HATCHING – Filmkritik


Foto-© Capelight Pictures

Ich kümmere mich um dich.

(Tinja – Hatching)

Tinja (Siiri Solalina) lebt in der absolut perfekten Insta Familie, in einem idyllischen finnischen Vorort mitten im Wald, in einem Haus, das vor rosa Rosen nur so überquillt. Gleich hinter der rosaroten Fassade ist die Idylle jedoch mehr als rissig. Denn sobald die Handykamera aus ist, wirkt ihre Mutter (Sophie Heikk) wie ausgewechselt und setzt sowohl Tinja als auch ihren kleinen Bruder Matias (Oiva Ollila) und ihren Vater (Jani Volanen) unter enormen Druck um die augenscheinliche Idylle am Laufen zu halten. Einem ihrer Ausraster fällt eine Krähe zum Opfer, die sich in das Haus verirrt und das Wohnzimmer durcheinandergebracht hat. Einem Ei eben jener Krähe nimmt sich Tinja in der folgenden Nacht an und beginnt es auszubrüten. Was sie dort ausbrütet, ist jedoch noch wesentlich weiter von einer Krähe entfernt, als die Familie von einer echten Idylle.

Das Setting von Hatching erinnert zunächst stark an den Tim Burton Klassiker Edward Scissorhands. Und wie in eben jenem wird auch hier das überspitzte Vorstadtleben karikiert, ob seiner Oberflächlichkeit vorgeführt und kritisiert. Jedoch nicht in Form eines bittersüßen, modernen Märchens, sondern eines zuweilen harten Bodyhorrors. Auch wird der Bogen enger gefasst und weniger die Vorstadt und Gesellschaft als Ganzes, denn ganz klar die prätentiöse Mutter und die zunehmend in ihren Gefühlen gespaltene Tochter thematisiert. Wobei der Film den Ton leider nicht immer perfekt trifft und sich bei alle der angebrachten Sozialkitik, doch manchmal in eher witzigen und wesentlich öfter sehr unappetitlichen Szenen verliert. Wer einen starken Magen hat, wird auf jeden Fall seinen Spaß mit dem Film haben. Die Creature Effekte sind gut bis sehr gut, ebenso wie die gezielt eingesetzten Gewaltspitzen. Wie bei Bodyhorror zu erwarten, ist die reine Gewalt jedoch nicht das Fordernde, sondern eher der Ekel. Besonders Menschen, die mit Erbrochenem ein Problem haben, sollten sich auf eine Härteprobe einstellen, aber wie sonst sollte man denn Jungvögel füttern.

Der Film ist nicht arm an Metaphern und wenn man sich auf diese einlassen mag, dann kann man tatsächlich einiges aus dem Film ziehen. Es bleibt aber das Gefühl, dass Regisseurin und Co-Autorin Hanna Bergholm den Film für etwas cleverer hält, als er dann am Ende ist. Das hält den Film sicher davon ab, einer der ganz großen Klassiker des Arthouse-Horrors zu werden. Als einfacher Horrorfilm mit einem recht unverbrauchten Setting und sehr guten, unverbrauchten und verstörenden Effekten funktioniert er aber sehr gut. Genrefans können und sollten also bedenkenlos reinschauen. Allen anderen wird bei reinen Arthouse-Vertretern wie Titane und Hereditary mehr Tiefgang geboten und sie werden sich bei Edward Scissorhands sicher wohler fühlen. Die einzigartige Abmischung von Bodyhorror mit ein wenig Tiefgang und Vorstadtidylle bekommen sie aber nur hier.

Hatching (FI SE 2022)
Regie: Hanna Bergholm
Besetzung: Siiri Solalina, Sophie Heikkilä, Jani Volanen, Reino Nordin, Oiva Ollila, Ida Määttänen
Kinostart: 28. Juli 2022, Capelight Pictures

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Malte Triesch

Malte wuchs im idyllischen Lilienthal, direkt an der Grenze zu Bremen, der schönsten Stadt im Norden Deutschlands, auf. Seine frühesten Film-Erinnerungen ist, auf dem Schulhof in der neusten TV Movie alles anzustreichen was gesehen und aufgenommen werden muss. Da die Auswahl an Horrorfilmen hier doch recht be- oder zumindest stark geschnitten war entdeckte er Videotheken für sich bzw. seine Mutter, da man diese ja erst ab 18 betreten durfte. Wenn er nicht gerade Filmreviews schreibt ist er wahrscheinlich im (Heim-)Kino oder vor dem Mikrophon für den OV Sneak Podcasts, SneakyMonday.

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