DEEP SEA – Filmkritik


Foto-© LEONINE

Wenn der Wind weht, ist es atemberaubend. Es sieht aus wie ein Gemälde.

(Nanhe – Deep Sea)

An dem Geburtstag der kleinen Shenxiu (Sprecherin im Original: Wang Ting Wen) begibt sie sich mit ihrer Familie auf eine pompöse Kreuzfahrt. Leider hat die gesamte Familie vergessen, um welchen, für sie besonderen, Tag es sich handelt und so stromert Shenxiu alleine, traurig und in Gedanken und Selbstgesprächen vertieft über das Deck des Kreuzfahrtschiffes, als plötzlich ein heftiger Sturm auftaucht, der sie zum geheimnisvollen Tiefsee-Restaurant bringt.

Deep Sea erzählt eine Geschichte, die zahllose Kinder auf der ganzen Welt immer wieder schmerzlich er- und durchleben: Nach der Trennung der Eltern, verschwindet ein Elternteil aus dem Leben des Kindes. In Deep Sea ist es die Mutter der kleinen Shenxiu, die kein Interesse mehr an ihrer Tochter zeigt. Der Vater hat zudem eine neue Ehefrau und mit ihr ein gemeinsames Baby, das beide sehr einnimmt und beschäftigt. Shenxiu fühlt sie sich von ihrer Familie ausgeschlossen und sehnt sich inbrünstig nach ihrer Mama.

Und traurig, einsam und zugleich sehnsüchtig findet sie sich plötzlich in dem fantastischen Tiefsee-Restaurant voll von sprechenden Fischen und anthropomorphen Küstentieren wieder, das von Nanhe (Su Xin), einem chaotischen aber lebenslustigen und neben Shenxiu einzigem Menschen in der farbenprächtigen Unterwasserwelt, geführt wird. Mit seiner Unterstützung und der Hilfe eines magischen Wesens, das im Hintergrund agiert, möchte das kleine Mädchen seine Angst überwinden und seine Mutter finden.

Spätestens ab diesem Punkt kommt man nicht umhin den Vergleich zu Hayao Miyazakis Chihiros Reise ins Wunderland und Das wandelnde Schloss zu ziehen. So ähnelt nicht nur die Protagonistin optisch der kleinen Chihiro aus dem ersteren, auch die eigentliche Handlung des Films lässt schon mit dem Betreten des Kreuzfahrtschiffes an Miyazakis Oscar-prämierten Film denken. Der quirlige Restaurantbesitzer Nanhe sowie das gesamte Tiefseerestaurant ähneln hingegen sehr dem Zauberer Hauro und seinem wandelnden Schloss. Auch die Musik scheint ebenfalls von den Melodien von Joe Hisaishi, Komponist hinter den meisten Studio Ghibli Filmen, inspiriert zu sein, schafft es jedoch mit einer Musicalnummer sich davon abzugrenzen. Während Miyazakis Bilder und Hisaishis Musik jedoch poetisch und grazil sind, ist der Stil von Regisseur Tian Xiaopeng rauschhaft und übersprudelnd an Experimentierfreude. Jede Szene quillt nur so über von prächtigen Farben, überwältigenden Kompositionen und unzähligen Details. Solche computergenerierten Bilder hat man so noch nicht gesehen, leider gewährt die hektische Kameraführung kaum Zeit, um die fantastische Welt, die Xiaopeng erschaffen hat, in Ruhe bestaunen zu können, denn der Film selbst kommt kaum zu Ruhe. Ständig wirbelt die Kamera um Figuren herum und die Szenenabfolgen sind so dicht geschnitten, dass man sich nur vom Bilderrausch mitreißen lassen kann. Was für Erwachsene zumindest etwas stressig sein kann, macht den Film somit zumindest für jüngere Kinder leider nicht empfehlenswert.

Deep Sea ist ein Animationsexperiment, das auf der großen Leinwand gesehen werden sollte, um sich dem Rausch der Tiefe und den atemberaubenden Bildern vollends hingeben zu können. Ein Film, der ein ernstes Thema anspricht, dem jedoch das Feingefühl für dieses fehlt. Ein Film, der eigentlich schwer zu empfehlen ist, aber es dennoch ist, ob der bemerkenswerten Bilderflut und Farbenpracht.

深海 (CHN 2023)
Regie: Tian Xiaopeng
Heimkino-VÖ: 24. November 2023, LEONINE

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Helena Barth

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