ANNENMAYKANTEREIT – Interview

Foto-© Martin Lamberty

Die Kölner Band AnnenMayKantereit hat am vergangenen Freitag ihr viertes Album Es ist Abend und wir sitzen bei mir veröffentlicht – als Gastgeberalbum ein absolutes Novum in der Pop-Kategorie, denn die Jungs haben sich entschieden, das Album mit ihren Freund*innen und Kolleg*innen im Studio aufzunehmen.

Das Ergebnis: Eine Sammlung von Liedern, die von Freundschaft, Liebe, Leben und allem dazwischen erzählen. Das Album wurde von Markus Ganter und Fabian Langer produziert und hat einen direkten und intimen Charme. Wir trafen Severin in Berlin zum Gespräch und erhielten einige Einblicke in diese etwas untypische Albumproduktion und die ein oder andere Geschichte hinter den Songs.

Ja wie fühlt sich das jetzt an, viertes Album? Ihr habt schon ein paar Alben vorher produziert. Ist es immer noch so eine gewisse Aufregung und Euphorie oder wird es mittlerweile schon zum Alltag?
Zum Alltag nicht. Also dafür sind vier Alben dann doch nicht so, dass man das jeden Tag macht. Aber ich würde sagen, das war eines der entspanntesten Alben, so emotional und von dem Entstehungsprozess. Das haben wir zum größten Teil letztes Jahr alles schon aufgenommen, im Sommer vor allem bei uns in Köln im Studio. Das heißt, wir waren auch irgendwie in einer sehr gewohnten, schönen Umgebung. Das allererste haben wir hier in Berlin aufgenommen in nem sehr bekannten Studio, wo wir einfach Live gespielt haben. Beim Zweiten waren wir dann in Spanien und so zwei Monate isoliert.

Aber auch schön in Spanien oder?
Ja auch schön, aber da hatte man gar keinen Einfluss von außen, sondern da waren wir nur untereinander mit unserem Team, die dann noch mitgeholfen haben, das aufzunehmen. Dann danach das Album 12, das war ja so ein Corona Ding, alle zu Hause, deswegen war es jetzt irgendwie für uns echt schön, was fast schon normales für uns zu machen. Einfach zu sagen, wir sind in unserem Studio in Köln, laden uns Freunde, Freundinnen ein, die mal vorbeikommen, die auch nicht unbedingt irgendwas mit Musik zu tun haben, sondern im besten Fall gar nichts. Mit denen man einfach über normale Dinge spricht oder über andere Dinge im Allgemeinen. Ja, das war ein ganz schöner Modus eigentlich und deshalb war es auch sehr intuitiv, also kam so dieses Album. Das war ganz fluffig irgendwie.

Aber das Album spricht ja auch schon eher so ernstere Themen an. Es ist so eine gewisse Melancholie in dem ganzen Album, die sich so durchzieht. Aber du sagst selbst, hey fluffig, also war es entspannter im Gegensatz zu den anderen Alben?
Ja doch genau, und das ist es für uns ja auch, also wenn man das dann mit dem Album davor vergleicht, wo es ja noch melancholischer war, auch einfach sehr der Stimmung geschuldet natürlich, die auch da geherrscht hat. Und das Album war nicht geplant, dieses 12 Album, das war ja einfach hier, Corona, ihr sitzt jetzt zu Hause und dann haben wir angefangen, Musik zu machen, von zu Hause aus. Und dann haben wir gedacht, jetzt haben wir so viel, jetzt können wir es auch einfach als Album rausbringen. Und da war jetzt kein klassischer Hit oder was auch immer dabei. Das war uns dann auch egal. Wir haben gesagt, das ist unsere Musik und cool. Und deshalb war es uns jetzt, glaube ich, bei dem Album schon einfacher, einfache Songs zu machen. Sowas, weil ich schon das Gefühl habe, dass wir da auch viel leichte Themen hatten, wie so ein Erdbeerkuchen Song, 3 Tage am Meer und sowas irgendwie ein bisschen befreiter war und weg von dieser Melancholie.

