SOFT LOFT – Interview

Foto-© Stephan Strache

Jorina, nicht nur metaphorisch die Stimme von Soft Loft ist der Schweizer Band bereits per Zug „vorgereist“. Ich treffe sie an der Venue, in der sie abends anlässlich des diesjährigen c/o pop Festivals spielen. Unser Plan, uns im Backstage der Venue einen Ort fürs Interview zu suchen scheitert. Der Secret Act des Abends dreht stattdessen dort ein Video in einer Lautstärke, die jede Form der Unterhaltung zu einem Anschreien verkommen lässt. Wir finden einen Ort auf der Brachfläche neben der Venue. Im Rücken der Rohbau der Helios Schule. Kaum finden wir Platz in einem ausrangierten, alten Bus, ist aller Trubel vergessen.

Erst einmal vielen lieben Dank, dass du dir die Zeit für unser Interview genommen hast. Ich hoffe, du hattest eine gute Anreise?
Sehr gerne. Danke, dass du dir die Zeit nimmst und ihr uns Öffentlichkeit bietet. Ich bin ja mit dem Zug angereist. Das ist im Vergleich zum Rest von uns, die mit dem Bus aus der Schweiz kommen, schon luxuriös.

Euer Album The Party And The Mess ist jetzt etwa einen Monat veröffentlicht. Erst einmal herzlichen Glückwunsch! Ich mag das Album unheimlich gerne.
Danke schön. Das freut mich sehr. Wir haben es am 23. März veröffentlicht. Unser Erstes ist also knapp ein Monat alt.

Gut Ding braucht Weile. Ich habe irgendwo gelesen, dass ihr seit dem Frühling 2021 daran gearbeitet habt.
Ja, irgendwann während der Pandemie haben wir mit dem Songwriting begonnen. Wir haben viele Songs geschrieben. 2022 haben zwölf davon zu einem Album geformt und sie in einem alten Gasthaus in den Schweizer Bergen aufgenommen. Und jetzt ist The Party And The Mess draußen.

Ein Haus im Tessin hatte für die Entstehungsgeschichte der Lieder eine wichtige Bedeutung. Magst Du uns mehr darüber und vielleicht auch zum Haus selbst erzählen?
Die Familie von Simon, unserem Gitarrist, hat ein Haus im Tessin. Das liegt ganz allein und da hat es nicht viel. Nur das Haus mit einem wundervollen Garten. Wir sind dann dort ganz oft hingefahren, um unsere Songs zu schreiben. Meist ganze Wochen und abgeschottet von der ganzen Außenwelt. Wir konnten uns dort dann voll auf die Musik konzentrieren, ihr ihren Raum geben. Es wurde unser zentrale Ort zum Schreiben.

Und wenn du sagst, ihr habt geschrieben. Habt ihr eine Aufgabenverteilung in der Band, wenn ihr an Songs arbeitet?
Es gibt keine festen Muster. Ich schreibe Texte und Gesang, das ist fix. Bei den anderen ist es mal so oder so. Es gibt mal einen Song, den beispielsweise Simon, unser Gitarrist schon als weit entwickeltes Grundgerüst mitbringt. Und dann gibt es Songs, die wir gemeinsam von Grund auf entwickeln, die im Zusammenspiel entstehen. Jeder Song hat seine eigene Entstehungsgeschichte.

Und wie ist es bei deinem Part? Wenn du sagst, du schreibst Texte und Gesang. Hast du dann zuerst die Lyrik oder eine Melodie?
Das kommt immer so ein bisschen zusammen. Melodie und Text entstehen häufig Hand in Hand. Es ist oft ein Moment von „ich muss da was loswerden“. Es flowt dann einfach. Vieles geschieht dabei intuitiv.

Wie schön, das klingt erst einmal unheimlich entspannt. Wann wisst ihr dann, dass ein Song fertig ist?
Gute Frage. Ich glaube, dass wissen wir nie. (Jorina lacht herzhaft.) Sobald er aufgenommen, gemischt und gemastert ist, ist er fertig. Hoffentlich.

Bleibt er dann so? Oder kann er live auch ein Eigenleben entwickeln?
Live gestalten wir unsere Songs oft nochmals neu. Wir setzen uns im Studio keine Grenzen, formen den Song so, wie er uns am besten gefällt. Ob es dann final live umsetzbar ist, ist für uns im Aufnahmeprozess nicht relevant. Als Band finden wir aber fast immer einen Weg. Der Charakter von Songs entwickelt sich so oft weiter, wenn wir sie auf die Bühne bringen. Was nie etwas Schlechtes ist.

Hast du selbst einen Lieblingssong auf eurer Platte?
Das ist eine ganz schwierige Frage für mich. Es wechselt von Tag zu Tag. Manchmal habe ich einen Downtag, dann ist es zum Beispiel Bathroom Floor. Oder die gute Laune ist mein Bedürfnis, dann ist es eher Rose Colored. Das wechselt immer mal wieder. Ich kann mir vorstellen, dass es Menschen die unsere Musik hören ähnlich geht.

