MINE – Baum


Foto-© Bastian Bochinski

Wenn ich könnte, hätte ich Vertrauen zur Welt
Dass alles besser wird und dass es hält
Wenn ich könnte, glaubte ich, dass es nicht sein muss
Dass nach dem Tod das Ende ist, dass Tod heißt, es ist Schluss
Wenn ich könnte, wüsste ich, was wichtig ist, was nicht
Was es wirklich besser macht und was nicht
Wenn ich könnte, wüsste ich, was richtig ist, was nicht
Was fällt ins Gewicht? Ich weiß es nicht

(Mine – ICH WEISS ES NICHT)

Alt oder neu? Die meisten von uns sind weder besonders ehrlich noch konsequent mit der Antwort auf diese Frage. Klar, offen für Neues, aber irgendwie ist es doch zu gemütlich, alles so zu lassen, wie es ist.

Gemütlichkeit kann man Mine nicht vorwerfen, auch wenn auf den ersten Blick alles so aussieht wie zuvor. Jasmin Stocker arbeitet auch weiter mit ihrem Produzenten Marcus Wüst zusammen, hat ein Faible für Orchester und Chöre und einen Riecher für Lyrik. Und doch: Es geht immer etwas Neues bei Mine, das beste Rezept ist das nächste Rezept. Mit ihrem fünften Solo-Studioalbum BAUM verfeinert sie ihren Sound und kombiniert ihn mit gewohnt smarten, mindestens zweimal gewendeten Texten.

Die fünfzehn Tracks des Albums schauen oft zurück, oft nach innen. Mine lässt einiges an Zynismus und Augenzwinkern liegen, um einige ihrer persönlichsten und direktesten Songs zu produzieren. Es passt, dass diese oft ein Mantra haben, es viele Reprisen gibt über das Album hinweg. Ein guter Gedanke muss auch mal wiederholt werden.

So direkt auf dem titelgebenden Opener, BAUM, ein monumentaler Einstieg mit der vielversprechendsten Synthesizer-Snare-Kombo seit dem OK-Kid-Debütalbum. Mine liefert mit dem Thema „Ich bin ein Baum, Ich gieß’ mich selbst“ direkt eine frühe Lieblingszeile. Und der Einstieg bleibt stark, denn auch ICH WEISS ES NICHT überzeugt mit einem eingängigen Mantra und Muster: „Wenn ich könnte, wüsste ich,…“ – so behutsam wie der Text ist auch die Instrumentalisierung.

Man muss allerdings schnell umschalten können, denn wie in der Vergangenheit wechseln sich Streicher-Balladen und elektronische Banger verlässlich schnell ab (NICHTS IST UMSONST). Einige schöne Intros und Outros lassen die verschiedenen Songs aber deutlich besser zusammen funktionieren als auf manchen vorherigen Projekten.

Apropos funktioniert gut: Auch die Features fügen sich nahtlos ein. DANKE GUT mit Mauli ist eine einwandfreie Pop-Ballade, SCHATTIG mit Léonie Pernet vielleicht sogar der beste Track des Albums. Auf kunstvoll gelayerten Synths singt Mine von der Verzweiflung an der Gegenwart, ohne viel Interpretationsspielraum zu lassen: „Es ist schattig, das Leben ist hart, weil der Mensch schwach ist und immer versagt.“ Zwei Minuten geballte Hoffnungslosigkeit und eine gekonnte Vorbereitung auf den emotionalen Tiefpunkt, Mines Song über die verstorbene Mutter, STAUB.

Zum Ende fasert der BAUM leider etwas aus, was auch daran liegt, dass keiner der übrigen Tracks mehr an der Zweieinhalb-Minuten-Marke kratzt und mit BAUM – Reprise und WEITER GERANNT im Prinzip zwei Outros hintereinander das Album beenden. Trotzdem hat auch das letzte Drittel noch seine Highlights – der völlig überraschende Disstrack COPYCAT stellt wieder einmal Mines Rap-Qualitäten unter Beweis. Das hätte gern länger sein können.

Auch wenn ansonsten nicht jede der vielfältigen Ideen gleichermaßen sitzt, bietet Mines Album Nummer 5 die richtige Mischung aus Hits und Deep Cuts. Stocker und Wüst schaffen es weiterhin, eine Nische in der deutschen Popmusik zu kultivieren und auszubauen, die ohne Mine schrecklich leer wäre.

Mine – Baum
VÖ: 2. Februar 2024, Virgin Music
www.baum.minemusik.de
www.facebook.com/MineMusik

Mine Tour:
18.04.24 Hamburg, Grosse Freiheit 36
19.04.24 Essen, Zeche Carl
20.04.24 Köln, Carlswerk Viktoria
21.04.24 Leipzig, Täubchenthal
24.04.24 München, Muffathalle
25.04.24 Erlangen, E-Werk
26.04.24 Dresden, Stromwerk
28.04.24 Kiel, Pumpe
29.04.24 Bremen, Schlachthof
30.04.24 Berlin, Columbiahalle
02.05.24 Frankfurt, Zoom
04.05.24 Mannheim, Alte Feuerwache
05.05.24 Münster, Skaters Palace
07.05.24 Hannover, Pavillon
09.05.24 Stuttgart, Im Wizemann (Halle)

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Phillip Kaeding

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