Der Titel Abend und wir sitzen bei mir, ist ja auch die erste Zeile von der Single Es ist Abend. Wie kam es dazu, dass das Album dann den Titel erhalten hat? Hat es auch damit zu tun, dass ihr eure Freunde eingeladen habt?
Ja, voll. Das hat sich, glaube ich, alles so ein bisschen bedingt. Ich glaube, wir hatten relativ früh den Song Es ist Abend schon als Skizze da, auch bevor wir dann im Studio waren, um es aufzunehmen. Also Anfang letzten Jahres, da weiß ich noch, war ich hier in meinem Studio in Berlin mit Henning zusammen und ich hatte so ein bisschen dieses Musikalische gebaut, ohne Gesang. Man hatte einfach so diesen Vibe. Henning kam noch mit Ideen an und dann haben wir das so zusammengefügt und er hatte dann diese Idee mit dieser Situation, man sitzt beisammen, ein bisschen zu beschreiben und dann passte das irgendwie alles gut zusammen. Der Vibe vom Musikalischem, vom Inhalt her, Chrisi hat dann auch noch so seinen Teil dazu gebracht und dann war das einer der ersten Songs, der schon konkret irgendwie da war. Der Grundstein so, weil man brauch ja dann für so ein Album schon so eine Idee, wo soll’s hingehen und auch gar nicht so, um sich auf irgendwas festzulegen, aber das war dann irgendwie ein schönes Thema, was man so hatte. Man saß jetzt wenig zusammen die letzten zwei Jahre, da freuen wir uns einfach wieder drauf und dadurch haben wir dann auch in Köln einen Proberaum gewählt, weil wie gesagt, wir haben Lust, dass Leute um uns rum sind, dass wir irgendwie diese Situation jetzt auch wieder ausnutzen. In dem Sommer haben wir auch wieder viele Festivals gespielt, also waren viel unterwegs, dann im Studio mit vielen Leuten zusammen. Dann gab es diesen Song, Es ist Abend – und wir sitzen bei mir. So war dann die Textzeile und dann haben wir gedacht, die passt irgendwie dann auch zu dem Album, weil wir saßen viel beisammen, den Song gab’s und so hat sich das alles ein wenig gegenseitig beeinflusst und dann war auf einmal die Idee da, dass wäre doch ein schöner Albumtitel und gibt dem Album auch einen schönen Rahmen.

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Das ist interessant. Also zu dem Song Es ist Abend, wir haben ja gerade gesagt, der handelt ja davon, dass man mit Freunden zusammensitzt, einen schönen Abend zusammen hat. Der Text beschreibt ja auch genau das. Die Melodie aber ist sehr, ich würde nicht sagen traurig, aber schon eher gediegen, auch so ein bisschen melancholisch. Wie kam das, dass der Text und Melodie da so sehr unterschiedlich sind?
Das kam eigentlich so ein bisschen, weil die Musik da war und wir das so ein bisschen gefühlt haben, wie so Musik, die man hört, wenn man abends zusammensitzt. Und das hat für uns ganz gut zusammengepasst in dem Bild, von man sitzt in irgendeiner Küche zusammen, trinkt, raucht und es ist so eine Stimmung, man diskutiert über ganz viel, und da läuft ja meistens Musik, die jetzt nicht mega laut, aber auch nicht zu langweilig ist und so ein bisschen die Stimmung so anpasst. Was haben wir denn da so oft gehört, auch so Arlo Parks und so Sachen, die auch eher rhythmisch und melodisch sind, aber nicht zu sehr auf die Fresse.

Wie war das denn so während der Aufnahmen, als ihr eure Freunde da hattet? Wenn man die engsten Leute so um sich rum hat, entsteht da auch eine gewisse Erwartungshaltung von beiden Seiten oder ist es gar nicht so?
Ne das ist genau das, dass das wenig da ist, weil es so die engen Leute sind, für die das ja auch völlig normal ist, weil die schon ganz oft da waren. Entweder im Proberaum oder auf Konzerten und uns irgendwie seit der Schule kennen, die sind super ehrlich, das ist eine Kritik, die kriegst du von wenigen Leuten, weil sonst viele dann doch auch so sind, ja das ist alles super. Aber wenn du da einen guten Freund oder eine gute Freundin vor dir sitzen hast und die sagt: ‘finde ich langweilig’, dann weißt du, das ist ehrlich, das ist auch so gemeint, aber es kann dir ja auch manchmal egal sein.

Das wäre jetzt meine nächste Frage gewesen, wie kommt das dann bei euch an?
Ja beides! Manchmal denkt man sich dann auch ‘Scheiße, stimmt, das ist alles total langweilig’ oder man denkt, bzw. kann sich dann bei so einer Person denken, ‘ja auch egal, die muss das jetzt nicht direkt feiern’. Darum geht es ja dann auch gar nicht. Genauso, wie man dann da sitzt und mit irgendwem nach der Aufnahme über Biochemie redet, weil das irgendwie von der Person das Thema ist, da frag ich ja dann genauso blöde Fragen. Das nimmt so ein bisschen auch diese Spannung raus, die man normalerweise in so einer Bubble hat, wo man Musik macht und so. Das ist ja auch total schön, aber das hat uns, glaube ich, ganz gut getan, dass da auch mal was anderes stattgefunden hat und man sich da jetzt nicht in kleinen Details verliert oder so.