Produziert wurde die Platte von Gianluca Buccellati. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit und wie gestaltete sie sich praktisch?
Luca lebt in Los Angeles und hat viele Sachen gemacht, die wir ganz toll finden. So hat er zum Beispiel das Album Collapsed in Sunbeams von Arlo Parks mitgeschrieben und produziert. Wir haben uns eine Liste gemacht von Produzent*innen, deren Arbeit wir toll finden. Da stand der Name Gianluca Buccellati weit oben. Ich habe ihn per Instagram DM angeschrieben, er hat geantwortet und wir hatten kurz darauf einen Skypecall. Der Vibe hat gestimmt und dann war es ganz schnell auch schon fix, dass wir das Album gemeinsam machen wollen. Wir haben uns dann ein halbes Jahr via Internet über unsere Songs ausgetauscht. Dann kam er zwei Wochen in die Schweiz und wir haben das Album zusammen aufgenommen und produziert. Wir hatten eine richtig gute Zeit dabei.

Standen denn da bereits die 12 Songs fest, die es auf The Party And The Mess geschafft haben? Oder hattet ihr einen Pool an Songs?
Luca uns gepusht, viele Songs zu schreiben. Wir hatten um die 30 bis 40 Songs und Songideen. Er hat uns immer mehr gepusht. Aus diesen Songs haben wir dann 12 ausgesucht und aufgenommen.

Heißt das, wir können uns noch auf 18 weitere Songs von euch freuen?
Das ist immer so ein Ding. Es werden dabei ja auch immer einige Songs aussortiert. „Kill your Darlings“ und so. Aber wir haben bestimmt noch Songs, die wir wieder aufnehmen werden. Und wir sind tatsächlich bereits wieder daran neue Songs zu schreiben.

Wir habt ihr dann die Reihenfolge der 12 Songs auf euer Platte bestimmt? The Party And The Mess klingt als Album total stimmig. Ich höre die Songs gerne in genau dieser Reihenfolge. Wenn ich mir dann vorstelle, es lagen ursprünglich so viel mehr Songs vor, dann stelle ich es mir super schwierig vor, daraus ein so stimmiges, homogenes Album zu formen.
Es war ein längerer Auswahlprozess. Im Studio haben wir tatsächlich noch einen neuen Song fertig geschrieben und einen anderen gekickt, der fürs Album geplant war. Es war ein langes hin und her. Was hat es auf dem Album, was braucht es noch? Hat es genügend von den verschiedenen Moods. Wir haben lange auch mit Soundcloud-Playlists verschiedene Reihenfolgen probiert, viel überlegt. Mit dem Ergebnis sind wir nun glücklich. Ich finde es immer noch stimmig so.

Total. Das ist euch super gut gelungen.
Danke schön, das freut mich sehr.

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Ich liebe auch, dass es direkt das Format Album geworden ist. Mittlerweile veröffentlichen Bands ja zu Beginn oft Singles und EPs und sind damit erst einmal viel auf Tour.
Uns war wichtig, dass das Erste was wir rausbringen schlussendlich ein Album wird. Es ist vielleicht ein wenig oldschool, aber wir wollten es so. Und jetzt ist es auch egal. Jetzt können wir auch Singles raushauen. Weil wir haben jetzt so ein Album. Wir haben eine schöne Vinyl. Wir haben etwas in der Hand und es fühlt sich gut an.

Das glaube ich dir gerne, The Party And The Mess ist in allem, von Musik über das Visuelle stimmig und schön.
Danke dir. Das ist voll schön zu hören. Wir haben viel Energie hineingesteckt und sind nun entsprechen glücklich, dass es nicht nur uns sondern auch anderen gefällt und es so viele Menschen erreicht.

Ich hab gelesen, mit dem Titel The Party And The Mess hat es auch etwas auf sich. Magst Du mehr dazu erzählen?
Es gibt auch einen Song auf dem Album, der The Party And The Mess heißt. Der Song war zuerst da. Als wir dann nach einem Namen für unser Album suchten, dachten wir, das passt gut.
Der Song ist inspiriert von einer Geschichte meiner Großmutter. Sie lebte zum Schluss in einem Altenheim. Dort erzählte sie immer, sie wolle unbedingt noch einmal eine große Party feiern, dabei ein rotes Kleid tragen und Champagner trinken. Nochmal so richtig leben. Kurz vor ihrem Tod ist sie sogar nochmals ausgebüxt aus dem Altenheim, um das Kleid zu kaufen. Ein Auf und Ab, aber sie hat es nicht mehr geschafft, diesen Wunsch zu verwirklichen. Der Song geht um diese Geschichte und darum: Was heißt Familie, was ist das Leben und was sind seine Ups und Downs.
Als wir dann diesen Song fertig hatten, stand er schnell für unsere ganze Platte: eine große Party und ein großes Mess. Wie das Leben. Das Album setzt sich ohne Zurückhaltung mit den sehr schönen und den bei weitem nicht so schönen Momenten auseinander und so war es sehr passend, es so zu benennen. Diese Momente gehören zusammen, bedingen einander – auf unserem Album und im Leben.

