MAGDA – die Schönheit des Scheiterns

Foto-© Vivien von Glischinski

Erst vor Kurzem veröffentlichte die Newcomerin Magda aus Österreich ihre Debüt-EP Pflaster, eine Woche nach dem Release trafen wir sie in Hamburg beim Reeperbahn Festival. Im Februar brachte sie ihre erste Single Brich mich heraus. Seitdem hat sich viel getan, im Sommer ging es als Support von Provinz auf OpenAir Tour, auch für Berq spielte sie Support. Mit ihm stand sie bereits im vergangenen Jahr als Violinistin auf der Bühne.

Wir haben mit ihr über ihre EP gesprochen, über das Scheitern, den Schreibprozess und Herausforderungen, die die zunehmende Aufmerksamkeit so mit sich bringt.

In deinem Song Brich mich geht es ums Scheitern. Du beschreibst den Moment des Scheiterns als etwas Besonderes und auch als etwas besonders Menschliches. Wann bist du das letzte Mal gescheitert?
Ich bin heute Morgen beim Aufstehen gescheitert. Eigentlich scheitere ich täglich. In meinem Schauspielstudium ist Scheitern ein großer Teil und wir lernen dort tatsächlich, dass es kein Richtig und kein Falsch gibt, es gibt einfach nur ein Ausprobieren. Jedes Mal im Studio scheitere ich mindestens einmal am Tag. In zwischenmenschlichen Beziehungen ist Scheitern immer ein Teil von etwas, wenn einem etwas wichtig ist. Das ist es, was mir in dem Lied wichtig war, es also auch für mich selbst zu schreiben. Das ist das Lied, das am meisten für mich ist. Ich war auch so: das ist ein Kinderlied, das sind Mantra-Sätze aneinandergereiht, um mir ein bisschen Mut zu machen. Ich glaube, das hatte viel mit dem Scheitern im Schauspiel-Aufnahmeprüfungsprozess zu tun. Ich wurde jetzt aufgenommen in einer Schauspielschule und bin sehr glücklich dort. Ich glaube, im Scheitern liegt etwas Schönes, weil du dann realisierst, dass dir etwas sehr viel wert ist und du einfach neu anfangen kannst. Es ist wichtig den Scheiter-Moment nicht als den Endmoment zu sehen, sondern nur als einen Zwischenmoment von großer Vulnerabilität, von großer Menschlichkeit.

Vor nicht ganz einer Woche ist deine erste EP Pflaster rausgekommen, kannst du ein bisschen über den Entstehungsprozess der EP erzählen? Über welchen Zeitraum hast du die Songs geschrieben? Und wie hast du ausgewählt, was auf die EP kommt?
Die EP schwimmt schon sehr lange mit mir herum, die meisten Lieder gibt’s schon ein bisschen länger, ich glaube in den letzten zwei Jahren sind diese Lieder entstanden. Die meisten habe ich nicht spezifisch für diese EP geschrieben habe, sondern vor allem für mich selbst. Das hält die alle so zusammen. Deswegen auch der Name Pflaster. Das ist für mich selbst. Ich musste immer irgendwie in das Lied etwas Schönes einstreuen, einen kleinen Aspekt der uplifting ist, dass es doch einen Lichtblick gibt.
Die meisten Lieder sind in meinem Zimmer entstanden, aus Situationen heraus, die mich selbst so sehr bewegt haben, dass ich sie so noch einmal zusätzlich verarbeiten musste. Ich glaube Brich mich ist das einzige Lied auf dieser EP, wo es nicht auch um einen anderen Menschen geht. Das heißt, es sind immer auch andere Personen involviert. Es gibt so einen Strauß an Menschen, die in diesen Liedern stecken. Menschen, die mir sehr wichtig sind. Ich habe die Lieder dann aufgenommen und ausgewählt und versucht zusammenzustellen. Aber ich glaube dieses Klangbild, das sich durch die EP zieht, ist auch ein sehr ursprüngliches Klangbild, was aus mir kommt. Das heißt, es war jetzt nicht so der Versuch, es muss alles zusammenpassen. Es war einfach der Stand, auf dem ich gerade bin und jetzt geht’s auch weiter.

