JEREMIAS – Interview

Foto-© Lucio Vignolo

Bei der Band JEREMIAS läuft es seit Beginn – 2019 tauchte sie mit einer EP erstmals auf der Bildfläche auf – zwei Jahre, Support-Touren für Giant Rooks oder OK Kid, eine weitere EP und komplett ausverkaufte eigene Touren später, steigt das Debütalbum golden hour 2021 auf Platz #9 in den deutschen Album-Charts ein. Der Altersdurchschnitt der Band liegt damals bei gerade mal 22. Aber auf dem Geschafften ausruhen ist nicht – die Band arbeitet weiter beständig an der eigenen Geschichte, nimmt einen Song mit Provinz und MAJAN auf, verkauft das erste eigene Open Air mit 4000 Tickets in Potsdam aus, ist im Vorprogramm von Cro zu sehen und veröffentlicht weiter regelmäßig neue Songs. Die Band wächst stetig weiter vor den Augen ihrer Fans, die sie mit unkrampfiger Intimität und poetischem Street-Flow abholen. Beim Zuhören verliert man sich in der persönlichen Welt der Band, findet dort die eigenen inneren Unruhen widergespiegelt und verspürt sofort den Wunsch, ganz schnell auch ein Teil davon zu werden.

Und dieses Jahr stimmt das natürlich umso mehr, ist doch Anfang September das neue Album Von Wind und Anonymität erschienen – kurz bevor es auf große, fast komplett ausverkaufte Deutschland-Tour ging. Wir trafen Jeremias und Oliver von der Band vorab zum Gespräch!

Wir durften vorab schon einmal in euer neues Album rein hören. Es ist wunderbar. Erst einmal herzlichen Glückwunsch!
Jeremias: Danke schön. Das freut uns sehr.

Wollt ihr unseren Lesern etwas vom Enstehungsprozess erzählen?
Jeremias: Sehr gerne. Das Album erzählt von unseren letzten zwei Jahren. Wir waren am Anfang in der Findung ein wenig orientierungslos bis wir dann irgendwann festgestellt haben, dass es unser Weg ist alles zuzulassen, jeder Idee nachzugehen. Am Ende sind es dann sehr, sehr viele Songs geworden. Sehr divers, manch einer würde sagen, experimentell und darauf sind wir stolz. Es hat gebraucht, es war sehr energieauftreibend aber alles in allem sind wir jetzt an einem Punkt, an dem wir sehr zufrieden damit sind.

Ich glaube zu recht: es ist mega schön. Von Wind und Anonymität umfasst 15 Lieder. Wie habt ihr das mit eurer Tracklist gemacht? Wenn ich das Album höre, klingt es für mich total rund. Du hast gerade erwähnt, wie divers es ist. Das nehme ich auch wahr und trotzdem ist es rund, höre ich es als Album von vorne nach hinten gerne. In der Reihenfolge, wie ihr es jetzt habt.
Oliver: Ich würde sagen, auch wenn alle Songs musikalisch sehr divers sind – Verrückt und Egoist sind äußere Pole des Albums.
Jeremias: Und 97.
Oliver: Oder 97. Stimmt. Es gibt mehr als zwei. Aber trotz dieser musikalisch krassen Diversität hat es inhaltliche Säulen und deswegen funktioniert die Tracklist. Man wird von einem Liedermachensong zu einem Synthie-Brett getragen. Aber das, warum es geht, verbindet die Songs auch wenn in einem eine Akustikgitarre ist und in dem anderen – überspitzt gesagt – 100 Synthesizer. Das verknotet die Sachen in sich. Die Tatsache, dass die Texte von Jere alle aus seinem Kopf sind und er filtert und reflektiert, was wir vier und er erlebt haben in den letzten Jahren. Das verbindet das alles dann so schön.

