ANGUS & JULIA STONE – Cape Forestier


Foto-© Thania Rodriguez

Somehow
This day is not mine to break
And I must learn now
There are some things I cannot take
Somehow
This time is not mine to choose
And I must learn now
Sometimes it’s okay to lose

(Angus & Julia Stone – Somehow)

Mancher Musik merkt man an, dass sie aus einer anderen Zeit ist. Und das heißt gar nicht, dass sie sich aus der Zeit gefallen anhört. Die sanfte, leichte Art von Angus & Julia Stone, irgendwo zwischen Roadt- und Surftrip, wirkt heute manchmal ein wenig wie aus grauer Vorzeit. Dabei war es dann doch „erst“ 2010, als die beiden Australier mit ihrem zweiten Album Down The Way und der Slow-Burning-Hit-Single Big Jet Plane die coolsten Hippies im verkopften Indie-Game waren.

Mittlerweile sind die Geschwister bei Album Nummer fünf angekommen, zuletzt steuerten sie zudem den Soundtrack zum Videospiel Life is Strange bei. Angus Stone ist mit seinem Projekt Dope Lemon seit einigen Jahren auch solo erfolgreich. Es läuft also rundherum. Und das merkt man der zahmen neuen Platte Cape Forestier der beiden etwas an. Die zwölf Songs sind nicht überproduziert, fokussieren auf die beiden Hauptcharaktere und ihre Erlebnisse, die Umgebung. Titelgebend ist eine Halbinsel in Tasmanien – exotischer wird es aber nicht mehr. Dafür sehr atmosphärisch, direkt auf den ersten Tracks.

Losing You, der Start ins Album, ist ein liebevoll aus Erinnerungen und Inspirationen zusammengeklebter Love Song, der so sehr nach Angus & Julia Stone klingt, das er von jeder ihrer Platten stammen könnte. Und auch Down The Sea, ausgestattet mit einem treibenden Groove und erneuter perfekter Harmonie im zweistimmigen Gesang, repräsentiert auf eine ganz andere Art, wofür die Stone-Geschwister stehen. Geerdete, aber spielerisch leichte Folk-Musik. Auf Song zwei kommt ein schönes Gitarren-Solo dazu sowie smarte Zeilen, die sich nicht in den Vordergrund drängen: “You can tеll me your philosophy, Just because I undеrstand doesn’t mean that I believe, It gets lonelier than this, Standing in your mercy.”

Neben einigen genau getroffenen emotionalen Momenten und echter Urlaubsatmosphäre findet sich in der Folge leider viel Füllmaterial auf Cape Forestier. Klassischer Aufbau, hier ein Banjo, dort ein Filter auf Angus‘ Stimme, noch ein Banjo. Songs wie Little Alaskan Anchor, County Sign oder City of Lights verschwimmen im Nachhinein zu einer stimmigen, aber nicht wirklich markanten Playlist.

Wiedererkennungswert sollen die Lead Singles schaffen. Dem Titelsong Cape Forestier gelingt das, leider etwas auf Kosten der Angus-and-Julia-Haftigkeit. Denn der Surf-Pop-Song könnte genauso gut von einem fünfzehn Jahre alten Jack Johnson Album kommen. Doch der Refrain und das zum dahinschmelzen geklagte “Where do we go from here?” verfangen und werden zum Ohrwurm.

Bei The Wedding Song ist die Formel noch etwas einfacher. Die bekanntesten Songs des Duos sind mittlerweile zu Hochzeitsklassikern geworden, überall auf der Welt heiraten Paare zu den romantischen Chateau oder Big Jet Plane. Und, wie die beiden im Interview mit Bedroomdisco verraten, haben sie diesen tatsächlichen Wedding Song ursprünglich vor 12 Jahren für ein befreundetes Paar geschrieben. Dass er es nun auf ein Album geschafft hat, ist eine schöne Geschichte, aber unterstreicht etwas, was sich als Compilation-Eindruck zusammenfassen lässt. Viele der Songs sind vor Jahren und unterwegs entstanden.

Die daraus geschaffene, etwas lose Song-Sammlung profitiert weniger von eindrücklichen Deep Cuts als manche der früheren Alben, nimmt sich dafür aber auch nicht allzu ernst. Die wenigen schweren, melancholischen Momente auf No Boat No Aeroplane oder Somehow sind aufrichtig und triefen nicht vor Kitsch. Das erfordert Reife, die auch Angus Stone in der eigenen Entwicklung sieht. Im Interview beschreibt er: „Jetzt, wo wir das schon eine Weile machen, fühlt es sich geerdeter und wahrer an.“ Und so nimmt man den beiden auch die hundertste Erzählung vom Fliegen auf Sitting in Seoul ab: „ I wanted you to think I was okay, But I’m coming home, As quick as the plane, Will carry me to you.”

Die 45 Minuten Cape Forestier sind eine kleine Kapsel, die uns in eine geborgenere Zeit oder zumindest an einen Strand in Australien katapultieren. Das ist stimmig – und harmlos, worin ab und an das Problem des Albums liegt. Doch viel mehr als eine Kapsel Lagerfeuermusik und Meerluft scheinen Julia & Angus auch gar nicht zu wollen, und das wiederum ist wahrscheinlich ein gutes Zeichen.

Angus & Julia Stone – Cape Forestier
VÖ: 10. Mai 2024, Vertigo Berlin
www.angusandjuliastone.com
www.facebook.com/AngusAndJulia

Angus & Julia Stone Tour:
20.05.24 Köln, Kölner Philharmonie
31.05.24 Stuttgart, Bürger Freilichtbühne Killesberg
01.06.24 Hamburg, Laeiszhalle
09.06.24 Berlin, Admiralspalast
10.06.24 Berlin, Admiralspalast

YouTube video

Phillip Kaeding

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