SIGHTSEERS – Filmkritik

Sightseers - Filmkritik

Das Wohnwagenbett ist ziemlich kurz, aber Chris ist ein einfühlsamer Liebhaber.

(Tina – Sightseers)

Hat man sich die letzten Tage über das Fantasy Film Festival 2013 informiert, hat man wahrscheinlich immer wieder den Namen eines ganz bestimmten Films gehört. ‘A Field in England‘ – ein berauschender schwarz-weiß Film mit einer undurchsichtigen, historisch angelegten Geschichte. Der Name, der hinter diesem Film steht, dürfte in Deutschland eher unbekannt sein – Ben Wheatley. Gestartet hat der Regisseur als Künstler, vor allem aktiv auf seinem Blog ‘Mr and Mrs Wheatley‘, orientierte sich dann aber immer mehr in Richtung Film. Die Distribution seiner Filme läuft leider in Deutschland immer schleppend, daher ist die Freude aber umso größer, dass diese Tage sein drittes Werk ‘Sightseers‘ endlich in den DVD Regalen zu finden sein wird. Auch hier findet man wieder Wheatleys typische Elemente wie den extremen, schwarzen Humor und sein Faible für seltsame Personenkonstellationen.

Chris (Steve Oram) und Tina (Alice Lowe) sind frisch verliebt und planen ihren ersten gemeinsamen Urlaub. Eine Tour mit Wohnwagen durch das britische Hinterland soll es werden. Chris ist ein einfacher Mann, in der Schule kaum wahrgenommen hat er den Wunsch, Schriftsteller zu werden. Tina ist eine unscheinbare Frau, die mit 34 immer noch bei ihrer kranken Mutter lebt und bisher noch nie einen Freund hatte. Gegen den Willen von dieser machen sich die beiden auf den Weg. Doch gleich beim ersten Stop wird Chris wütend auf einen Mann, der seinen Abfall einfach fallen lässt. Auf dem Parkplatz wird dieser versehentlich von Chris überfahren. Jeden anderen hätte dieser Unfall im Mark erschüttert, aber nicht die beiden frisch Verliebten. Nach kurzer Trauerphase führen sie ihre Reise fort. Immer mehr stellt sich aber heraus, dass Chris vielleicht mehr Freude am Töten hat wie bisher angenommen. Tina ist zunächst etwas irritiert, passt sich dann aber immer mehr ihrem Freund an. Sie mutieren zum Killer-Pärchen im Wohnwagen.

Lakonisch, traurig, schockierend und seltsam – Ben Wheatley schickt zwei Spießbürger auf einen Wohnwagenurlaub und entkoppelt einfach mal so menschliche Verhaltensweisen. Seine Charaktere zu lieben, beziehungsweise eine Sympathie zu entwickeln ist fast unmöglich. Das Lachen bleibt einem wiederholt im Hals stecken, wenn nach und nach die Gründe für das Morden erklärt werden. Trotzdem folgt man den beiden mit Spannung und kann es nicht abwarten, was als nächstes in ihren Köpfen passieren wird. Pointiert wird das Leben in allen Banalitäten gezeigt. Wenn Tina ihren selbstgehäckelten Slip-Ouvert für das nächtliche Schäferstündchen hinrichtet, weiß man nicht ob man lachen oder weinen möchte. Das Drehbuch für diese überaus schwarze Komödie stammt von den Hauptdarstellern selbst, was man auch merkt. Mit so viel Hingabe wird den Figuren Leben eingehaucht. Jede Mimik, jede Gestik sitzt und erzählt mehr über das seltsame Denken dieser beiden Randfiguren. Gegen Ende verliert sich der Film etwas und verfällt der Ideenlosigkeit. Hier wäre ein neuer Ansatz oder eine Wendung für den Zuschauer angebracht gewesen und hätte das Seherlebnis verschönert. Das mag ein kleines Manko sein und wird durch den genialen Paukenschlag auch perfekt ausgebügelt.

Regie: Ben Wheatley
Darsteller: Steve Oram, Alice Lowe, Jonathan Aris
DVD-VÖ: 27. August 2013, Asco Elite Home Entertainment

httpvh://www.youtube.com/watch?v=9942uynbv80&feature=youtu.be

Tobias

Tobias ist 31, Schwabe aus Überzeugung, trägt aus Prinzip keine kurzen Hosen. Liebt Musik, Bücher, Filme und Schnitzel.

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