THE NATIONAL – High Violet

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I was carried to Ohio in a swarm of bees
I never married but Ohio don’t remember me.

(The National – Bloodbuzz Ohio)

High Violet“, das neue Album der amerikanischen Indie-Lieblinge The National ist eines der wohl am sehnlichsten erwarteten Neuerscheinungen dieses Jahres. Das Vorgängeralbum „Boxer“ war eines der Kritikerfavoriten 2007 und bescherte der Band den internationalen Durchbruch.

Schon nach dem ersten Hören wird klar, dass dieses Album seinen Vorgänger sogar noch übertrifft. „High Violet“ hat einen ganz besonderen Vibe. Sänger Matt Berningers charakteristische, sonor-tiefe stimme ist eindeutig das Markenzeichen der Band – wie ein dunkelroter Samtvorhang ist sie, schwer und weich, und doch lässt sie ab und zu einige wenige Tageslichtstrahlen hineinscheinen.

The National haben kein durchweg schwermütiges, depressives Album gemacht, auch wenn viele Songs auf den ersten Blick sehr wohl eine traurige Grundstimmung besitzen. Aber Songs wie beispielsweise „England“ strahlen trotzdem wahnsinnig viel Kraft aus – „You must be somewhere in London / loving your life in the rain (…) I’m in a Los Angeles cathedral / minor singing airheads sing for me“ singt Berninger, und dieses Bild strahlt dabei so viel naive Positivität aus, dass es einen fast wundert.
Sorrow“ paart einen weiteren tragischen Text mit einer unwiderstehlichen Melodie. „I don’t wanna get over you“, schwelgt Berninger da mit schaurig-schöner Stimme – und wären es nicht The National, würde man sich für so viel emotionale Tristesse und Liebesschmerz fast schämen – doch diese Band umschifft den Emo-Eisberg immer wieder ganz gekonnt, indem sie solche Texte nie mit allzu kitschiger Instrumentierung begleitet. Understatement wird hier ganz groß geschrieben, denn The National brauchen keine großen Gesten, sie deuten sie nur an. Klar gibt es Streicher und Herzschmerz, aber auf eine reduzierte, abgespeckte, coole Art und Weise, die nie ins Belanglose abdriftet.

Conversation 16“ erinnert mit seiner düsteren Stimmung etwas an einen Editors-Song: ein nervöses Schlagzeug wird hier gepaart mit geheimnisvollen Backgroundchören und Berninger singt mit resignierter Stimme von einer kaputten Beziehung. „It’s a hollywood summer / you never believe the shitty thoughts I think / we had friends out for dinner / when I said what I said I didn’t mean anything / we belong in a movie / try to hold it together till our friends are gone / we should swim in a fountain / I do not want to disappoint anyone.”.

The National sind nicht nur Musik, nein sie sind irgendwie ein Gefühl und treffen damit den Nerv der Zeit. Musikalisch hat sich im Ganzen nicht so viel getan: The National machen immer noch düsteren, stimmungsvollen Indie-Rock, doch jeder Ton, jeder Einsatz der einzelnen Instrument ist perfekt gesetzt, jede Stelle des Albums erfüllt einen bestimmten Zweck.

„Boxer“ war verkopfter, unzugänglicher, noch nicht ganz so melodiös und detailverliebt. Es sieht fast so aus, als hätten The National ihre Angst vor den einfachen aber so großen Melodien verloren und würden jetzt mehr ihrer Intuition folgen. Betrachtet man „High Violet“ in der Reihe der vorhergegangen Alben, ist es die perfekte musikalische Weiterentwicklung einer schon vorher tollen Band. Nun gilt es für das nächste Album: Überrascht uns. Werdet nicht langweilig. Macht was aus dem neugewonnen Wissen um eure musikalischen Stärken. Und bis dahin genießen wir „High Violet“, dieses Kleinod, das auch beim 20. Mal Hören noch neue Schönheit offenbart, und das ist es, was ein wirklich gutes Album ausmacht.

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The National – High Violet
VÖ: 7. Mai 2010 / 4AD
http://www.americanmary.com
http://www.myspace.com/thenational
httpvh://www.youtube.com/watch?v=yU88IA0aDU0&feature=player_embedded