Das klingt voll einleuchtend, dass die inhaltlichen Säulen die rote Schnur der Platte ist. Aber wie können wir uns das ganz konkrete Machen von Songs vorstellen bei euch? Bringst du, Jere, bereits eine Textidee mit und darauf wird dann aufgebaut? Oder gibt es zuerst eine Melodie? Habt ihr standardisierte Prozesse?
Jeremias: Das kann man so nicht sagen. Vieles davon ist tagesformabhängig und letztendlich auch albumtechnisch abhängig. Bei diesem Album – bei Golden Hour und bei den Vorgängern war es sicherlich anders – war es so, dass ich vorab eine sehr nackte Demo hatte bei den meisten Liedern.
Oliver: Das ist ein Rohbau. Man kann immer 8000 Analogien dafür finden und vielleicht auch irgendwelche Bilder benennen. Aber ich sage immer, es gibt einen Rohbau und dann bauen wir es gemeinsam aus. Aber es gibt schon den Kern, der Same des Songs, dass was daraus einmal blühen möchte. Die Wurzel ist schon da. Es hat schon Wurzeln geschlagen. Man muss nur auf die Suche gehen und es schön pflegen und es als das behandeln, was es ist. Dann weiß man schon, wo es hin möchte.
Jeremias: Es sind schon echt krasse Bilder.

Und vor allem sehr schöne Bilder, ich mag das, wie ihr es in Bilder kleidet. Und es passt auch perfekt zur Platte, wie ihr es gerade sprachlich auskleidet. Ich habe selten einen so lyrischen Albumtitel vernommen. Wie merkt ihr, wann ein Song für euch rund ist. Wann ist er fertig und ihr könnt ihn in die Welt entlassen?
Jeremias: Das ist eine gute Frage. Ich glaube, dass ist auch unterschiedlich. Bei mir ist es so, wenn da eine Aussage hinter steht, die Melodie mich packt und wenn da harmonisch etwas passiert, dann ist es gut und für mich vorgezeichnet. Fertig ist ein Jeremias Song erst, wenn er durch alle vier Hände gegangen ist, dass muss man auch ganz klar so sagen.
Oliver: Die Möglichkeit eingeschlossen, dass jemand sagt, „Ich habe keinen Bock“ oder „Ich glaube, dass der Song mich nicht braucht“, was auch ein Beitrag zu einem Song sein kann, sich bewusst zu enthalten.
Aber wann ist ein Song ein Song? Man könnte sagen, der Song ist schon dann fertig, wenn du den Text und die Akkorde hast. Das wäre schon ein Stadium, an dem man sagen könnte, jetzt ist er fertig. Oder man sagt er ist fertig, wenn wir 10 Mix-Revues hatten. Es gibt diese spirituelle und diese technisch, weltliche Ebene davon. Für mich ist es eher wie ein Gefühl. Es gibt keine Fakten, an denen wir es festmachen können. Es ist vielmehr ein Gefühl.
Jeremias: Faktisch gesehen, wenn du deinen Master bekommst. Wir haben im April – vor einem guten halben Jahr – das Master abgegeben für die Vinylpressung. Da musste man sich schon für eine Version zumindest entscheiden. Aber wir merken, wir kommen gerade von sehr intensiven Probetagen vor unserer Tour und da merke ich persönlich, dass die ganzen Songs, die wir auf der Platte vielleicht in dieser Version a haben, dass die auch ganz anders klingen können. Wir haben jetzt schon mindestens fünf Versionen, wie die Songs auch klingen können und wie wir sie vielleicht sogar live spielen. Ich glaube, womit wir uns es auch, um wieder auf deine Frage zu kommen, sehr einfach machen können, dass ein Song nie fertig ist. Dass er sich immer weiterentwickelt, weil der Song wächst und schrumpft mir dir. Man selbst bleibt ja auch nicht stehen. Unsere Songs sind vielleicht nie richtig fertig.

