POLIÇA – Give You The Ghost

After all, I’m married to the wandering star
And I’ve kissed the moon
It was full when I fell in love with thee
But now the world turns without me
Turns without me

(Poliça – Wandering Star)

Selten gab es noch vor einer Veröffentlichung so eine Aufregung in Sachen neuer Band. Klar, wenn das Lob an die Künstler von keinem Geringeren als Bon Iver stammt – da wird man neugierig. Und wer versteckt sich hinter der so bejubelten Band? Poliça aus Minneapolis, vier Köpfe die mit elektronischen Elementen, Schlagzeug Fills, Auto-Tune und unglaublich viel Hall eine düster-sympathische Atmosphäre musikalisch verarbeiten.

Wenn man also den ganzen Artikeln, Lobeshymnen und natürlich Bon Iver vertrauen darf, könnte man davon ausgehen, dass die Top 100 von 2012 auf jeden Fall von Poliça angeführt werden wird. Verschafft man sich erstmal selbst einen Überblick über die elf Lieder auf dem Debüt ‘Give You The Ghost‘ und wettet nicht blindlings darauf los, werden die Geschmäcker weit auseinander driften.
Dass die Platte aus einem Guss ist, hört man gleich. Abwechslung und Risikobereitschaft – fehl am Platz. Die Ausnutzung aller möglichen Effekte und eben auch der Gesangskorrektur ziehen sich durch jeden einzelnen Song und wirken wie ein nicht enden wollender Lauf durch undurchsichtigen Nebel.
Andere sagen auch “es hört sich alles gleich an“.
Gut, das können wir jetzt mal widerlegen, auch wenn wir keine studierten Musiker oder Tonmeister sind. Erstes Merkmal von einfallsreichem Arrangieren: das Schlagzeug! Lange ist es her, dass ein Schlagzeug so eine große Rolle auf einer Platte eingenommen hat, um mehr als nur den 4/4 Takt vorzugeben. Da darf sich wahrlich jemand austoben. Der Schlagwerker baut – auf seine Art – eine Kulisse, aus düsteren, gehetzten Drum Soli inklusive klirrenden Becken und exakten Marschtrommeln. Bei ‘Wandering Star‘ nimmt das Schlagzeug fast einen maschinellen Charakter ein.
Zweites Merkmal sind die eingesetzten Elektronika, die sich zart und vorsichtig ein Plätzchen in der Hallarena suchen und trotzdem die Feinheiten in den verwaschenen Soundstrukturen bilden.
Ein bisschen wie im Märchenwald klingt das Ganze, gesungen von der guten oder auch bösen Fee, man weiß es nicht. Tragisch klingt es allemal. Sehnsuchtsvolle Texte, manchmal fordernd und manchmal reflektiert. Dass Channy Leanagh das alles kann, wundert, denn stimmlich überträgt sich der Text nicht. Die Stimme ist neben dem Hall die einzige Konstante.

Sind zwei Merkmale zu wenig für ein hochgelobtes Debüt? Meiner Meinung nach nicht. Klar könnte man noch…und hier bisschen verändern…und das ganz anders. Dieser zweite Konjunktiv…
Für uns ist ‘Give You The Ghost’ ein aufregendes Album, solange man sich die Zeit nimmt die verschiedenen Instrumente und Arrangements aufzuschlüsseln. Wir lassen uns gerne vom Klangteppich einwickeln und entdecken mit Freude hier und da kleine Überraschungen.

Poliça – Give You The Ghost
VÖ: 11. Mai 2012, Memphis Industries
www.thisispolica.com