Ja, cool, also ich komme ja ursprünglich auch nicht aus Berlin und ich merke das auch immer, wenn man seine Leute aus der Heimat dann noch mal um sich hat, die kennen einen halt auch einfach. Da muss man nicht viel sagen, man hat so einen Blick und dann weiß man Bescheid.
Ja voll und deshalb war das für uns auch ein ganz schöner, ja ganz guter Rahmen, damit Aufzunehmen. Es war Sommer, wir waren viel draußen. Vor unserem Proberaum ist ganz viel Platz draußen, wo man sich auch bisschen bewegen kann, auch ein bisschen Basketball spielen. Einfach, dass man dann auch aus diesem konzentrierten Arbeitsmodus raus kommt. Man hat gerade was eingespielt und dann geht man raus und sitzt nicht draußen allein und zerbricht sich den Kopf, war das gut genug, sondern man hat dann kurz Ablenkung und kommt dann wieder rein und hört den Song dann nochmal neu und anders auch, das war dann echt nochmal eine ganz schöne Atmosphäre.

Wir haben es jetzt schon öfter gesagt. Ihr habt ja mehr oder weniger den ganzen Sommer dort zusammen verbracht. Ich habe im Pressetext gelesen, dass Henning sich da auch mehr oder weniger eingenistet hat ins Studio. Wie war das so? Gut, du hast jetzt gesagt, ihr wart für das Album in Spanien ja auch schon mal zwei Monate komplett zusammen, aber wie beeinflusst das eure Gruppendynamik, wenn man so viel aufeinander hängt und auch allgemein den kreativen Austausch, wie ist diese Atmosphäre dann?
Ähm, auf jeden Fall sehr intensiv, aber wir machen jetzt seit zehn Jahren schon diese Band zusammen. Das ist schon echt eine Zeit, aber wir haben ja immer wieder diese Phasen, wo wir einfach sehr viel aufeinander hängen, ob das auf Tour ist, da bist du ja dann wirklich 24 Stunden aufeinander und pennst sogar übereinander im Bus und so, da ist ja wirklich null Privatsphäre. Und der kreative Austausch zwischen uns hat sich natürlich auch verändert in der Zeit, was auch total schön ist, dass das möglich ist, damit auch musikalisch irgendwie neue Sachen entstehen können.
Momentan ist es so, dass wir, da wir jetzt auch gar nicht mehr alle in einer Stadt wohnen und nicht mehr diese Situation haben, in der wir immer, wenn wir zusammen sind Musik schreiben müssen oder machen wollen, so an einem Ort und zusammen irgendwie spielen, was früher eher der Fall war. Das ist jetzt eher die Freiheit, weil wir uns alle drei auch so entwickelt haben, dass wir auch alleine arbeiten können musikalisch und das dann zusammenführen. Das macht total Spaß, dass wenn wir uns dann sehen, dann sprudelt sehr viel, weil jeder auch schon Ideen mitbringt und dann passiert sehr schnell sehr viel.


Vor allem jetzt auch nach Corona und das letzte Album wurde ja so mehr oder weniger alleine zusammen aufgenommen. Deswegen, war’s ja jetzt wahrscheinlich nochmal viel schöner in der Gruppe wieder.