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Du hast es gerade schon ein bisschen angerissen, aber was bedeutet der Titel, das Symbol des Pflasters, für dich?
Ja, ein Pflaster ist etwas sehr Kleines, Zartes. Ich finde, es ist etwas sehr Liebevolles, jemandem oder sich selbst ein Pflaster aufzukleben. Ein Wundheilungsmoment oder Versuch. Manchmal reicht auch ein Pflaster wirklich nicht aus, es ist sehr verzweifelt auf eine Riesenplatzwunde, die eigentlich genäht werden müsste, so ein Pflasterchen zu kleben. Aber es ist wenigstens der Versuch. Ich glaube, das ist es für mich irgendwie. Das mit der EP ist ein Versuch, diese EP ist jetzt nicht das Pflaster oder heilt alles. Es ist der Versuch, mit meinen Erfahrungen und mit der Welt um mich herum umzugehen.

Wie kannst du am Besten schreiben? Geht das am Besten allein oder in der Zusammenarbeit mit anderen?
Ich habe bis jetzt alle Lieder allein geschrieben. Vor ein paar Wochen habe ich das erste Mal ein Lied geschrieben, wo auch jemand anderes im Raum war. Das ist auch cool, weil man da auf andere Ideen kommt. Aber ich glaube am besten schreibe ich, wenn ich mich schamlos fühle. Das hat eigentlich mit einer großen Schamlosigkeit vor sich selbst zu tun. Oft hört man schon auf, bevor man überhaupt etwas aufgeschrieben hat und sagt: „das ist ein dummer Satz, den schreib ich nicht auf“. Da komme ich am besten hin, wenn mich etwas so sehr bewegt, dass es raus muss.

Wie bist du zur Musik gekommen?
Ich spiele schon super lange Geige und das war mein erster musikalischer Kontakt. Seit ich vier bin hatte ich Geigenunterricht, ich war dann auf einer Schule, wo das stark gefördert wurde. Ich war im Kinder-Chor, ich habe einfach sehr viel klassische Musik gemacht und gehört als Kind. So ab zwölf hatte dann natürlich meine jugendlichen Momente, habe das größte Emozeug gehört und rockige Sachen, um mich irgendwie von diesem sehr Klassischen zu befreien. Aber irgendwie steckt es trotzdem noch in den Knochen. Vor allem mit diesem Instrument, weil das Instrument sehr an mich gewachsen ist. Ich habe in der Zeit, wo ich weg von dem Gedanken gekommen bin, auch klassische Musik zu machen, immer mehr den Mut bekommen, eigene Musik zu machen. Das war aber eher ein Rumexperimentieren, ich hatte sehr lange nicht die Absicht oder das Ziel, damit jetzt auch Leute zu erreichen, das war sehr viel aus mir heraus. In einer freien Phase nach meiner Schule, habe ich dann rumexperimentiert mit Gratisprogrammen am Computer und irgendwelche Geigen übereinandergelegt. Da sind dann die ersten aufgenommenen Sachen entstanden. Ich habe mich ans Klavier gesetzt, weil das nicht so besetzt war von Druck und da meine jugendlichen Versuche begonnen, die Welt irgendwie zu begreifen.

Ich habe auf deinem TikTok gesehen, dass du auch öfter Songs gepostet hast, an denen du gerade arbeitest. Wie ist das, einen Einblick in einen unfertigen Song zu geben, setzt es dich unter Druck ihn fertig zu stellen oder überwiegt es, direkt Feedback zu bekommen?
Ich glaube, es macht Spaß so ein bisschen einen Einblick zu geben. Ob der Druck überwiegt, ihn fertig zu bekommen … hm. Vielleicht so langsam immer mehr. Es gehört aber auch zu mir, dass ich sehr offen mit meinem Prozess umgehe. Ich versuche nicht unter den Druck zu geraten, etwas abliefern zu müssen, weil ich dafür nicht da bin. Ich veröffentliche das, was ich möchte und dabei werde ich unterstützt. Ich möchte auch nicht nur, weil es vielen Leuten gefällt, genau dieses Lied rausbringen. Sobald man anfängt, sich nach dem Außen zu richten, wird die Sache selbst nicht mehr aufrichtig, glaube ich.
Da bin ich aber auch ein bisschen vorsichtiger geworden jetzt so ganz unveröffentlichte Lieder anzuteasern. Aber ich meine, ich spiele heute auch ein 45-Minuten-Set, das heißt, da werden dann auch viele unveröffentlichte Lieder dabei sein, ich finde das aber eigentlich ganz schön. Der Wert fängt ja nicht erst da an, wo das Lied auf Spotify zu hören ist. Es ist vielleicht auch irgendwie schön, dass ich das nur live spiele – das macht das Lied dann besonders und fühlt sich auch für mich frisch an.

