Bedroomdisco Top Alben – Januar

Foto-© Frank Lebon

Welcome back – 2024 hat uns und legt direkt mit Vollgas los, natürlich auch bei einem unserer Lieblingsthemen: neue Alben! Drum legen wir euch folgende, kommende Alben im Monat Januar nachdrücklich ans Herz!

Alben des Monats:

1. The Smile – Wall of Eyes (VÖ: 26.01.24)

Die Gründung von The Smile wurde erstmals 2021 bekannt. Sie ist demnach eine relativ neue Formation, die aus niemand geringerem als Thom Yorke, Jonny Greenwood und Tom Skinner besteht. Erstere sind natürlich bekannt für ihre langjährige Zusammenarbeit bei Radiohead, einer der einflussreichsten Bands der letzten Jahrzehnte. Besonders an The Smile ist, dass es die erste größere Zusammenarbeit zwischen Yorke und Greenwood außerhalb von Radiohead ist. Das Debütalbum A Light for Attracting Attention spiegelt ihre Jahrzehntelange kreative Partnerschaft wider, was dem Album einen klassischen Radiohead-Klang verleiht. Mit Tom Skinner ist die Superband jedoch erst komplett, denn er ist der Co-Founder der Jazzband Sons of Kemet und ein Experte in den plötzlichen Rhythmuswechseln, die auch ihr neuestes Album Wall of Eyes prägen.

Mit diesem wird endgültig klar: die Superband The Smile ist ein Geschenk für Radiohead Fans und fühlt sich warm und heimelig an. Wall of Eyes sprüht vor kreativer Energie, die einen harmonischen Auslass gefunden hat. Wer noch keine der zahlreichen Live-Auftritte geguckt hat, der hat etwas verpasst und sollte es schnellstmöglich nachholen. Es ist ein aufbrausendes Album, dass den typischen Radiohead-Klang neu und spannend verpackt.

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2. Sleater-Kinney – Little Rope (VÖ: 19.01.24)

Das neueste Werk, Little Rope, führt die kreative Entwicklung von Sleater-Kinney fort und präsentiert einen fesselnden Mix aus roher Energie und melodischer Raffinesse. Die zehn Songs auf diesem Album reflektieren nicht nur die individuellen Talente der Bandmitglieder, sondern auch ihre kollektive Stärke als künstlerische Einheit. Es ist jedoch mehr als nur ein weiteres Album. Es ist eine kraftvolle Meditation über das Leben in einer Welt der ständigen Krise und darüber, wie wir diese Welt beeinflussen und umgekehrt. Die Oberfläche der Songs variiert von sparsam bis hymnisch, von eingängig bis unnachgiebig. Doch darunter verbirgt sich eine Komplexität und Subtilität, die Sleater-Kinney zu einer der einzigartigsten Bands ihrer Generation macht.

Im Herbst 2022 ereignete sich eine persönliche Tragödie, als Carrie Brownstein die schlimmstmögliche Nachricht erhielt: Ihre Mutter und ihr Stiefvater waren bei einem Autounfall in Italien ums Leben gekommen. In den Monaten danach suchte Brownstein Trost in der vertrauten Tätigkeit des Gitarrenspielens. Dieser schmerzhafte Prozess fand Eingang in die Songs von Little Rope, die in intensiven Gitarrensessions entstanden und die Fragen nach dem Umgang mit Trauer, den Mitstreitenden und den daraus resultierenden Veränderungen stellen. Little Rope ist dadurch nicht nur ein Album, sondern eine künstlerische Reise durch die Höhen und Tiefen menschlicher Emotionen, ein aufrichtiges Werk, das den Hörer*innen einen Raum für Reflexion und Verbindung bietet.