Genau, schön war es dann auch an einem Ort zu sein, wieder Sachen spielen zu können, aber auch Songs am Computer entstehen zu lassen. Das war dann bei Es ist Abend zum Beispiel oder Lass es kreisen, das waren eher Songs, die haben wir nicht gleichzeitig gespielt und aufgenommen, sondern die sind eher so Stück für Stück entstanden. Bei Lass es kreisen da habe ich hier in einem Studio angefangen Instrumentals zu bauen und dann kamen immer wieder neue Sachen dazu. Dann haben wir im Studio noch mal mehr dazu aufgenommen, aber wir haben diesen Song nie gleichzeitig gespielt, so wie andere Songs. Katharina zum Beispiel haben wir klassisch eingezählt, fünf Mal gespielt, die beste Situation, den besten Take genommen. Das wir mittlerweile dann auch so verschiedene Ansätze haben, so Songs zusammen zu basteln oder Henning kommt mit dem Song ganz alleine, spielt am Klavier und der ist perfekt, also muss man nicht, kann man nicht noch irgendwas drauf setzen. Das schwierige ist manchmal daran, dass man dann so denkt okay, was macht man jetzt mit dem Song aber dann so merkt, nix mehr, der ist fertig, was muss man da jetzt noch eine Gitarre drauf setzen, wenn das Klavier und Gesang schon perfekt sind und bei mir so viel auslöst, da muss ich jetzt nicht noch irgendwas drauf setzen, nur damit ich da mit drauf bin, weißt du? Und das macht dann irgendwie total Spaß und das war bei dem Album jetzt auch total schön, weil so viel dann doch irgendwie anders entstanden ist und man während dem Prozess auch öfter Angst hat, oh Gott, das wird am Ende alles ein bisschen zerfahren klingen, weil der Song ist so, der Song ist so, aber das hatte ich bei den anderen Alben vorher auch schon immer und dann, wenn es dann fertig ist, dann passt dann doch wieder alles zusammen. Im Endeffekt sind wir ja dann auch nur wir drei, die diese Musik machen und dann kommt schon was raus, was auch so ähnlich ist.

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3 Tage am Meer war ja jetzt auch die erste Single, die rausgebracht wurde, vor dem Album. Warum habt ihr gerade die Single als ersten Eindruck gewählt? Also was wolltet ihr mit dieser Single bei den Fans bewirken?
Ähm, ich glaube weil’s ein relativ leichter Song ist, gerade auch nach dem 12 Album und das war für uns irgendwie ganz schön so ein Song als Eröffnung und “hier kommt bald wieder ein Album” mäßig zu nehmen. Gerade nach so ner Corona Zeit, auch dieses ‘man kann wieder unbeschwert irgendwie einfach wo hinfahren’. Das hat sich auch bei sehr vielen Menschen, glaube ich auch so eingespielt, dass man sehr viel im Kopf war, was man über die Zeit gemacht hat. Viele haben sehr viel gearbeitet wieder, weil viel möglich war und so. Dann kam von vielen Seiten, ich muss mal wieder hier raus und mir werden Sachen zu viel und da ist ja auch mittlerweile viel mehr Raum nach außen hin über Themen wie Mental Health und sowas zu sprechen.
Das soll jetzt in dem Song nicht primär behandelt werden als Thema, aber dass einfach mal rauszukommen, auch mal ganz gut tut, auch im Kleinen. Das muss ja jetzt nicht die Pauschalreise nach Mallorca sein. Das kann ja auch mal hier sein, außerhalb, an die See zu fahren oder so. Man muss sich sein eigenes Meer suchen oder einfach aufs Tempelhofer Feld gehen, das fühlt sich an wie Meer, obwohl da kein Wasser ist hast du halt die große Weite. Wo kann man in Berlin schon so weit gucken, das ist schon fast bis zum Horizont. Ja deswegen war das für uns dann so ganz schön, den Song als erstes zu wählen, auch als Eröffnung.

Das Video dazu habe ich mir angeguckt und das ist ja wirklich so im DIY Style entstanden. Also viel mit Handy aus Selfie-Perspektive. Wie kam die Idee, das so persönlich zu gestalten?
Eigentlich relativ einfach, weil wir bei Ausgehen, bei dem Song, der ja auch schon vor Corona rauskam und jetzt auch mit auf dem Album ist, ein ganz ähnliches Video gemacht haben. Und wir sonst Videos machen, in denen wir wirklich was live spielen und dann filmen, aber wir jetzt auch mal Lust hatten ein Musikvideo zu machen sozusagen.

Also mal selbst in die Rolle des Producers zu treten mehr oder weniger?
Ja oder kein, zumindest kein Video zu machen, wo wir Livemusik spielen. Das haben wir schon so oft gemacht und das ist auch toll, aber wir wollten jetzt mal was anderes machen. Und da hatten wir jetzt auch bei uns nicht gesehen, dass das jetzt eine 100.000 € Produktion wird, wo irgendwie eine Story erzählt wird und so, was glaube ich zu anderen Künstler*innen ganz gut passt, also wenn das dann so groß produzierte Videos sind. Wir haben uns eher gesagt, dann holen wir unsere Handys und was eh der Modus ist auf allen Plattformen mittlerweile und filmen da ein kleines Video zu. Ist ja auch irgendwie schöner und hat dann auch total Spaß gemacht, sich das und eine kleine Story zu überlegen, so, was ist der rote Faden bei diesem Video?
Dann ist das halt auch super einfach, weil wir dann sagen okay, machen wir, bis Donnerstag schickt jeder das Material, was er aufnimmt. Man kann so selbst kreativ sein und ich bin dann in den Supermarkt und hab mich da gefilmt. Chrisi war unterwegs spazieren, hat sich dabei gefilmt und das war auch echt interessant, wie so ein kleines Schulprojekt fast schon. Dann auch am Ende zu sehen, was die anderen gemacht haben und dann haben wir das Lenny und Martin geschickt, die bei uns alles an Video und Foto machen. Die haben uns das Ganze dann zusammengebaut und fertig war’s.

