THE NATIONAL – neuer Glaube

Foto-© Graham MacIndoe

Mitte September war die Überraschung wie Freude groß als unsere US-amerikanischen Lieblings-Melancholiker von The National kurzerhand das zweite Album innerhalb von wenigen Monaten veröffentlichten. Laugh Track erscheint nun diese Woche endlich auch physisch auf Vinyl und CD und vollendet damit auch in der heimischen Sammlung das diesjährige Doppelalbum, das mit First Two Pages of Frankenstein begann. Gleichzeitig ist es ein Statement der Band, die zuvor auch mit Zweifeln und Schreibblockaden zu kämpfen hatte. Nach der Pandemie belebte die Band um Frontmann Matt Berninger aber ihren Glauben aneinander sowie in ihre kreativen Fähigkeiten neu.

Weird Goodbyes, das bereits im August 2022 erschien, war ihr erster Durchbruch und der erste Vorgeschmack auf diese neue Ära. “Wir haben es wirklich schnell veröffentlicht, weil es wie ein Baby war, das in der Dunkelheit geboren wurde, oder so”, lacht Matt. “Wir mussten es den Menschen zeigen”, lacht Matt. Aber als sie schließlich mit diesem umfangreichen Werk vorankamen, entschieden sie sich, Weird Goodbyes nicht auf das Frankenstein-Album zu nehmen. “Es fühlte sich an, als ob die Geschichte bereits erzählt worden wäre. Es war eine eigene Sache”, sagt Aaron Dessner. “Aber es fühlte sich auch so an, als hätte es einen Bezug zu dem, was wir taten. Das war ein Teil der Logik für die Aufnahme einer weiteren Platte – wir wollten Weird Goodbyes ein eigenes Zuhause geben.”

Es gab noch eine andere Seite der Geschichte mit den unvollendeten Songs, die weit über die Produktion von Frankenstein hinausging. Aaron gibt zu, dass sie sich im Laufe der Jahre oft von der großen Idee verabschiedet haben, eine Rockplatte zu machen. “Das liegt nicht daran, dass wir nicht gerne in einem Raum sitzen und an Ideen herumdoktern. Es war nicht sonderlich produktiv, also haben wir eine ziemlich ausgeklügelte Methode entwickelt, um Songs zu bauen, bei denen Bryan eine sehr wichtige, aber abgegrenzte Rolle spielte”, sagt er. “Diesmal hatten wir den Wunsch, etwas Lebendigeres zu machen, damit Bryans Spiel mehr zum Tragen kommt.”

Auf der Tournee im Sommer 2022 ließ die Band das unveröffentlichte Material auf der Bühne entstehen. Im Mai 2023, nur einen Monat nach der Veröffentlichung von Frankenstein, buchten sie sich im Studio von Tucker Martine in Portland ein und nahmen neun der neuen Songs auf, wobei Bryce Dessner eine Schlüsselrolle in der Produktion übernahm. Die Produktion von Laugh Track inmitten des Veröffentlichungszyklus von Frankenstein war “sehr intensiv, so dass es nicht einfach war, sich wieder darauf zu konzentrieren, was wir damit machen”, sagt er, “aber es hat sich auf eine ziemlich organische Weise ergeben. Wir haben bis sehr spät (kurz vor dem Mastering) noch intensiv daran gearbeitet. Es kam uns zugute, dass wir uns ein wenig mehr Zeit ließen, um die Live-Energie einzufangen.” So klingt der Sound des Albums auf den Punkt und zeigt den musikalischen Status Quo der Band – Laugh Track ist quasi The Nationals Sound Of Now.

Laugh Track ist daher das vielleicht musikalisch bedingungsloseste Album, welches die Band seit Jahren gemacht hat. Es ist aufmüpfig und dennoch leichtfüßig, doch es enthält ebenso viel seltene, ungebremste Schönheit wie Trostlosigkeit. “Uns ist klar, dass dies das vierte Quartal ist”, sagt Bryan Devendorf, der eine zentrale Rolle als Live-Schlagzeuger einnimmt, nachdem er auf Frankenstein hauptsächlich elektronische Drums gespielt hat.

Thematisch gibt es keine absichtliche Trennung zwischen Frankenstein und Laugh Track. Während Matt auf Frankenstein eher auf der Suche nach einem Zufluchtsort war, hat er hier eine neue, klare Sicht auf das, was zählt. Sein dringendes Bedürfnis nach Intimität wird durch eine immer größere Angst vor der Unwirklichkeit des modernen Lebens noch verstärkt. Die Charaktere auf diesem Album (keine Vornamen, abgesehen von einer Tourmanagerin namens Alice – nur “ich” und “du”) decken einander, träumen füreinander und helfen, den Schein zu wahren – und lösen damit das Versprechen von der gegenseitigen Fürsorge ein, das Matt auf dem Frankenstein-Schlusslied Send for Me gegeben hat.

Für Matt steht Laugh Track dafür, „dass wir diese lange Mutationsphase hinter uns gelassen haben”, sagt er. “Ich habe keine Ahnung, was als nächstes passieren wird, aber es fühlt sich an wie eine Art Häutung an. Das macht großen Spaß. Wir fühlen uns alle wie frisch aus einem Kokon geschlüpft und sind bereit herauszufinden, was für eine Art von Kreatur aus uns in der Zukunft wird.“

Und um es noch schöner zu machen, erscheint heute das Video zum Titelsong des neuen, am Freitag auch physisch erscheinendem The National-Album, bei dem Bernard Derriman von Bob’s Burgers Regie geführt hat: Laugh Track (feat. Phoebe Bridgers)! “Her voice is the soft edge of the song,” sagt Berninger über die mittlerweile dritte Zusammenarbeit mit Phoebe Bridgers. “It takes some of the snarky, sarcastic bitterness out of it and makes it sweet and gentle.”

The National live:
21.06.24 Scheeßel, Hurricane Festival
22.06.24 Neuhaus ob Eck, Southside Festival
27.06.24 Bonn, KunstRasen

YouTube video

Dominik

Bedroomdisco-Gründer, Redaktions-Chef, Hans in allen Gassen, Golden Leaves Festival Booker, Sammler, Fanboy, Exil-Darmstädter Wahl-Hamburger & happy kid, stuck with the heart of a sad punk - spreading love for great music since '08!

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