Das ist auch ein sehr schönes Bild, dass eure Songs ein eigenes Leben haben und bei jeder Probe, jedem Auftritt sich weiterentwickeln dürfen. Und eure Tracklist? Wie kamt ihr zu der aktuellen Reihenfolge? Habt ihr wirklich genau 15 Stücke gehabt?
Oliver: Witzigerweise war es am Anfang so „Oh Gott, hoffentlich bekommen wir genügend Songs zusammen.“ und am Ende standen wir dann sogar mit mehr als 15 Songs da. Es gibt einfach nur Instrumentals, zu denen es keinen Text gab, nur Melodie. Wir waren dann schon an einem Punkt, wo alle um uns herum gesagt haben, „Ihr habt ja jetzt schon das Album.“ Dann haben wir aber gesagt „Ne, ne, ne. Wir müssen nochmals ins Studio.“ Und da sind dann auch noch ein, zwei Songs herausgekommen. Aber es war einfach so ein Zeitstempel und im Januar dieses Jahres – nach einer Studiosession – haben wir dann gemerkt, jetzt ist es gut. Zu diesem Zeitpunkt gab es dann diese 15 Songs mit all ihren Facetten: Text, Musik, Arrangement. Da war alles da. Wir haben dann bewusst gesagt, wir haben jetzt 15 Songs und wir nehmen nicht etwa 11 heraus. Alles musste raus, was wir hatten.

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Habt ihr selbst ein Lieblingslied auf der Platte? Wahrscheinlich hat jeder sein eigenes, oder könnt ihr euch als Band auf eins einigen?
Jeremias: Witzigerweise ändert sich das gerade auch recht häufig. Vielleicht auch, weil es noch recht frisch ist. Ich kann nach wie vor mit dem Egoisten viel anfangen. Ich fühle mich mit dem Text sehr verbunden und in der Aussage steckt für mich etwas zeitloses. Ich könnte mir vorstellen, dass ich das Lied mit 50 höre und stolz auf den 22jährigen bin, der das geschrieben hat und das gefällt mir daran, dass es größer ist als wir oder als ich. Außerdem glaube ich, dass wir mit diesem Song als Band eine neue Charaktereigenschaft gefunden haben. In dem Sinn, dass wir Sachen zugelassen haben, die wir auf dem vorherigen Album nie zugelassen hätten: ein Lied ohne Schlagzeug, das geht doch gar nicht oder ein Lied nur mit zwei Gitarren und Jonas singt die zweite Stimme. Das können wir doch nicht machen. Wir sind doch funky und disco. Egoist beweist das Gegenteil. Wir haben uns das nicht bewiesen – das klingt so forciert aber das Lied zeugt davon, dass wir auch weitere Facetten haben und darauf bin ich auch sehr stolz und freue mich jedesmal zu wissen, dass wir das Lied zu viert auf die Platte bekommen haben.
Oliver: Mein Lieblingssong ist gerade Stille, der letzte Song auf dem Album. Meine Assoziation damit war: es gibt Songs, die man sehr mit dem Kopf spielt, einfach weil sie auf eine Art musikalisch anspruchsvoll sind und man sie vielleicht auch nicht so oft gespielt hat, man ist mehr mit dem Kopf und so einem rationalen „jetzt kommt der Part“, vielleicht weil die Songs auch komplexer sind, dabei und man ist sehr denkend im Song. Ich mag aber diesen Zustand von „ich spiele den Song, aber eigentlich höre ich gerade den Song“. Ich spiele in einer Band, die den Song spielt aber ich habe das Gefühl, ich höre der Band zu, wie sie den Song spielt. Und das habe ich bei Stille, weil es einfach eine geloopte Akkordfolge ist, die sehr in dem Stil ist, wie ich gerade aus mir heraus intuitiv Gitarre spiele und ich kann bei dem Song meinen Kopf vollständig ausschalten und komplett einfach in der Musik sein oder auch ein Stück davon wegstehen. Es klingt ganz abstrakt, aber das Gefühl, was ich habe, wenn ich diesen Song spiele, ich fühle mich so wohl und frei, wie ich es bei anderen Songs auf dem Album nicht habe. Nicht so stark wie bei dem Song.

Wie toll. Das klingt unheimlich erstrebenswert, fast schon wie ein meditativer Zustand.
Oliver: Das ist die bessere und die knappere Antwort.

(Wir lachen alle.)