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3. Marika Hackman – Big Sigh (VÖ: 12.01.24)

Big Sigh. Das große Seufzen. Die große Erleichterung, dass die eigene Kreativität doch zurückkommt. Für die Britin Marika Hackman, die sich mit ihrem dunklen Dream-Folk ihrer ersten beiden Alben einen Namen machte, manifestierte sich zuletzt so etwas wie eine künstlerische Schreibblockade. An einem gewissen Punkt war sich die Musikerin nicht mehr sicher, ob überhaupt jemals wieder ein eigener Song aus ihrer Feder fließen sollte (deshalb auch das Cover-Album Covers in 2020, um zumindest eine musikalische Routine zu bewahren). Angstzustände, Panikattacke und dann auch noch die Pandemie taten ihren Rest, sodass ein Rückzug aus der Londoner Wohnung aufs Landhaus zu den Eltern Abhilfe schaffen sollte (ihre Partnerin und ebenfalls Musikerin Art School Girlfriend nahm Hackman gleich mit). Richtige Entscheidung, ja sogar die Rettung: Big Sigh lässt keine Wünsche offen – für Hackman, aber auch für ihre Fans, die Songwriting, Komposition und Sound vom Feinsten serviert bekommen.

Nach einer Spielzeit von knapp 36 Minuten ist die Erleichterung groß, denn Big Sigh fehlt es an nichts. Hach…Hackman war ganz umsonst in Sorge.

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4. Future Islands – People Who Aren’t There Anymore (VÖ: 26.01.24)

Samuel T. Herring und die restlichen Mitglieder der Band Future Islands scheinen getriebene Musikmacher zu sein – kaum ist eine Tour beendet, wird schon das nächste Album angekündigt. So auch beim neuen, mittlerweile siebten Studioalbum der US-Amerikaner, das uns Ende Januar mal wieder den gewohnten Signature-Sound der Band präsentiert, während Frontmann Herring einige der herzzerreißendsten Tracks besingt, die die Synth-Pop-Götter bisher zu bieten hatten. Entsprechend verwundert auch nicht, dass über die letzten Jahre einige Singles schon veröffentlicht wurden und sich ganze sechs Singles letztlich auf dem Album versammeln – darunter die Highlights King of Sweden, Peach oder Deep in The Night. Das besondere dabei – entgegen der bisher häufig getriebenen Songstrukturen, nimmt sich die Band dieses Mal in den Songs Zeit, lässt jeden Atemzug und jede Silbe wirken sowie jeden Beckenschlag zählen. Das Ergebnis ist ein kraftvolles, prägendes Statement einer Gruppe von Musikern, die das vielleicht beste Album ihrer Karriere geschaffen haben.

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5. Any Other – stillness, stop: you have a right to remember (VÖ: 26.01.24)

Das musikalische Alter Ego der italienischen Singer-Songwriterin, Multiinstrumentalistin und Produzentin Adele Altro (they / them) ist vielleicht einigen Insidern bekannt – wir hoffen, dass ihr drittes, besonders gelungenes neues Studioalbum nun der große Durchbruch für die Musikerin ist! Während die vorherigen Songs häufig auf Indie-Rock-Anleihen basierten, stehen nun vielmehr Acts wie Dirty Projectors, Mitski oder Sufjan Stevens klanglich Pate, verbinden sich doch auf stillness, stop: you have a right to remember auf wunderbare Weise akustische und elektronische Instrumente zu einem warmen und eindringlichen Klangerlebnis, das sich mit Themen wie Selbstfindung, Familie, Beziehungen und Geschlechtsidentität auseinandersetzt. “Ich habe versucht, so ehrlich wie möglich über meine Gefühle zu schreiben: Ich bin nicht perfekt, ich kann auch ein Chaot sein!”, sagt Adele über ihr neues Album. “Und ich denke, das ist wertvoll, denn wenn ich diesen Ansatz in der Musik anderer Künstler*innen finde, fühle ich mich weniger allein. Ich hoffe also, dass sich andere Menschen mit dieser Platte auch weniger allein fühlen.”