Hat Songwriting generell bei dir etwas so persönliches?
Oft. Manchmal sind es auch Geschichten von anderen Menschen, die ich erzähle. Meistens aber Inhalte und Geschichten, die mich bewegen. Songwriting hat für mich dabei fast schon etwas therapeutisches. Wenn mich etwas sehr lange und intensiv beschäftigt, hilft es mir, es in einen Song zu packen und damit zur Außensicht zu gelangen, es von anderen Seiten betrachten zu können und so dann den Umgang damit zu finden.

Wissen dann die Menschen aus deinem Umfeld, wenn sie in einem eurer Songs vorkommen?
Gute Frage. Ich weiß es nicht genau. Manche denken vielleicht, es könne um sie gehen. Ich erzähle aber keinem, „Du, ich habe einen Song über dich geschrieben.“

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Ihr spielt dieses Jahr auf dem Maifeld Derby. Bei der Ankündigung des diesjährigen Line Ups bin ich das erste Mal über eure Musik gestolpert. Das Maifeld Derby hebt sich so wunderbar aus dem Einheitsbrei der deutschen Festivallandschaft ab. Ich entdecke dort immer wieder neue, spannende und vor allem gute Musik. Hat es diese Bedeutung auch außerhalb der deutschen Indielandschaft?
Wir sind auch mega Fan von dem Festival. Wir waren dort schon privat. Es ist ein absoluter Traum, dass wir dort spielen dürfen. Es ist vielleicht so vier oder fünf Jahre her, dass ich das letzte Mal dort ware. Es war total toll und ich dachte mir „Wenn wir mal hier spielen, dann haben wir als Band schon was geschafft.“ Nun ist es bereits Realität geworden. Ein Traum.

Und nicht nur das: Ihr spielt auch das Great Escape Festival.
Auch mega toll. Es passieren gerade so viele tolle Sachen bei uns und wir freuen uns extrem, das alles spielen zu dürfen.

Wie krass schön. Auch wenn ich mit den Fragen schon etwas vorgegriffen habe: Was steht denn das Jahr noch alles so an bei euch?
Wir spielen gerade unsere erste Deutschlandtour. Es ist schön, aus der Schweiz mit unseren eigenen Shows ausbrechen zu können. Dann England. Neben dem Great Escape Festival auch erste Konzerte in London und in Manchester. Im Sommer dann ganz viele Festivalshows in der Schweiz und auch in Deutschland, ehe wir im Herbst dann die zweite Headline Tour folgt.

Schaut ihr euch heute hier noch andere Auftritt an?
Wir sind nur heute hier, da wir morgen früh bereits weiter müssen und in Bremen spielen. Wir freuen uns aber auf die anderen Konzerte hier im Helios37. Wir spielten letztes Jahr bereits auf der c/o pop, kennen aber diese Venue noch nicht.

Wenn du vollkommen fiktiv ein eigenes Festival kuratieren dürftest, wer sollte alles spielen? Und wo sollte es stattfinden?
Gute Frage. Acts gibt es ganz viele, die dort spielen dürften oder müssten. Wir sind alle mega Big Thief Fans. Es wäre dementsprechend ein großer Traum, wenn die auf dem Festival spielen würden. Holly Humberstone und Maggie Rogers sollten auch spielen. Und auch einige Acts aus der Schweiz. Black Sea Dahu und Nola Kin sollten dabei sein. Und ich fände es schön, wenn das Festival draußen wäre. An einem schönen Ort und entschleunigt. Showcase Festivals wie dieses sind mir oft zu stressig.

Spielt ihr selbst dort auch?
Ja klar.

Wo du gerade Black Sea Dahu erwähnt hast. Black Sea Dahu, Faber oder Steiner & Madlaina kennen hier viele. Vielleicht noch Benjamin Amaru. Und nun natürlich euch. Welche Schweizer Musiker*innen sollten wir sonst noch auf dem Schirm haben?
Anuk Schmelcher. Das ist eine ganz, ganz tolle Künstlerin. Ihre EP „Can You Hear The River“ ist großartig. Dann natürlich noch Nola Kin. Sie ist nicht nur eine großartige Sängerin sondern auch eine gute Freundin von uns. Cori Nora kann ich noch empfehlen. Es gibt einfach so viel gute neue Musik. Aber nicht nur in der Schweiz. Überall.

Vielen Dank, dass Du dir die Zeit genommen hast und uns und unseren Leser*innen einen Einblick in eure Musik gewährt hast.
Vielen Dank dir.

Soft Loft live:
06.07.2024 Erfurt, Blaumachen Festival
27.07.2024 Eltville-Erbach, Heimspiel Knyphausen
10.08.2024 Neukirch, Skandaløs Festival
16.08.2024 Sorkow, Alinae Lumr
17.08.2024 Hamburg, MS Dockville
04.11.2024 Regensburg, Die Heimat

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Stephan Strache

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