Ich habe echt viele Videos gesehen von einem Song von dir, der noch nicht draußen ist, zwei Versager, der ist ja auch schon so ein kleiner Publikumsliebling geworden.
Ja voll, lustigerweise. Der ist auch der frischeste. Das war auch wirklich ein Spaß, dass ich den jetzt in die Setlist haue, weil der auch so ein bisschen eine goofy Seite hat. Aber irgendwie auch cool, dass ich das austesten konnte.

Gab es einen Song bei dem du vielleicht auch ein bisschen nervös warst, ihn rauszubringen?
Bei Zeig mir war ich nervös, weil Zeig mir sehr persönlich ist und irgendwie direkt mit meiner Sexualität verknüpft ist, das flößt Respekt ein. Ich glaube, jede queere Person ist auch irgendwie komische Reaktionen gewöhnt. Ich empfinde unsere Musikindustrie immer noch als sehr männerdominierte und auch heteronormative Branche. Es gibt natürlich einige queere Gesichter, aber es ist absolut nicht die Norm und ich glaube, deswegen hatte ich aus dem Fakt einfach Angst. Aber trotzdem habe ich mir gedacht, ich will jetzt nicht darüber schweigen. Im Gegensatz, ich will dieses Lied ja veröffentlichen. Ich will die Zärtlichkeit einer queeren Beziehung teilen, ich möchte diese Schönheit zeigen.

Du warst gerade mit Provinz auf Tour, was war dabei für dich der schönste Moment und was war für dich vielleicht auch eine besondere Herausforderung auf der Tour?
Also zwei schöne Momente: Diese Tour war ja im August und dann war ein Konzert im September in der Wuhlheide, that was crazy! Das ist mein Highlight gewesen. Ich kannte auch die Location vorher nicht, ich als Ösi, das war eine ganz schöne Stimmung. Es war schon ein bisschen dunkel und es gab einen Moment, wo die Leute bei Mondkind ihre Taschenlampen angemacht haben. Mit Esther neben mir am Cello und Johannes, wir mussten uns wirklich zusammenreißen, nicht in Tränen auszubrechen, weil das so ein schöner Moment war.
Und ich glaube, in Ladenburg war das, das war an einem Fluss, die Sonne ist da gerade untergegangen, es war so nebelig und man hat die Sonnenstrahlen durch die Bäume gesehen – das sah aus wie in einem Märchen. Das war auch eine ganz besondere Stimmung. Eine Herausforderung ist natürlich einfach vor Leuten zu spielen, die die Musik nicht kennen und manchmal ist da schon das Gefühl, dass ich mich jetzt beweisen muss, dass ich die Leute überzeugen muss. Natürlich reden auch manche, weil es denen einfach nicht gefällt und das ist auch in Ordnung für mich, dass die Musik nicht für alle ist. Vor allem liest man dann auch im Internet manchmal Sachen, bei denen ich mir denke, das hätte ich jetzt lieber nicht gelesen. Das kommt aber damit, dass man einer großen Menge ausgesetzt ist – trotzdem muss ich das noch lernen, mich davon zu trennen.

Nächstes Jahr geht’s dann auf deine eigene Tour. Ich habe gesehen, dass da auch einige Venues gerade hochverlegt wurden.
Ja, fast alle! Ich freu mich auch richtig! Jetzt wo die EP draußen ist, ist das der nächste große Schritt!

Magda Tour:
03.02.26 München, Ampere
05.02.26 Berlin, Lido
06.02.26 Hamburg, Knust
07.02.26 Köln, Luxor

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Vivien von Glischinski

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