Unter anderem ist stillness, stop: you have a right to remember auch das Dokument einer Künstlerin, die mit vielen wichtigen Beziehungen in ihrem Leben abrechnet. Zoe’s Seeds etwa schildert Adeles bisweilen steinige Beziehung zu einer ihrer besten Freund*innen während Extra Episode von Adeles Gefühlen in der Beziehung zu ihrem Vater erzählt: “Es geht um das Erwachsenwerden und die Erkenntnis, dass man auf sich allein gestellt ist – für mich ist es das Gefühl, keine Familie zu haben, auf die ich zählen kann. Besonders mein Vater. Und ich finde es traurig, dass er nicht sehen wird, wie ich aufblühe, jetzt, obwohl ich so viel an mir gearbeitet habe und ich mich selbst als Person mag”.

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Newcomer:

1. SPRINTS – Letter To Self (VÖ: 05.01.24)

Schon seit einiger Zeit gehört Dublin zum Schmelztiegel der spannendsten Rock-Newcomer – so auch nun wieder, hat die Post-Punk Sensation SPRINTS um Sängerin, Gitarristin und Lead-Songschreiberin Karla Chubb in den letzten Monaten doch die geneigten Fans im Sturm erobert. Und sie werden noch mehr Fans gewinnen – denn Anfang Januar erschien endlich das Debütalbum Letter To Self, das perfekt im Fahrtwasser von Acts wie Amyl And The Sniffers, Savages, IDLES, Dream Wife und Co mit ordentlicher Wucht die letzte Silvester-Raketen-Asche von euren Klamotten hinwegfegt.

Über das Album sagt Frontfrau Chubb: “It’s a deeply personal and autobiographical album lyrically and in its keythemes, while sonically it explores a space inspired by our love of early 80s gothic, 90s noise rock and more modern influences. It revisits our most vulnerable moments and imbues them with visceral garage-punk. It aims to take the things that are considered inherently negative -feelings of anxiety, anger and rage, and turning them into a positive. Using our experiences to fuel us and pouring them into a positive outlet. It’s cathartic, it’s honest, it’s raw.”

Chubb setzt sich auf dem Debüt mit ihrer inneren Zerrissenheit auseinander und nutzt ihre Plattform, um Ungleichheit und Themen anzusprechen, die ihr am Herzen liegen, wie die Kampagne für Repeal The 8th und den andauernden Kampf der Frauen für körperliche Autonomie, Kämpfe mit Selbstakzeptanz, Identität, psychische Probleme, Sexualität und katholische Schuldgefühle. Chubb fasst die Botschaft, die dem Album zugrunde liegt, wie folgt zusammen: “No matter what you’re born into, or have experienced, there’s a way to emerge from this and be happy within yourself.”

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2. Endless Wellness – Was für ein Glück (VÖ: 26.01.24)

Immer wieder Wien – die österreichische Hauptstadt hat es sich wohl zuletzt kulturell zur Aufgabe gemacht den Indie-Rock zu retten und schickt mit Endless Wellness den nächsten Hochkaräter auf die Newcomer-Fläche! So ist auf dem Debüt des seit 13 Jahren befreundeten und zuvor schon in anderen Band-Projekten zusammen tätigen Quartetts eine schrammelnde Westerngitarre zu hören, die übersteuert. Eine Orgel bietet Fläche, manchmal legt sich auch ein düsterer Synthesizer dazu. Es könnte Fuzz-Folk genannt oder schlicht dem allumfassenden Indie zugeordnet werden; sie könnten als Big Thief, nur auf deutsch, die frühen Tocotronic, aber später oder als Isolation Berlin aus Wien bezeichnet werden…Die obskur-poetischen, deutschsprachigen Texte sind eine laute Konfrontation mit Depression und schlagen zuletzt immer die Brücke zur Gesellschaft, vom Mikro- zum Makrokosmos. Es sind Lieder zum alleine Hören oder zum gemeinsam Tanzen, das Gewicht von den Schultern schüttelnd. Es ist eine ambivalente Spannung, die zwischen der drängenden Musik und den Texten über existenzielle Ängste schwebt. Damit schaffen es Endless Wellness, unsere Zeit und ihre Geister einzufangen und in melancholische, aber tröstende Wärme umzuwandeln. Das darf mit Humor passieren, mit Harmonien und auf jeden Fall mit Verzerrung. Es sind alternative Liebeslieder, für eine Achtsamkeit, für eine Zuversicht, für: Endless Wellness. Und ja, das ist so gut, wie es klingt!

