ROSEMARY & GARLIC – A Room Of One’s Own

New York high life
New York summer

Here are the fashion queens
And their skin routines
And their eyes on me

And who am I?
I came to chase something all my life
Somehow promising
But I sail away sometimes
Save me now

(Rosemary & Garlic – Their Eyes on Me)

Akustischer Indie-Folk ist ein weites, ziemlich unübersichtliches Feld geworden. In aller Welt greifen sensible Männer und Frauen zur Gitarre oder klimpern am Klavier, um andere Menschen an ihren Gefühlen und Erfahrungen teilhaben zu lassen. Soweit die etwas spöttische Sicht auf einen Boom, der auch nach dem gefühlten Ende einer zur kreativen Häus- und Innerlichkeit zwingenden Pandemie wohl noch lange nicht vorbei ist. Zum Glück gibt es aber immer wieder Künstler*innen, die aus der Indie-Folk-Masse herausragen – womit wir bei der Niederländerin Anne van den Hoogen und ihrem Projekt Rosemary & Garlic wären.

Wie die britische Genre-Galionsfigur Laura Marling oder zuletzt die Norwegerin Inger Nordvik und die Isländerin Emiliana Torrini mit schönen neuen Alben, bietet van den Hoogens Songwriting genügend Anreize, um sich mit ihren verspielten Folkpop-Liedern intensiver zu befassen. Das zweite Album unter dem appetitanregenden Alias-Namen Rosemary & Garlic (Rosmarin und Knoblauch) bestätigt den Erfolg des noch als Duo mit Dolf Smolenaers eingespielten selbstbetitelten Debüts von 2018. Die Arrangements sind wieder hauchzarte Übungen in purem Wohlklang, die Produktion polstert die elf Tracks (darunter zwei atmosphärische Interludes) mit feierlichen Streichern und Bläsern zu bildhübschen Kammerfolk-Kleinoden aus. Und van den Hoogens Gesang ist von fast himmlischer Beseeltheit.

Den Albumtitel lieh sich die belesene Musikerin von Virginia Woolf, die 1929 das Essay A Room of One’s Own geschrieben hatte – um deutlich zu machen, dass eine Frau Raum für sich selbst zum Schreiben brauche. Auch Anne van den Hoogen, so ihr Label, habe beim Neustart “zum ersten Mal einen ruhigen Platz, einen Raum für sich allein” zum Arbeiten gehabt. Ihr früherer Duo-Partner Smolenaers stand diesmal als Co-Produzent eher an der Seitenlinie. “Musik dreht sich darum, sich Zeit zu nehmen und zu reflektieren, oder anzuhalten und im Moment zu sein”, sagt die Sängerin über ihr neues Album. “Es geht nicht darum, dass die Geschichten über mich sind oder eine einzige Bedeutung haben, sie sind offen für Interpretation, wie ein Gedicht.”

Bei ihrem Studium der Literatur und Philosophie habe sie gelernt, “viel zu observieren und in die Wahrnehmung der Menschen abzutauchen. Das ist immer noch etwas, was mich fasziniert, und etwas, das man in meinen Texten wiederfinden kann.” Besonders berührend gelingt Anne van den Hoogen dies im melancholischen Abschiedssong Television für ihre Großmutter und im introspektiven Their Eyes On Me, das den Druck der Musikindustrie und eigene Ansprüche behandelt. Insgesamt hat das Indie-Folk-Projekt Rosemary & Garlic mit dem zweiten Album A Room Of One’s Own eine höhere Entwicklungsstufe erklommen, man kann höchstens eine gewisse Süßlichkeit kritisieren. Aber schön ist’s halt schon…

Rosemary & Garlic – A Room Of One’s Own
VÖ: 17. März 2023, Nettwerk Music (digital und Vinyl)
www.rosemaryandgarlic.com
www.facebook.com/rosemaryandgarlic

YouTube video

Werner Herpell

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