Wie ist es so, wenn man sich dann in der Öffentlichkeit selbst filmt? Also wenn du jetzt selbst so durch die Gegend läufst mit einem Handy, so ein bisschen auf Influencer, wie fühlt sich das so an? Sind da viele Leute, die starren oder ist es eher so ‘Ey, I don’t care’.
Bei dem Video, also ich muss sagen, ich mache das tatsächlich relativ selten und mir ist es auch sehr unangenehm, aber da habe ich es tatsächlich auch so hinbekommen, dass man es eigentlich kaum gesehen hat. Im Supermarkt hab ich das Handy einfach vorne zwischen die Einkäufe gestellt und bin so ein bisschen Musik hörend durch den Supermarkt, der auch sehr leer war. Aber ja, ich weiß voll, was du meinst, so dieses: ‘Hey Leute was geht…’, das finde ich auch eher unangenehm. Macht man manchmal auch auf Konzerten, klar, also wenn man dann Backstage ist, weil man auch Material zeigen will und so. Aber da sind wir jetzt auch wirklich nicht die Band, die jeden Morgen ‘Hallo und hier, das esse ich jetzt mal hier im Cafe’, das läuft bei uns zum Glück ja sehr viel eher über die Musik.

Wir hatten es gerade eben schon mal von ‘Ausgehen’ und auch der Song Tommi, die sind ja schon 2019/2020 released worden. Wie kam das, dass die jetzt nochmal mit auf dem Album gelandet sind?
Die wollten wir einfach mit aufs Album nehmen. Wir haben gedacht, das sind so Songs, die so wichtig für uns geworden sind, jetzt, nachdem wir die rausgebracht haben, weil die beide ja sehr gut angekommen sind auch.

Vor allem Tommi ist ja auch sehr persönlich….
Voll und auch so unterschiedliche Songs, die Single Ausgehen, das war ja auch eher so was produziertes. Da habe ich dann angefangen zu produzieren, einfach so die Musik dazu. Chrisi hat die Akkorde gespielt, da habe ich dann noch dran rumgebastelt. Dann kam Henning und hatte direkt seine Ideen dazu, darüber zu singen. Dagegen war Tommi ja wirklich so ein ganz kleines Klavierding und beide Songs haben so ihre eigene Dynamik aufgenommen. Tommi, der uns natürlich vor allem auch irgendwie mit Köln noch mehr verbunden hat. Deshalb auf beiden Seiten, weil beide Songs so wichtig für uns waren, dass wir die einfach mit drauf haben wollten.
Und die sollten auch einfach auf ne Platte, also es sollte die Möglichkeit geben, die auch auf ner Vinyl zu haben. Eigentlich war es auch so ein bisschen der Plan vor Corona, wo Tommi und Ausgehen, ja schon veröffentlicht wurden, das so zu machen. Wir hatten vor, uns an das nächste Album zu setzen, wo die mit drauf sollten. Dann kam aber Corona und wir haben ein ganz anderes Album gemacht, dann war’s halt 12 und leider konnten wir zu dieser Corona Zeit nicht so ein Happy Album machen, wie wir es jetzt gemacht haben. Auch weil wir es zu dem Zeitpunkt überhaupt nicht so gefühlt haben. Dann haben wir ja 12 ganz einfach so über Nacht veröffentlicht und gesagt ‘so machen wir’s’ und das macht auch Spaß, weil wir alles selber machen. Wir haben ja unser Label selber und Management machen wir alles selber, mit unserem Team. Es ist dann schon auch ganz schön, dass man dann alle Freiheiten hat und sich überlegen kann ‘so machen wir es’ und ‘so halt nicht’.

