JAYWOOD – Leo Negro

Yeah I had to believe that I wasn’t “Insane wit the migraines”
So if you ever need to wild out
If you ever need to give no fucks
Maybe it’s a moment of importance
Own it getcha point across

They don’t know
So let em find out
They don’t know
Just watch em see saw
They don’t know
But don’t let em project the shit that make ya dick soft

Hands draining me *down down down*
I couldn’t give it flip so
Let me skip the details and play out the intro
If you don’t crack it’s Death row
Watch em puff out Pistachios
When he blow up Look at me go
When they ask who. Leo Negro

(JayWood – Pistachios)

JayWood tritt mit Leo Negro da an, wo man ihn gerne hätte: halb Sonnenstrahl, halb Kater, voller Ideen — und mit der Selbstsicherheit eines Künstlers, der gelernt hat, seine Widersprüche zu bearbeiten statt sie zu kaschieren. Jeremy Haywood-Smith, der Mann hinter dem Projekt, hat in den letzten Jahren aus Winnipeg über Captured Tracks und Royal Mountain eine kleine, aber sehr eigenwillige Diskografie aufgebaut: vom sonnigen Psych-Soul seiner frühen EPs über das 2019er-Debüt Time bis zu Slingshot und dem euphorischen Grow On-Material — jedes Release ein weiterer Baustein in einem Sound, der Soul, Hip-Hop-Schlagseite und psychedelische Indierock-Ästhetik verheiratet. Leo Negro fühlt sich zugleich wie Fortsetzung und Neubeginn an: ein Album, das mit poppiger Leichtigkeit spielt, aber immer wieder in eigensinnige, mitunter sperrige Wendungen ausbricht.

Auf formaler Ebene ist Leo Negro ein kurzweiliges, fein geschliffenes Paket: elf Stücke, die zwischen Momentaufnahme und Showoff-Nummer balancieren, produziert mit dem Mut, unterschiedliche Facetten von JayWood als „Jays“ aneinandereinzuheften. Der Ton ist farbenfroh — Vintage-Keys, gezielt gesetzte Boom-Bap-Schläge, glitzernde Gitarre, gelegentlich DJ-Scratches — und doch verliert das Album nie die Leichtigkeit, die seine besten Songs auszeichnet. In Interviews hat JayWood erklärt, dass das Projekt auch eine persönliche Erkundung ist: die Beschäftigung mit Identität, mit dem „Leo“-Aspekt seiner Selbst, mit dem Umzug nach Montreal und mit dem, was es heißt, Aufmerksamkeit und Selbstvertrauen anzunehmen. Diese Auseinandersetzung mit sich selbst hört man: mal stolpernd, mal trotzig, meistens charmant.

Der Opener Woozy ist ein kleines, aber signifikantes Statement: knapp unter einer Minute, verträumt, wie ein Aufblitzen. Es ist kein Song im klassischen Sinne, sondern ein Intro, das die Stimmung setzt — eine Ruhe vor dem sonnigen Sturm, der folgt. Diese Ruhe legt die Erwartung fest, dass hier kein konventionelles Popalbum droht, sondern ein Kaleidoskop, das jederzeit kippen kann. Also genau richtig, um die Aufmerksamkeit auf Jaywoods Spielwitze zu richten. Pistachios ist der Track, der sofort hängenbleibt — ein lockerer, doch sauber gebauter Song, der Boom-Bap-Grooves mit funky Piano-Stabs und einem entspannten Gesang verbindet. Lyrisch geht es um Selbstreflexion, kleine Gesten des Alltags und die Art, wie man sich selbst ernst nimmt (oder eben nicht). Musikalisch zeigt sich hier die Stärke des Albums: Retro-Referenzen (Hip-Hop-Schlagseite, DJ-Elemente) werden nicht bloß zitiert, sondern in einen modernen, leicht schrägen Alt-Soul-Kontext gesetzt. Die Produktion klingt zugleich live und poliert; Jaywood bleibt der zentrale Magnet, der die Arrangements zusammenhält.

Mit Assumptions wechselt das Album in einen verspielteren, nahezu scherzhaften Ton — und JayWood selbst nennt den Song einen Befreiungsakt. Er sagte, dass Assumptions ihm das Gefühl gibt, sich neue Klangräume zu erlauben: „it’s giving myself permission to step into some new sonic territory… it’s also one of the funniest songs I’ve ever written. It’s literally about my crippling imposter syndrome but at the same time, I’m staking my claim as a solid artist and a producer.“ Dieser Spagat zwischen Selbstzweifel und Selbstbehauptung ist ein wiederkehrendes Thema auf Leo Negro: die Kunst, Charisma zu lernen, statt es nur vorzuspielen. Musikalisch ist Assumptions eine kleine Dreingabe aus Clap-Grooves, bassigem Schub und einem fast neosouligen Swing — ein Song, dessen Leichtigkeit sich bewusst als Gegenmittel zu innerer Unsicherheit setzt.

Zwischendurch nimmt das Album auch psychedelische, introspektive Pfade: Songs, die mit Reverb, flirrenden Synths und schwebenden Gitarren arbeiten, schaffen Räume, in denen JayWood die Stimme weicher, verletzlicher einsetzt. Diese Momente — und hier verweist etwa Bandcamp auf JayWoods Absicht, „from different versions of myself“ zu schreiben — sind die Stellen, an denen Leo Negro am meisten gewinnt. Es ist nicht nur ein Schaulaufen von Ideen, sondern eine dokumentierte Selbstentwicklung: Ein Künstler testet Stimmungen, flirtet mit Genre-Codes und entscheidet sich dann für die Versionen, die am ehrlichsten klingen.

Natürlich stolpert das Album gelegentlich über seine eigene Vielseitigkeit. Nicht jeder Stilwechsel sitzt sofort, und manche Songs hätten von einer stärkeren Straffung profitiert — das ist das Risiko eines Albums, das so viel ausprobieren will. Dennoch wirkt der Erzähler nie planlos; selbst die experimentelleren Passagen dienen dem größeren Thema: Identität als Fluidum, als etwas, das man zusammensetzt, dekonstruiert und wieder zusammensetzt. Artikel und Features heben außerdem hervor, wie sehr JayWood inzwischen auch seine persönlichen Tools (Umzug, Selbstverständnis, Cannabis/Psychedelika-Erfahrungen in einigen Geschichten) als Motor der Kreativität akzeptiert hat — kein Zufall also, dass Leo Negro an vielen Stellen offener wirkt als frühere, introvertiertere Arbeiten.

Am Ende ist Leo Negro ein sympathischer, manchmal übermütiger Versuch, ein Popalbum zu sein, das sich nicht dem Crashkurs der Streamingoptimierung unterwirft. JayWood bleibt ein Musiker, der seine Idiosynkrasien pflegt: er flirtet mit Rap-Cadences, baut Neo-Soul-Hooks ein, lässt schräge Psych-Momente durchscheinen und erzählt immer wieder aus einer Perspektive, die zwischen Selbstironie und Selbstbehauptung oszilliert. Für Fans seiner bisherigen Arbeit ist das Album eine logische, erfreuliche Weiterentwicklung; für Neuentdecker bietet es genug Hits (Pistachios, Assumptions) und genug Ecken zum Verlieben. Es ist ein Album, das man laut hören sollte — und dann vielleicht noch einmal, ganz genau.

JayWood – Leo Negro
VÖ: 5. September 2025, Captured Tracks
www.jayyywood.com
www.facebook.com/Jayyywood

JayWood Tour:
06.02.26 Hamburg, Turmzimmer
09.02.26 Berlin, Silent Green
10.02.26 Köln, YUCA

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