PRAG – Premiere

Prag - Premiere CD-Kritik

Und Du weißt, dass das Leben so bleibt, wie es ist,
doch der Einkauf, der Einkauf macht’s weniger trist.
Also kauf!

 (PRAG – Einkauf)

Menschen, die wir aus Film und Fernsehen kennen, gründen irgendwann eine Band und treten als deren Frontfrau/-mann auf. Gähn. Zuerst gibt es den großen Hype, weil ein bekanntes Gesicht mitwirkt, doch schwingt auch immer die Frage mit, ob das reicht, um auf lange Sicht wirklich gute Musik zu machen. Da gibt es einige Beispiele, bei denen wir ganz klar ‘nein‘ antworten würden: Entweder ist es nur ein spaßiger Ausflug oder, genau das Gegenteil, man will im neuen Metier zu verbissen anerkannt werden. Ja, und dann sind wir natürlich auch noch voreingenommen – negativ oder positiv. Also, nicht gerade ideale Voraussetzungen für ein zweites Standbein im Musikbusiness.

Seit ein paar Wochen gibt es nun eine neue Band am Medienhimmel, die groß angekündigt, hochgelobt oder eben auch banalisiert wurde. Die Band nennt sich PRAG und das bekannte Mitglied ist Nora Tschirner. Mal ehrlich, eigentlich wussten wir es schon immer: Nora kann alles, macht alles und wir mögen sie, egal, was sie macht. Punkt. Doch ist eine Sache gut, weil sie mitmacht oder macht sie mit, weil die Sache gut ist? Tja. Jedenfalls ist ihr neuestes Abenteuer für viele eine Überraschung gewesen, weil es anders ist. Aber anders als was eigentlich? Wohl als das, was allgemein erwartet und zugetraut wird.

Denn bei PRAG handelt es sich um ein schlau inszeniertes Kollektiv, das mit Tom Krimi, dem Songwriter und musikalischen Direktor, und Erik Lautenschläger (‘Erik & Me‘) komplett ist und in längst vergangene Zeiten entführt. Gemeinsam entwickelten sie eine Musik, für die es bisher keine Schublade gab, aber sympathisch, klangvoll und poetisch daherkommt. Die Geburt des Indie-Western-Schlagers? Des Zirkus-Chansons? Wer weiß. Nora Tschirner ist jedenfalls, wider Erwarten, nicht Frontfrau, sondern hauptsächlich für die Bariton-Gitarre, Mandoline und das Hackbrett zuständig, eine Art Zither, die mit kleinen Schlägeln angeschlagen wird. Sie singt zwar auch, stimmlich irgendwo zwischen Inga Humpe und Carla Bruni, aber dann meistens Background oder im Duett mit Sänger Erik Lautenschläger, den sie noch aus alten Schulchorzeiten kennt.

Der Clou des Debütalbums ‘Premiere‘ ist vielmehr das ungewöhnliche Zusammenspiel von hintergründigen, humorvollen Texten und verschwenderisch orchestralen Arrangements. Hierfür zog es die Band in die tschechische Hauptstadt um mit dem dortigen Filmorchester die großen, cineastischen Momente einzuspielen, die ihren Songs noch mehr nostalgische Üppigkeit verleihen. Melancholische Streicher und wunderbar pathetische Bläser umrahmen Texte wie „Und die Lieder aus den Charts, die waren besser / denn die konnte man noch pfeifen/ und die Texte waren einfach / und ‘Voyage‘ bedeutet Reise / und die geht bekanntlich weiter / die geht bekanntlich weiter als die Nacht.“ (‘Sophie Marceau‘) oder auch „Und nur die Vögel singen, wenn die Sonne brennt / Warum hat ihnen keiner erklärt, wie man so ‘nen Morgen verpennt?“ (‘Vögel‘).

Und das ist genau der Unterschied zu anderen Bands mit prominenter Besetzung: PRAG definiert gleich von Anfang an eine selbst kreierte Klangwelt und zieht sein Retro-Konzept vom kunstvoll vergilbten Booklet bis zum bandeigenen Label ‘Tynska Records‘ (benannt nach einer Prager Straße) komplett durch. Kein Spaßprojekt, sondern ernsthafte Ambition, die sich nicht auf einen bekannten Namen verlässt. Fein!

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PRAG – Premiere
VÖ: 25.01.2013, Tynska Records
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