Mal ne andere Frage, du baust ja auch die Beats für die Band und ich habe dich da auch so ein bisschen über Insta verfolgt mit deinen Loops etc. Woher nimmst du deine Inspiration? Wie kommst du auf die ganzen neuen Ideen? Woher kommt der Einfluss?
Puh. Das ist der tägliche Kampf mit sich selbst, glaube ich. Also ich glaube, einfach viel machen und ausprobieren, ich hab da jetzt nicht so die Geheimwaffe. Man sollte den Spaß daran nicht verlieren oder auch mal durchhalten, wenn es keinen Spaß macht. Klar sieht das dann immer so einfach aus, das sprudelt so raus oder wenn man das dann so bei Instagram macht. Es sind auch die Momente, wo man wirklich sitzt, super schlecht gelaunt ist, nichts kommt aus einem raus und dann denkt man, ‘was mache ich hier eigentlich?’ Ich hab gar keine Ideen, ich komme überhaupt nicht weiter und dann ist es auch gut zu sagen, jetzt fahre ich nach Hause und mach was ganz anderes. Aber manchmal ist es auch gut zu sagen, ich versuche es nochmal eine Stunde, wenn es dann nicht klappt dann auch ok. Manchmal passiert genau dann in der Zeit was und man kriegt noch was raus. Manchmal ist es natürlich auch, ja, man fährt ins Studio und sprudelt vor Ideen und macht was und in einer Stunde ist schon so was fertig und es hat sich angefühlt, als wäre es aus einem plötzlich rausgesprudelt und die Tage, Wochen davor, die man sich abgemüht hat und geübt hat und gespielt hat, die zählt man ja dann emotional gefühlt in dem Moment nicht so da rein, aber die gehören natürlich auch dazu. Nur durch dieses viele Machen, Üben, diese Momente, die man so hat – und das ist ja bei uns allen drei glaub ich so – da sind wir sehr froh, dass diese Energie des Weitermachens, dieser Antrieb noch nicht weg ist. Ich bin fast jeden Tag im Studio und klar habe ich manchmal die Momente, dass man da hinfährt und denkt cool, ich bin der Coolste, ich mache jetzt Musik und dann fährst du nach Hause und denkst es gibt 1 Millionen Menschen, die bessere Sachen machen und man fährt so ein bisschen schlecht gelaunt nach Hause.

Aber das ist super relatable und auch schön, dass du das auch teilst, weil ich glaube, so geht es super vielen Menschen in allen möglichen Bereichen.
Auf jeden Fall, voll. Das ist ja dieses klassische Hochstapler-Syndrom. Dass man so denkt, warum ich, jetzt hier? Hoffentlich fällt es nie auf, dass ich das hier mache, obwohl ich das gar nicht so richtig kann. Das ist auch witzig, weil ich jetzt auch hier sehr viele Sessions mit anderen Musiker*innen gemacht habe und das meist auch total der Fall war, dass man mit wem ganz anders Musik zusammen macht und sich erst mal zum Kaffee trinken trifft und ein bisschen kennenlernen zum Quatschen etc. verabredet und es wirklich bei 100 % der Menschen auch so ist, mit diesen Gedanken.
Und klar präsentiert man am Ende nur das, was dann bei rauskommt, was dann Leuten gefällt und man bewirbt das. Aber der Kreativ-Prozess dahin, der ist auf jeden Fall anders, ja. Das macht auch jeder und jede unterschiedlich, aber ich glaube vom Kern her ist auch vieles einfach selbst Struggle und sich selbst kennen auch. Ich mag das total gerne an dieser Kreativarbeit, dass man da sich auch selber immer wieder reflektiert. Ja, man muss sich mit sich befassen, weil wenn ich schlecht gelaunt bin, dann kann ich auch Musik machen, dann mache ich andere Musik, als wenn ich gut gelaunt bin, aber das muss man ja auch irgendwie checken und gucken, was tut mir jetzt gut so in meiner Kreativität.

Das passt ja vom Themengebiet her auch super zu der Single Katharina, mein Fav auf dem Album muss ich sagen. Gibt es wirklich eine Katharina? Oder welche Story versteckt sich dort?
Ähm ja, also wir haben ja schon viele Songs mit Personennamen, sozusagen. Marie, Tommi, Jenny, das macht Henning auch ganz gerne so als Text Stilmittel, weil man es irgendwie auch sehr gut auf den eigenen Umkreis beziehen kann, wenn die Person, um die es geht, einen Namen hat. Das muss nicht heißen, dass es die Person wirklich gibt und das ist bei jedem Song auch unterschiedlich, aber das lassen wir glaube ich auch gerne mal schön offen.

