DRANGSAL – Interview

Fotos © Tim Peukert

In einem großen schmucklosen Konferenzraum, dafür mit »Postkartenaussicht« sitzt Max, besser bekannt als Drangsal und gibt nach der Reihe Interviews. Goldene Schallplatten längst vergangener One-Hit-Wonder hängen an der Wand, nur einen Raum sitzt Sascha (wer kennt ihn noch?) – den möchte Max am liebsten später noch treffen. Im Gepäck haben wir ein paar Salzstangen für die gute Laune, die mag er nämlich besonders, wie er kürzlich in seinem neuen Podcast »Mit Verachtung« erwähnte. Am 27.April 2018 erscheint sein neues Album Zores auf Caroline Records – es ist sein Zweitwerk. Wir sind ziemlich gespannt, was er uns zu erzählen hat.

Was bedeutet Zores?

Zores ist ein jiddisches Wort, was im Pfälzischen noch oft gebraucht wird. Es hat dreierlei Bedeutungen: Nämlich einmal kann man ein Zores sein, dann ist man ein jähzorniger Mensch. Man kann Zores haben, dann hat man Streit und eine Gruppe von Assis wird auch Zores genannt.

Und wie passt das zum Album?

Weil ich nach Harieschaim Zeit hatte, zu reflektieren, wie die Dinge, die ich gesendet habe über die letzten zwei Jahre tatsächlich empfangen werden. Auf mannigfaltige Art und Weise. Deswegen passt der Begriff Zores. Der baut ein sehr schönes Dach über dem Bild, was ich so mühselig nach Außen getragen habe.

Albumcover von Zores

Ich habe noch keine Info zum Albumcover gefunden – ein Familienporträt?

Ja. Mama, Papa, Schwester und ich.

Du sagtest mal, dass dein letztes Album eine Art Hommage an einen Lebensabschnitt war bzw. auch ein Abschluss dessen – lässt sich das auch für das neue Album sagen?

Vielleicht ja. Wobei nicht die selbe Zeit behandelt wird. Es ist viel kurzfristiger. Es ist außerdem auch eine andere Sichtweise. Ich finde es ist wütender und mutiger. Während das andere doch eher geläutert und schmerzerfüllt war, zumindest in meinem Kopf.

Wo wir schon bei Mut sind. Die neue Platte ist anders als der Vorgänger größtenteils auf Deutsch – gehörte auch da Mut dazu?

Genau, es hat sich quasi umgedreht. Es sind jetzt noch drei englische Stücke auf Zores aber natürlich ja, der Großteil ist Deutsch. Es hat mich durchaus Überwindung gekostet. Markus, der auch schon bei der ersten Platte mitproduziert hatte, hat mir diese Tür etwas aufgetreten. Ich habe zu dieser Zeit fürchterlich viel Neue Deutsche Welle gehört, alles von den Neubauten bis hin zu Ina Deter und Klaus Lage. Aber ich war immer der Meinung, Drangsal bleibt in der internationalen Amtssprache populärer Musik, nämlich Englisch. Jetzt bin ich Markus aber sehr dankbar dafür. Ich musste erstmal wissen, mich einzuordnen. Wo findet Drangsal in Deutsch statt? Von Max Rieger über Trümmer zu der Ringer und hinzu Tocotronic, Blumfeld. Es gibt so unfassbar viele Arten und Weisen wie man Deutsch instrumentalisieren kann musikalisch. Zum Beispiel habe ich gerade ein Pisse Shirt an, kennst du die? Oder Schnipo Schranke, find ich super aber das ist eine ganz eigene Art Deutsch zu benutzen.

© Tim Peukert

Nimmt die deutsche Sprache, genau wie in der Literatur auch, eine besondere Rolle in der Musik ein? Also jetzt beispielsweise im Vergleich zum Englischen?

Ja, total. Englische Bands stehen eigentlich nie vor der Frage mit welcher Sprache sie Musik machen. Bei uns ist das immer so ein Stigma. Deswegen bewundere ich die Bands, die das schon immer gemacht haben. 

Der Turmbau zu Babel ist der Versuch der Menschheit, Gott gleichzukommen – ein Fall klassischer Selbstüberhebung also. Warum hast du ausgerechnet dieses Bild gewählt?

Ich habe den Song geschrieben als ich 16 war. Da hatte ich erstmal nur diese Melodie im Kopf. Ich bin in einem erzkatholischen Kaff groß geworden und ich glaube, dass sich das (ob man will oder nicht) in die Hirnrinde eindrechselt. Wenn du in der Schulzeit gezwungen wirst, in die Kirche und zum Firmenunterricht zu gehen. Ich habe also nach Silben gesucht, die da gut drauf passen. Und das erste was ich dazu eingesungen hatte, war eben: »der Turmbau zu Babel und ich lieb dich so, lieb dich so.« Bis zum Ende hatte ich mir eigentlich vorgenommen, das zu ersetzen.