Ich wollte dir aber nichts in den Mund legen.
Oliver: Es passt aber einfach super. Es trifft es perfekt.

Im Promotext habe ich gelesen, ihr wart in vielen verschiedenen Studios für die Platte. Es ist nicht alles an einem Ort entstanden.
Jeremias: Übertrieben. (Alle lachen) Danke Universal. (Alle lachen erneut.) Es hat sich über zwei Jahre erstreckt. In diesen zwei Jahren ist super viel passiert und deswegen gab es auch nicht diesen einen Abschnitt, in dem wir das Album geschrieben haben. Ich bin in der Zeit nach Berlin gezogen, dann haben wir Corona Shows nachholen müssen und konnten erst danach ins Studio, aber auch nur für zwei Wochen, weil unser Lieblingsstudio, dass Hansa 1 danach geblockt war. Dann mussten wir nach Bremen. Dann ist Tim (Anmerkung: Tim Tautorat), unser lieber Produzent nochmals mit uns ins Funkhaus. Es war gar nicht geplant, dass es so viele Studios werden. Es hat im Nachhinein aber sehr viel Spaß bereitet.

Ich hatte immer die romantische Vorstellung, dass ein Ort auch sehr die Musik einer Platte beeinflusst. Diese habt ihr nun aber mit eurer Platte eindrucksvoll widerlegt.
Jeremias: Es ist aber ein kleiner, feiner aber final großer Unterschied, wo du sie aufnimmst und wo du sie schreibst. Das wird gerne verwechselt. Das Schreiben ist auch innerhalb der letzten zwei Jahre passiert. Neben Hannover und Berlin kommt aber noch ein Ort dazu, der für uns alle sehr bezeichnend ist und bei dem wir uns alle – glaube ich – einigen können, dass er für uns ein Knackpunkt war, wo wir zum Beispiel Wir haben den Winter überlebt geschrieben haben und das ist ein großes Sommerhaus von einem Freund in Brandenburg, in Zietenhorst, um genauer zu sein. Das war bereits bei der ersten EP der Dreh- und Angelpunkt, wo wir uns getroffen haben und wo letztendlich alles draus entstanden ist. Und das war es diesmal auch. Deswegen, wenn du uns so fragst, ist der interessante Ort wirklich dieses Sommerhaus in Zietenhorst und nicht die 15 Studios in denen wir waren.

Wie spannend. Und wie können wir uns diesen Ort vorstellen? Ich habe jetzt direkt so Bilder eines Hauses im Nirgendwo.
Jeremias: Ja. Es ist nirgendwoher als im Nirgendwo.
Oliver: Es ist bemerkenswert leise. Wenn du da nachts stehst. Ich war noch nie in einem Ort auf dieser Welt, an dem es abends und nachts so leise ist.
Jeremias: Es ist unglaublich. Da ist nichts. Zietenhorst ist eine Straße. Das letzte Häuslein in der Straße, da dürfen wir manchmal sein.

Wie schön. Das klingt besonders. Ich kann mir gut vorstellen, dort viel fokussierter zu sein, wenn es darum herum kaum Ablenkung gibt.
Jeremias: Das sowieso. Aber man kommt auch als Band dort ganz anders zusammen. Wir kennen den Ort schon ziemlich lange. Der Besitzer des Hauses ist ein guter Freund von uns. Das ist definitiv ein Ruhepool. Da schwebt eine andere Energie – auch zwischen uns. Es hat viele Gründe, ich kann sie selbst nicht fassen und nennen. Aber es ist unheimlich schön da.

Wie toll, dass ihr für euch dann einen so passenden Ort gefunden habt. Es klingt einfach nur wunderbar.
Jeremias: Der Witz ist, wir haben es anfangs total verleugnet. Ich erinnere mich, dass wir am Anfang nach Italien wollten, um dort das Album zu schreiben. Wir überlegten, wo wir noch alles hinwollten, um das Album zu schreiben. Und plötzlich waren wir, nachdem es viel Frust und Orientierungslosigkeit gab wieder in Zietenhorst. Plötzlich wie aus Geisterhand hat es dann funktioniert.
Oliver: Und das Schöne ist, dass man nicht weiß warum. Das ist das Schöne. Wir waren für das Album und die ganzen EPs davor da und wir dachten, deswegen können wir das neue Album da nicht machen. Wir dachten, es müsse alles anders sein diesmal. Aber dann hat dieser Ort uns wieder daran erinnert, dass er uns hilft.