Okay, dann auch noch mal, wenn wir es gerade von persönlichen Themen haben, zu dem Song Orangenlied. Das ist ja jetzt das zweite Mal, dass Henning über seinen Vater geschrieben hat. Wie kam es jetzt dazu, dass auf dem Album wieder ein Song über seinem Vater gelandet ist? Warum nicht schon vorher, was hat ihn dazu verleitet?
Das ist ja wie bei allen Songs, warum wird jetzt, also genau jetzt grade das Thema behandelt? Das ist glaube ich, wenn es einfach da ist und eine Situation das hergibt oder eine Songidee es hergibt oder ein Ereignis es hergibt, dass da irgendwas passiert. Das war bei ihm glaube ich einfach an der Zeit, dass da drüber noch mal ein Song entsteht.

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Ja schön und das Album kommt ja am 03.03. raus. Habt ihr das Datum bewusst gewählt, auch weil Schnapszahl?
Joa doch schon, es passte ganz gut in die Zeit. Also man rechnet ja dann wirklich Monate vorher schon, wann ist es möglich, ein Album rauszubringen? Dadurch, dass wir auch so viel selber machen, abseits der Musik, vom Management bis zum Label und alles. Da müssen wir uns natürlich auch immer sehr einteilen, dass wir zum Beispiel jetzt bei dem Album gesagt haben, wir müssen oder wir wollen auf jeden Fall erst das Album fertig machen, also Musiker sein und wenn das fertig ist, komplett fertig, danach überlegen wir uns den Rest. Das hat ganz gut funktioniert, deswegen waren wir letztes Jahr mit dem Album schon fertig und dann setzt man sich hin und überlegt okay, jetzt sind die Master da, jetzt braucht das ein paar Monate, bis das Vinyl gepresst ist, zum Beispiel. Dann war irgendwann ja März, so ungefähr und dann 03.03., klingt cool, ist auch ein super schönes Datum und wir beenden die Saison sozusagen mit dem Konzert in Köln am 09.09. Da ist dann die nächste Schnapszahl da und das war natürlich dann jetzt irgendwie witzig, dass es so gepasst hat. Aber jetzt nicht der Ausschlag, dass wir gesagt haben, unbedingt am 03.03., weil das das Datum ist, sondern weil es einfach zeitlich cool reingepasst hat, auch für uns, auch mit Tour und allem.

Speaking of Tour. Damit würde ich das Interview nämlich abschließen. Wie sieht es jetzt nach den Pandemiejahren aus, ihr konntet ja letztes Jahr im Sommer schon wieder mehr Festivals spielen, aber jetzt kommt ja auch wirklich wieder die Zeit, wo man wieder Konzerte spielen kann. Wie hat sich das bei euch so verändert? Schätzt man das jetzt noch mehr, als man es vorher schon geschätzt hat?
Klar. Da ist natürlich ein ganz anderes Gefühl da, wenn man einmal weiß, dass das nicht gesetzt ist, dass das einfach immer so easy funktioniert. Natürlich, für die ganze Branche und für alle. Für alle, die mit uns unterwegs sind, war das jetzt natürlich letztes Jahr auch wieder krass zu spielen. Und Festivals zu spielen und jetzt wieder auf eine Tour zu gehen, so wie wir eigentlich aufgehört haben zu touren. Das ist für uns auf jeden Fall total besonders und wir haben jetzt auch unsere Liveshow sehr umgebaut, also mit ganz viel mehr Musiker*innen auf der Bühne. Das ist total schön, auch viele Songs noch mal ein bisschen umarrangiert, dass die mit einem kleinen Orchester funktionieren.

Also kommt dann wirklich auch so ein kleines Orchester?
Ja auf jeden Fall!

Ich finde, so was bringt schon noch mal, wie auch ein Chor, so ein Empowerment auch.
Ja genau! Das hatten wir jetzt für letztes Jahr auch schon mit auf Tour und da haben wir Ferdinand Schwarz, der bei uns viel mit Trompete spielt, gefragt, ob er nicht so ein paar Arrangements schreiben könnte für ein paar Songs für ein Orchester. Obwohl Orchester ist jetzt vielleicht ein bisschen übertrieben, ist eher so eine Art Big Band Style, aber auch Streicher. Somit sind wir dann insgesamt zwölf auf der Bühne und da hatten wir einfach auch Lust, auch noch mal so ein bisschen zu upgraden. Und das macht uns total Spaß, wenn so eine schöne Dramaturgie auf einmal möglich ist von wir sind zwölf Menschen auf der Bühne hin zu wir spielen zu dritt um einen kleinen Tisch nen ganz reduzierten Song und dadurch kriegt so ein Konzert auch noch mal eine ganz anderes Standing. Auch schön, dass man andere Menschen auf der Bühne hat als nur drei Jungs, sondern auch irgendwie viel Mädels und so, dass da auch mehr Präsenz da ist.

