MS DOCKVILLE 2019 – laut, bunt & schräg

Foto-© Hinrich Carstensen

Erschöpft saßen die meisten Besucher des MS Dockville am Sonntag in der S-Bahn auf dem Rückweg des Geländes, in Richtung Hauptbahnhof. Dicht an dicht drängten sich die müden Gesichter in die überfüllten Waggons und schwärmten schließlich in alle Himmelsrichtungen davon. Dicht an dicht ging es auch auf dem 13. MS Dockville (16.-18. August) zu.

20.000 Festivalgänger pilgerten schon am Freitagnachmittag, wie ausgehungerte Hyänen, an die pittoreske Industriekulisse, ins City-nahe Wilhelmsburg. Gerade für die jüngere Generation sollte dieser Abend, der wohl Aufregendste werden. Schon zu Beginn wird durch Juju Autotune und Abriss-Party zelebriert. Die deutsche Rapperin, erreichte mit ihrer im Juni erschienen Platte Bling Bling nicht nur hohe Chartspositionen, sondern vor allem die Herzen ihrer Fans. Der Abend bietete zudem den Auftakt des wohl am kontroversesten diskutierten Musikers des Wochenendes: Bausa. Dieser war kürzlich erst mit dem Remix Vossi Bob von Stormzy negativ in den Schlagzeilen gelandet und viele fragten sich wohl, was er auf einem Festival, wie dem MS Dockville zu suchen hat. Während sich also die Teenie-Truppen um die Hauptbühne, den Grossshot, tummelten, um die Hände zu Bausa und Rin, im Takt zu wippen, wurden die Zuschauer, die es zu den anderen Bühnen schafften, nicht enttäuscht. Im Maschinenraum sorgten Cassia, aber auch die Techno Marching Band Meute als Pendant zu Gangster-Rap mit ihrer Feel-Good Attitüde für gute Stimmung. Damit man sich auch anschließend weiter in den Armen liegen konnte, sorgte Monolink mit elektronischen Beats für die richtige Atmosphäre.

Wer es danach zum Headliner Billie Eilish schaffte, die Wege waren wegen des zu großen Andrangs zeitweise gesperrt, dem war zu enger Körperkontakt sicher. Auch akustisch ist das Gelände leider nicht für eine solche Horde an Tanzwütigen gewappnet. Enttäuscht musste danach aber keiner nach Hause. Zwischen Disco und Electro-Soul, konnte man bei Parcels den Abend beschwingt ausklingen lassen, bevor man sich in den versteckten Dancefloors verlor.

Gut gewappnet begann der Samstag mit gut gewählter Systemkleidung, um dem wechselhaften Hamburger Wetter trotzen zu können – alle anderen versuchten den aufkommenden Regen mit Glitzer und guter Laune abzuhalten. Sowieso verwechselten einige Besucher bei ihrer Kleiderwahl das MS Dockville mit dem Vogelball. Bunte Federn, Ganzkörperbemalung und Luftballons in Einhornform, gehörten zu den Basics, genau wie Gummistiefel, einfach dazu. Aber alles kann, nix muss. Wer sich nicht verkleidete, hatte auf jeden Fall viel zu gucken. Musikalisch gestaltete sich der Tag mit einem Mix aus tanzbar, lässigen Acts wie Rikas und Giant Rooks, bis der Abend sich mit Jungle und Von Wegen Lisbeth plötzlich viel zu schnell dem Ende neigte.

Wer den Sonntag mit einem Lächeln auf dem Gesicht beginnen wollte, hatte es wohl schon früh auf das Gelände geschafft, um sich von Roberto Bianco & Die Abbrunzati Boys und ihrem Hit Vino Rosso in den Tag geleiten zu lassen. Die Augsburger Italo-Band nehmen sich so ernst, wie die Festivalbesucher selbst und verabschiedeten die wieder Partywütigen, mit einem ernst gemeinten Salute, alles Gute! Danach durfte natürlich weiter gefeiert werden. Bei Roosevelt kamen nochmal alle Freunde von Drums und Disco auf ihre Kosten und Drangsal, der beteuerte, sich sonst eher unter die wilde Meute gemischt zu haben, als selbst auf der Bühne zu stehen, überzeugte mit deutschem Post-Punk. Einen großen Mob hatten sich, wie erhofft, Bilderbuch angelacht, die mit dem aufkommend guten Wetter, um die Wette strahlten.

Noch bis 2022 soll das MS Dockville auf dem Gelände stattfinden, danach soll die Industriekulisse gewerblich genutzt werden. Eine traurige Vorstellung für alle Kunst und Musik-Fans. Denn ein kleines Highlight bietet nicht nur die Kulisse, sondern auch die vielen Details, die die Betreiber das gesamte Jahr über vorbereiten. Hier kommen Generationen zusammen. Musik und Kunst geben sich hier die Klinke in die Hand und internationalen Acts, mischen sich unter nationale Größen. Jeder kommt hier auf seine Kosten. Und eines ist sicher, die nächsten Jahre lassen wir uns dieses laute, bunte und schräge Treiben sicherlich nicht entgehen.

Susan

Susan wohnt in Hamburg und wollte früher hauptberuflich Groupie werden, bis ihr ein Exfreund einen Song auf Myspace widmete. Der hat bis heute 200 Klicks. Von ihr.

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