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Wie schön und wie gut für uns, dass ihr so einen Ort gefunden habt. Donnerstag geht es dann los, ihr spielt eure erste Show einen Tag vor dem Albumrelease.
Jeremias: Gleich geht es schon los. Wir fahren gleich noch nach Bielefeld und haben dort zwei Tourproben in der Venue in Bielefeld. Die haben wir ein bisschen länger da angemietet. Am Donnerstag haben wir dann dort unser erstes Konzert.
Oliver: Das wird der Wahnsinn. Gestern hatten wir auch nochmals eine Durchlaufprobe und wir sind alle geplatzt. Wir können es kaum erwarten, dass zu teilen. Dann Freitag Elphi. Das wird auch unglaublich. Das ist Wahnsinn, dass wir dort spielen dürfen. Elbphilharmonie in Hamburg das ist auch ein Traum. Ich persönlich kann es kaum greifen, was jetzt passieren wird. Unsere Heimatstadt Hannover ist ausverkauft. Die ganze Tour läuft. Es ist geil.

Mega. Ganz viel Spaß euch. Ihr spielt auch drei kleinere, intimere Pop Up Gigs.
Jeremias: Das sind so Pop Up Geschichten. Da werden wir auch mit der Gitarre auftauchen. Da gibt es ein paar Geschichten zum Album, eine schöne Fotogalerie mit den Bildern, eine Siebdruckmaschine und Merch und wir werden da auch für ein paar Lieder vorbeischauen.

Wie schaut eure Bedroomdisco aus? Was begleitet euch gerade musikalisch?
Oliver: Mir ist gestern – und ich weiss nicht warum – und wieder ist es wunderschön, dass nicht zu wissen, warum – ein Album in den Sinn gekommen und zwar ein Album von Simon & Garfunkel: Parsley, Sage, Rosemary And Thyme. Da gibt es einen Song drauf der heisst Flowers Never Bend With The Rainfall. Oder eigentlich zwei Songs. Der und For Emily, Whenever I May Find Her. Das ist einfach nur eine Akustikgitarre und zwei Stimmen, so Egoist-mäßig wie bei uns. Ich habe gestern auf dem Weg zur Probe das Album zweimal durchgehört und auf dem Rückweg von der Probe das Album gehört. Ich finde da keine Wort für. Das ist unglaublich. Textlich wie musikalisch. Wirklich unfassbar. Es trägt mich gerade extrem durch die Tage. Ganz große Empfehlung.

Das war jetzt eine große Vorlage. No pressure.
Jeremias: Soll ich auch sagen? Ich mag ganz gerne zu hören, was so alles neues herauskommt. Und unser guter Freund Majan hat so einen Song Piccolo gerade herausgebracht. Den finde ich gut. Den höre ich gerade rauf und runter. Liebe Grüße.

Wie schaut es generell aus? Hört ihr selbst eher deutschsprachig? Oder englischsprachig? Oder alles durch die Bank?
Oliver: Ich höre zuhause viel Vinyl. Und neben meiner Simon & Garfunkel Platte lag jetzt noch die Betterov EP Viertel vor Irgendwas, weil ich die zuvor gehört habe. Ich höre alles.