Cool, dass ihr da auch, sag ich mal, so ein bisschen drauf achtet. Weil das ist ja gerade auch in der Musikszene oder Medienbranche allgemein, schwierig – deswegen top!
Ja auf jeden Fall, da freuen wir uns jetzt auf im Herbst, bzw. im April geht es schon los. Erstmal auf Hallentour und dann spielen wir im Sommer noch unsere Open Airs hier in Berlin und Köln und dann, ja Köln ist dann das allerletzte Heimkonzert.

..so zum Abschluss noch mal in die Heimat…
Genau, da im Stadion, das wird natürlich absolut Wahnsinn. Das ist auf jeden Fall das Größte, was wir je gespielt haben, so als Einzelkonzert.

Wie ist das so, wenn man dann auf der Bühne ist und man hat diese rießen Menschenmasse vor sich, wie fühlt man sich da?
Es ist schon auch einfach Gewöhnungssache. Also ich glaube, für jemanden, der das noch nie gemacht hat, wäre das schon krass und auch völlig absurd, dann da auch noch konzentriert irgendwas zu machen. Da haben wir für uns auch immer gesagt, wir wollen uns das auch Stück für Stück erspielen und nie irgendwie einen zu großen Sprung machen, von man spielt vor 200 Leuten und dann spielt man plötzlich vor 4000, sondern immer ein bisschen größer werden, damit man auch die Erfahrungen und damit man auch überhaupt so ein Konzert der Bühnengröße immer Stück für Stück anpassen kann. Das, was wir dann jetzt in den großen Hallen spielen, das wäre ja ohne die ganze Vorarbeit, sage ich mal, nie so, dass man sich da wohl mitfühlt und auch denkt, das kann jetzt so eine Halle füllen und wird nicht total fehl am Platz sein.
Das macht aber dann Spaß und dann hat man natürlich so eine gewisse Routine auf der Bühne, aber ist schon auch noch aufregend. Letztes Jahr haben wir noch kurz vor Weihnachten in Köln zwei große Konzerte gespielt und da mit dem Tour-Set-Up, wie wir jetzt auch auf Tour gehen, weil wir haben jetzt so einen Vorhang vor der Bühne, also wir sitzen schon auf der Bühne und fangen an und dann geht der Vorhang auf. Da war es auch wirklich so, du sitzt dann hinter dem Vorhang und weißt, diese Halle ist vor einem mit den ganzen Leuten und das Licht geht aus und es wird laut und dann geht dieser Vorhang auf. Da sind wir, glaube ich, schon doch auch noch krass nervös dann jedes Mal.

Dann meine letzte Frage, welche Gäste können wir denn erwarten mit auf Tour? Kommt jemand mit? Trefft ihr wen Unterwegs? Kommen Leute spontan?
Wenn, dann spontan! Das halten wir generell immer sehr spontan, weil wir jetzt auch, wie gesagt, schon viele Menschen auf der Bühne sind. Aber Gäste haben wir immer gerne. Das ist wahrscheinlich nicht auszuschließen, dass mal jemand vorbeikommen wird, aber verraten will ich noch nichts, so ein bisschen Überraschung muss ja sein.

AnnenMayKantereit Tour:
17.03.23 Lingen, Emslandarena (Zusatzshow) (Ausverkauft)
18.03.23 Lingen, Emslandarena (Ausverkauft)
24.03.23 Frankfurt, Festhalle (Ausverkauft)
30.03.23 Nürnberg, ARENA Nürnberger Versicherungen (Ausverkauft)
31.03.23 Erfurt, Messe (Ausverkauft)
01.04.23 Rostock, Stadthalle (Ausverkauft)
13.04.23 München, Olympiahalle (Zusatzshow) (Ausverkauft)
14.04.23 München, Olympiahalle
12.08.23 Stuttgart, Cannstatter Wasen
18.08.23 Berlin, Parkbühne Wuhlheide (Zusatzshow)
19.08.23 Berlin, Parkbühne Wuhlheide (Ausverkauft)
25.08.23 Hamburg, Trabrennbahn Bahrenfeld (Ausverkauft)
26.08.23 Hannover, EXPO Plaza
27.08.23 Losheim am See, Strandbad
01.09.23 Dresden, Festwiese Rinne
09.09.23 Köln, RheinEnergieStadion (Ausverkauft)

YouTube video

Helen Buttermann

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