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3. Vacations – No Place Like Home (VÖ: 12.01.24)

Über 10 Millionen monatliche Spotify-Hörer bei schon zwei veröffentlichten Alben – ok, ok, so richtig fallen die Australier von Vacations jetzt nicht unbedingt in die Newcomer-Kategorie, wir machen aber mal eine Ausnahme, fliegen sie als Band doch abseits von Streaming und Co noch etwas unter dem Radar. Das neue Album folgt dabei einer intensiven Lebensphase des Leadsängers Campbell Burns, bei der ihn eine sog. Pure OCD (oder “Pure O”) diagnostiziert, eine Unterform der Zwangsstörung, die durch aufdringliche, unerwünschte und unkontrollierbare Gedanken gekennzeichnet ist. Seine Erfahrungen, mit Pure OCD zu leben, während er durch die Welt tourte, flossen in das Album ein, das sich außerdem auch mit differenzierten Diskussionen über persönliches Wachstum und Sexualität befasst. Wer nun eine klangliche Schwere erwartet, liegt aber falsch, umfasst es doch 10 schimmernde Tracks voller Indie-Pop-Hooks und einem Hauch von bittersüßer Sensibilität. “Ich hatte dieses lose Konzept, dass No Place Like Home ein amerikanisch beeinflusstes Album sein sollte”, sagt Campbell über die klanglichen Inspirationen des Albums. “Ich wollte mehr Pianos, akustische Gitarren, Nashville-Tuning und Country-inspirierte Lap Steel einbauen, aber auch Drum-Maschinen und Synthesizer einbringen und eine Mischung aus beidem finden.”

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Wiederkehrer: Egyptian Blue – A Living Commodity (VÖ: 27.10.24)

Schrille Gitarren, treibende Drums und düstere Klangsphären – das Debütalbum der britischen Newcomer Egyptian Blue hallt auch noch Monate nach der Veröffentlichung im vergangenen Oktober nach bei uns, bringt uns durch die kalten Tage und will uns nicht loslassen. Kein Wunder – sortieren sich die Songs doch irgendwo zwischen IDLES und Foals ein – übrigens beides bekennende Fans der Band aus Kleinstadt Colchester nordöstlich von London, wo man sich zu Beginn der Band als Flucht vor der spießigen Vorort-Idylle in stundenlangen, ohrenbetäubenden und alkoholgetränkten Jam-Sessions über einem kleinen Juwelier verlor. “Der Titel ‘A Living Commodity’ steht für einen Zustand der Selbstreflexion, in dem man alles in seinem Leben sein kann. Aber eben auch nichts. Gefangen in der eigenen Realität. Am Steuer eines Lebens, das man sich nicht ausgesucht hat. Dennoch bestimmst du den Inhalt dieses Lebens und erntest, was du säst. Es ist ein Zustand der Selbstzerstörung, der in diesem großen leuchtendbunten Spektrum des Lebens steckt.”

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Dominik

Bedroomdisco-Gründer, Redaktions-Chef, Hans in allen Gassen, Golden Leaves Festival Booker, Sammler, Fanboy, Exil-Darmstädter Wahl-Hamburger & happy kid, stuck with the heart of a sad punk - spreading love for great music since '08!

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