Ich höre ja nur passiv Musik und ich habe sehr lange gebraucht, um mich mit deutschsprachiger Musik zu versöhnen. Es geht mir viel näher. Mittlerweile bin ich dankbar, auch gerne deutschsprachige Musik zu hören. Ich weiß nicht, ob ich mehr drin bin oder es einfach mittlerweile viel versiertere Artists gibt, so dass es alleine schon phonetisch viel anspruchsvoller und schöner ist. Da seid ihr ein Musterbeispiel. Es kickt mich, selbst wenn ich es nicht verstehen würde.
Jeremias: Cool.
Oliver: Jere ist auch derjenige, der mich zu deutschsprachiger Musik gebracht hat mit seiner Musik. Als wir uns kennengelernt haben hat Jere schon Songs geschrieben und ich habe in einer Punkband gespielt. Und ich habe immer so kategorisch deutschsprachige Musik und auch kategorisch Popmusik abgelehnt in meiner 14jährigen „ich will Rancid hören und sonst nichts“-Phase. Jere hat mir da wahnsinnig das Herz und den Kopf geöffnet für die Musik, die wir jetzt gemeinsam machen. Ich kann auch nur bestätigen, was du sagst. Ich habe auch den Eindruck, dass es immer besser wird. Nicht auf uns bezogen. Auch eine Juli Gilde oder ein Faber. Oder die ganze Facetten von deutschsprachiger Musik, die in den letzten Jahren überall sprießen.

Hat für Dich, Jere, der Umzug von Hannover nach Berlin auch etwas gemacht?
Jeremias: Ja. Alles. Der hat alles gemacht. (Gelächter) Wo soll ich da anfangen? Es war definitiv notwendig. Wir kommen hier alle aus der Region. Deswegen war es an der Zeit für mich da weiter zu ziehen. Dieser Umbruch hat sehr viel in den Gang gesetzt.

Gerade hast Du ja schon Majan gegrüßt. Gibt es sonst noch engere Beziehungen zu anderen Künstler*innen, mit denen ihr enger im Kontakt und Austausch steht? Oder ist das auch eher eine Romantisierung von außen?
Jeremias: Ich habe in so einem Studio in Ostberlin ein Räumchen, wo viele sind. Und da merke ich schon so ein schönes Netzwerk. Ich denke da gerade an Apsilon, ein Rapper. Arda heisst er. Er ist gegenüber von mir im Studio. Dann teile ich den Raum mit einen isländischen Musiker, Mani Orrason. Da sind super viele. Da laufen nur so Vögel herum. BLVTH. Thala. Die Liste ist endlos. Gerade in Berlin ist einfach dieses Epizentrum da. Deswegen gibt es da schon ein Netzwerk. Ich weiß auch gar nicht, wie es in Hannover war. Wir waren früher, als ich noch in Hannover gelebt habe in Leinhausen in einem Proberaumkomplex. Da sind wir jetzt nicht mehr. Wir sind weiter rausgezogen. Mitten in einer Papierfabrik. Da sind wenig andere Leute. Was auch sehr gut ist. Man sieht sich auch immer auf Festivals. Und man kennt sich inzwischen. Auch die komplette Crew und das ist schon ein schöner Austausch unter Gleichgesinnten.

Auch wenn wir nun schon beim Ende der Festivalsaison sind: wo soll es steigen und wer darf da spielen?
Oliver: Wir haben ja die große Ehre, dass wir das jedes Jahr in Potsdam machen dürfen tatsächlich. Wir haben hier ein Open Air, was jetzt in die dritte Runde geht und was wir selbst kuratieren dürfen. Das sind zwei Acts. Vielleicht kann man da noch nicht so ganz von Festival sprechen, aber ja.

Das ist komplett euch freigestellt, mit wem ihr spielt?
Oliver: Aber Du willst, dass wir jetzt ganz absurde große Bandnamen sagen? (Gelächter und Kopfnicken) Ich hätte gerne mal Radiohead da.
Jeremias: Dann sage ich Abba. (Alle lachen.)
Oliver: Abba und Radiohead.

Abba, Radiohead und ihr. Und wo steigt es dann?
Oliver: Ich würde zugucken. Ich traue mich nicht mit denen auf die Bühne.
Jeremias: Vielleicht wenn wir unseren guten Freund fragen. Vielleicht steigt es dann in Zietenhorst. Im kleinen Raum. Aber wir müssen dann erst einmal fragen.

Vielen lieben Dank Euch.
Jeremias: Stephan, Danke dir.

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Stephan Strache

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