Der eine Titel heißt »Jedem das meine«. Wie sehr wünschst du dir das wirklich?

Überhaupt nicht und ich glaube, darum geht es auch. Dieses absolut exorbitante Geltungsbedürfnis, was mich die ersten zwanzig Jahre meines Lebens so aufgeplustert hat. Diese Haltung: Das ist scheiße, das ist kacke und meins ist eh besser. Wie ein Kind halt. Jetzt sind ein paar Jahre vergangen und ich bin etwas geläutert. Es gab auf jeden Fall den Punkt, an dem ich gemerkt habe, dass das Leute absolut an mir nervt. Das ist also ein recht ironischer Blick darauf und meine Art und Weise damit umzugehen. Die Zeile ist: »gesunder Unmut, ungesunder Mut – bleib ich doch der einzige der glaubt, was allen gut tut«. Das ist ja völlig irrsinnig.

Der Gitarrist der Swans Kristof Hahn spielt auf drei Songs mit – inwiefern hat dieser Gastauftritt den Soundstil des Albums beeinflußt? Wieviel von Swans »Lärm« hast du zugelassen?

Witzige Geschichte am Rande: Er war mal auf einem Konzert von uns. Er stand in der ersten Reihe und brüllte nach jedem Song »lauter, lauter!«. Irgendwann meinte, er dass wir ja auch mal zusammen Musik machen könnten – was wir natürlich total geil fanden. Gerade bei ACME – das war ein Onetake. Er ist reingekommen, hat einen gekifft, hat zwei Espresso getrunken und ne Redbull Cola hinterher. Seine Lapstick-Gitarre auf den Tisch gepackt und dann ging’s ab.

Neben Markus Ganter hat auch Max Rieger ganz intensiv an deinem Album mitgearbeitet – wie war die Zusammenarbeit?

Schwierig. Ich habe es mir am Anfang sehr leicht vorgestellt, aber Max und Markus unter einen Hut zu bringen, war doch schwieriger als gedacht. Die Aufnahmen waren sehr leicht mit beiden und es war auch sehr fruchtbar alles. Aber die Frage, wie es am Ende klingen soll, da gingen die Ideen doch sehr auseinander. Jetzt sind wir alle happy mit dem Ergebnis, es gab aber auf jeden Fall Reibung und zwar nicht zu knapp.

Wie unterscheidet sich das Album soundmäßig vom ersten? Geht es wirklich um eine Neujustierung?

Voll. Aber für mich was das ein sehr natürlicher Prozess. Mir ging es schon darum, wenn auch nicht bewusst, was anderes machen zu müssen. In der Zwischenzeit ist viel passiert, irgendwann wusste ich auch endlich mit meiner Stimme umzugehen. Daher hatte nicht mehr das Bedürfnis das Ganze so zu verkleiden, ich wollte eher ein besserer Songwriter werden. Die Idee dahinter war, dass sich die Songs von alleine tragen.

»Er ist bereit geliebt oder missverstanden zu werden. Egal sein, wird Drangsal keinem.« Wenn du an deine Musik denkst, ist das der wiederkehrende Wunsch und Hauptbeweggrund für dich, Musik zu machen?

Wer hat diesen Pressetext geschrieben? Der lag doch einfach nur im Briefkasten. Aber ja voll – ich glaube jeder Künstler hat auf irgendeine Art und Weise ein Minderwertigkeitskomplex, den er zu kompensieren versucht. Indem er das, was er eigentlich aus Spaß macht, rausbringt und halt Resonanz kriegen will. Ich mach das ja nicht in erster Linie um Geld zu verdienen, auch wenn ich übelst glücklich darüber bin, dass das jetzt mein Job ist.

Abseits vom neuen Album: Du machst neuerdings mit Casper den Podcast »Mit Verachtung« – vorgestern kam die zweite, wirklich sehr gute Folge. Habt ihr damit gerechnet, dass das Ding direkt auf Platz 1 der Podcast-Charts steht?

Ich habe es mir schon gedacht, dass es sich einige Leute anhören, wenn nur Casper dabei steht. Aber das ist nicht der Grund, warum wir das machen. Sondern weil wir tatsächlich gute Freunde sind und es genau so ist, als würden wir uns normal unterhalten. Ich finds schön, dass die Leute es gut finden und ich glaube es hat mich ein bisschen vermenschlicht. Viele haben plötzlich gemerkt, dass ich auch ganz lustig sein kann: »Pimmel raus, Mofa fahren« find ich natürlich sehr lustig  – ich bin ja kein Unmensch. (*die passende Playlist zum Podcast von Casper und Drangsal gibt’s übrigens bei Spotify)

Danke dir!

Drangsal – Zores
VÖ: 27. April 2018, Caroline Records
www.facebook.com/frucadeodereierlikoer
www.instagram.com/drangsal/