THE UGLY STEPSISTER – Filmkritik


Foto-© Marcel Zyskind

Du wirst das hübscheste Mädchen von allen sein.

(Rebekka – The Ugly Stepsister)

Elvira (Lea Myren) träumt von nichts so sehr, wie einen schönen Prinzen zu heiraten. Am besten Prinz Julian (Isac Calmroth) aus dem Schloss gleich um die Ecke, was zwar so nah, aber er dennoch ferner nicht sein könnte. Im Weg steht ihr dabei vor allem ihre Stiefschwester Agnes (Thea Sofie LochNaess), die personifizierte Schönheit. Und Schönheit ist zumindest in diesem Königreich die wichtigste Tugend, weshalb Elvira nichts aber auch wirklich nichts zu extrem ist, um diese und somit den Prinzen zu erreichen.

Es war einmal eine junge Dame namens Emilie Blichfeld, im nicht allzu fernen Norwegen, die hatte eine Idee. Die Idee das Märchen Aschenputtel zu modernisieren, zu pervertieren und in einen pointierten Body-Horrorfilm mit bissiger Gesellschaftskritik zu verarbeiten. Um dies zu erreichen, ging sie den üblichen Weg, machte zunächst 2020 einen Kurzfilm über die Thematik, schrieb selber das Drehbuch und schaffte es 2025 mit The Ugly Stepsister eine absolut kompromisslose Version dieser Idee sogar bis in die deutschen Mainstream-Kinos zu bringen. The Ugly Stepsister ist, das Intro lässt es vermuten, wesentlich mehr als ein einfacher Perspektivenwechsel, auch wenn dies zentraler Teil der Geschichte ist. Es stimmt, dass wir zunächst die andere Seite der Aschenputtel-Geschichte erfahren und viel Sympathie für „die böse Stiefschwester“ Elvira aufbauen. Allerdings nur bis zu einem gewissen Punkt, denn der schönen Agnes wird dermaßen übel mitgespielt, dass man kaum auf Elviras Seite bleiben kann. Wenn Agnes wiederum die Oberhand gewinnt, schwingt das Pendel der Sympathie auch schnell wieder zurück. Und überhaupt sind die Qualen, die Elvira durchleidet so dermaßen schrecklich, sie auch nur anzuschauen, dass man egal, ob ihre Motivation oder ihr Vorgehen falsch ist, nicht umhin kommt, Mitleid zu haben.

So ist die Kritik des Films weniger an der einen oder der anderen Seite, sondern schlicht an dem Spiel um die perfekte Schönheit selbst, denn diese verlieren wir am Ende alle. So fantastisch die Geschichte, so ehrlich sind alle die Gefühle, Miseren und Widersprüche, denen sich die jungen Protagonistinnen stellen müssen. Kurz gesagt, die inneren Werte des Films sind über jeden Zweifel erhaben. Erlauben wir uns also kurz, wie in der Welt, die uns Emilie Blichfeld zeichnet, auch noch die Oberfläche zu betrachten. Es wird uns kein märchenhaftes Disney-Königreich präsentiert, vielmehr geht es gut-bürgerlich zu. Die Welt ist vor allem weniger episch, im Gegenteil recht kompakt, sowohl das Land, das Schloss, was wirklich quasi Nebenan ist, als auch die Räumlichkeiten. Märchenhafter Realismus beschreibt es vielleicht ganz gut, denn hübsch und ein wenig verträumt und der Realität entrückt ist die Welt schon. Neben den beschriebenen Intrigen ist es dann auch noch die physische Gewalt, die kaum zu ertragen ist. Wobei die Damen, allen voran Elvira, sich diese ob des Zwanges der Gesellschaft letzten Endes selbst zufügen. Definitiv kein Film für schwache Nerven und da der Film dann auch aus Norwegen und nicht aus den USA kommt, folgt er auch nicht den gängigen Konventionen, was man an nackter Haut so zeigen darf und was nicht. Auch auf dieser Ebene könnte man also schockiert werden.

Gerade alle die, die hinterher wirklich schockiert und desillusioniert sind, sollten den Film jedoch dringend gesehen haben. Denn alles, was hier gezeigt wird, ist zumindest metaphorisch, mindestens sehr nah an der Realität der meisten Frauen, auch der ach so progressiven westlichen Welt. Fernab jeder Romantik liefert Emilie Blichfeld hier also genau das ab, was ein Märchen auszeichnet. Eine moralische Parabel, wenn auch für Erwachsene und nicht für Kinder. Allen außer letzteren muss man diesen Film dann auch wärmstens empfehlen, zumindest wenn sie dem Genrefilm nicht abgeneigt sind und einen starken Magen mitbringen.

The Ugly Stepsister (NO DK RO PO SE 2025)
Regie: Emilie Blichfeld
Darsteller: Lea Myren, Ane Dahl Torp, Thea Sofie LochNaess, Flo Fagerli, Isac Calmroth, Malte Gardinger, Isac Calmroth
Heimkino VÖ: 11. September 2025, Capelight Pictures

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Malte Triesch

Malte wuchs im idyllischen Lilienthal, direkt an der Grenze zu Bremen, der schönsten Stadt im Norden Deutschlands, auf. Seine frühesten Film-Erinnerungen ist, auf dem Schulhof in der neusten TV Movie alles anzustreichen was gesehen und aufgenommen werden muss. Da die Auswahl an Horrorfilmen hier doch recht be- oder zumindest stark geschnitten war entdeckte er Videotheken für sich bzw. seine Mutter, da man diese ja erst ab 18 betreten durfte. Wenn er nicht gerade Filmreviews schreibt ist er wahrscheinlich im (Heim-)Kino oder vor dem Mikrophon für den OV Sneak Podcasts, SneakyMonday.

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