THE CLIMB – Filmkritik

The Climb © Prokino Filmverleih

The Climb Poster © Prokino Filmverleih
„I just want someone who wants to be with me“

(Kyle – The Climb)

Kyle (Kyle Marvin) und Mike (Michael Angelo Covino) sind seit Schulzeiten, obwohl sie charakterlich gesehen komplette Gegensätze sind, die besten Freunde. Kurz vor der Hochzeit Kyles verrät ihm Mike ein Geheimnis, das ihre Freundschaft auf die Probe stellt. Doch die beiden sind Freunde fürs Leben und finden über Jahre hinweg immer wieder zu einander, denn ohne einander wäre ihr Leben irgendwie trostlos.

Jeder Mensch hat diese eine Person in seinem Leben, die ihn sein Leben lang begleitet, vielleicht verliert man ab und an den Kontakt, doch ohne diese Person wäre das Leben einfach nicht vorstellbar. Und so zeigt uns The Climb anhand der Freundschaft von Kyle und Mike das auch komplett gegensätzliche Menschen, dennoch die engsten Vertrauten und wichtigsten Stützen im Leben voneinander sein können. Dass Kyle und Mike diese Art von enger Beziehung haben ist auf den ersten Blick zwar nicht ersichtlich, die Gegensätzlichkeit der zwei hingegen wird schon anhand der Kleidung der Protagonisten statuiert. Kyle trägt ausschließlich grüne und gelbe Farbe, während Mike immer in blau und rot zu sehen ist. Hier mag man vielleicht einiges hineininterpretieren, betont das Rot etwa die Energie oder das Temperament Mikes und steht das Blau als Komplementärfarbe zum Gelb, das Kyle stets trägt. Vor allem betont die farbliche Hervorhebung jedoch die Unterschiede in den Persönlichkeiten. Während Kyle der liebevolle und ruhige Typ ist, ist Mike so egoistisch und einnehmend, dass die Beziehung eher toxischer Natur zu sein scheint, zu Kosten von Kyle. Doch gerade diese Dynamik des Geben und Nehmens zwischen den Beiden versetzt nicht nur die zwei in fortlaufende Bewegung.

Die Geschichte um ihre Freundschaft ist in sieben Kapitel unterteilt und oft wird nicht ersichtlich wie viele Monate oder Jahre vergangen sind. Hier sind die Kapitel und deren Überschriften zwar keine besonders elegant Lösung, aber äußerst hilfreich sich als Zuschauer zu orientieren und zu konkludieren was in der Zwischenzeit passiert sein könnte und wie es nun wohl weitergehen wird. Dabei sind die immer wieder abstrusen musikalischen Einlagen am Anfang oder am Ende eines Kapitels, wie zum Beispiel eine Gospel singende Gruppe von Totengräbern oder ukrainische Volksmusikanten, die alle die vierte Wand durchbrechen, mal mehr mal weniger hilfreich. Doch auch dies vermittelt ein gewisses Gefühl von Absurdität und Irrationalität, die emotionale Bindungen wie Freundschaft in sich bergen. Neben den eher auffallenden musikalischen Darbietungen wird der Soundtrack hauptsächlich von Chansons dominiert und evoziert in Verbindung mit den ruhigen Kamerafahrten und markanten Plansequenzen die Vorstellung eines französischen Genrefilms. Teilweise bleibt der Fokus der Kamera auf der Umgebung und die Darsteller betreten die Szenerie wie eine Bühne oder verlassen diese ebenso. So wirkt es in der Gesamtkomposition wie ein modernes Theaterstück. Dabei sind die authentischen Dialoge zwischen den Hauptfiguren, unterstützt von der großartige Chemie der beiden Darsteller, ein weiteres qualitatives Merkmal. Gekonnt vermitteln ihre oft trockenhumoristischen Dialoge die teilweise misstönende Komik des Lebens. Denn so ungewiss wie das Leben manchmal spielen kann, so unbestimmbar ist auch der Weg, den man einschlägt. Da ist es umso erbaulicher und ermutigend zu wissen, dass man den Weg nicht alleine gehen muss.

Kyle und Mike zeigen uns, dass man nie wissen kann, was passiert und wie man sich in gewissen Lebenssituationen verhalten wird. Doch ist es wichtig, dass es immer Menschen gibt, die einen so lieben und akzeptieren wie man ist und das Beste aus einem herausholen ohne dies zu forcieren. Michael Angelo Covino hat dabei neben Hauptfigur Mike auch noch Regie geführt und gemeinsam mit seinem Co-Star Kyle Marvin auch das Drehbuch geschrieben. Bei einer so engen Kollaboration ist weniger überraschend, dass The Climb sehr einfühlsame, aber auch ungewöhnliche, Einblicke in die Höhen und Tiefen einer (Männer)Freundschaft gewährt. Ein Film für Fans von Indie-Produktionen, die beweisen, dass leidenschaftliche Filmschaffende auch mit wenig Budget, aber mit viel Herz und Kreativität echte Kunstwerke erschaffen können. Vielleicht nicht der klassische Film für einen dieser „Männerabende“, bei denen es im Kino noch ein „gratis“ Bier dazu gibt, aber vielleicht genau der Film, den man sich mit seinem wichtigsten Freund oder Freundin zusammen anschauen sollte.

The Climb (USA, 2019)
Regie: Michael Angelo Corvino
Darsteller: Kyle Marvin, Michael Angelo Corvino, Gayle Rankin, Talia Balsam
Kinostart: 20. August 2020, Prokino Filmverleih

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Helena Barth

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