ihren unerschrockenen, lyrischen Blick geschätzt – mit der Fähigkeit, eine kollektive Melancholie heraufzubeschwören. Nun kündigt die Sängerin, Songwriterin und Gitarristin ihr neues, unverblümtes und intimes Album Far From Nowhere an, das passenderweise im Herbst erscheint. Mit diesem in einer abgelegenen schottischen Hütte aufgenommenen Album ist es ihr gelungen, die Barrieren zwischen Künstlerin und Zuhörer*innen vollständig abzubauen. Entstanden ist ein Werk von bemerkenswerter Intimität und Integrität, auf dem Clarke Ruhe und Verletzlichkeit zulässt. Ursprünglich auf der Suche nach völliger Isolation, hat sie etwas geschaffen, das in seiner Tiefe noch verbindender ist.
Far From Nowhere ist auch aus praktischer Notwendigkeit heraus entstanden – ein logischer Schritt und zugleich eine trotzige Antwort auf die logistischen und emotionalen Belastungen, die damit einhergehen, sich in der heutigen Musikindustrie eine Existenz aufzubauen. “Musik zu machen fühlt sich für mich heute oft wie ein Akt des Rückzugs an“, sagt Clarke. “Die Struktur der Branche erstickt nach und nach den Spirit der Künstler*innen, raubt ihnen das Selbstwertgefühl, das aus einer fairen Bezahlung für gute Arbeit erwächst – da war es nur folgerichtig, mich in eine Hütte im Wald zurückzuziehen, um dieses Album aufzunehmen.“
Der erste Vorbote des Albums, Tiny Bird’s Lament, erscheint heute. Begleitet von einer Nylonsaiten-Gitarre und mit übereinandergelegtem Gesang, der Vogelstimmen nachahmt, fängt der Song die zarte Kraft von Freiheit ein. Auf Tonband aufgenommen – inmitten der Abgeschiedenheit des Waldes – verdichtet er den Geist des Albums zu einem Moment reiner, unverfälschter Ausdruckskraft. Clarke beschreibt das Stück so: “Dieser kleine Vogel ist nun endlich frei, seinen eigenen Gesang zu singen – ein Zeugnis seines Kampfs um Befreiung und zugleich eine Feier seiner neugewonnenen Freiheit … ganz unverfälscht und wahr.“
Das Album wird von einem Kurzfilm mit dem Titel Deluded begleitet, bei dem Alec Bowman_Clarke Regie führte. Der Film bietet ein offenes, dokumentarisches Porträt der Entstehung des Albums. Aktuell auf Festivals zu sehen, wird Deluded im Rahmen von Clarkes UK-Tour im Oktober gezeigt, bevor er am 30. November allgemein veröffentlicht wird. Gedreht während derselben Aufnahmesessions, ist der Film visuelles Essay und emotionaler Spiegel zugleich – und unterstreicht Clarkes kompromisslose künstlerische Offenheit.

Clarke hat nie gescheut, unbequeme Fragen zu stellen – und sie gibt sich selbst auf diesem Album keine Rückzugsmöglichkeit. In diesem Sinne ist Far From Nowhere ihr bisher vollständigstes künstlerisches Statement – ein Werk, das aus Rohheit Eleganz formt. Auch wenn sie zugibt, dass es sich womöglich nicht in die Riege klassischer “Isolation-Alben“ einreihen wird – “Ich habe keinen Einfluss auf den historischen Kontext, in dem ich kreiere, und es steht mir nicht zu, mich davon ablenken zu lassen, ob meine Musik jemals populär sein wird“, so Clarke – steht das Album dennoch in der Tradition von Bruce Springsteens Nebraska, Bon Ivers For Emma, Forever Ago oder den Soloveröffentlichungen von Adrianne Lenker.
Far From Nowhere spricht mit großer Authentizität – musikalisch fast bis auf den Kern reduziert, nicht nur aus praktischen Gründen (auch wenn es ein Plädoyer für Aufmerksamkeit und unsere Unvollkommenheiten ist), und niemals aus Effekt – sondern als Suche nach existenzieller Wahrheit. So entsteht ein Raum, in dem Clarkes Songs neu atmen dürfen: ungeschliffen und zerbrechlich, strahlend und konzentriert zugleich.
