Es waren wieder White Nights beim Fantasy Filmfest. Zwei Tage vollgepackt mit Genrekino aus der ganzen Welt – und dieses Jahr hat einfach alles gepasst, Highlight an Highlight.
Zunächst meldet sich Steven Soderbergh, der es wieder nicht geschafft hat im Ruhestand zu bleiben, mit Presence zurück. Der Film fühlt sich ein wenig an wie ein studentischer Konzeptfilm, so minimalistisch das Setting und so einzigartig der Ansatz. Presence wird komplett aus Sicht der titelgebenden Präsenz gezeigt und ist komplett beschränkt auf ein Haus, welches von einer Familie neu bezogen wird. So bekommen wir, eingefangen durch eine freischwebende Kamera und ohne Schnitt in den einzelnen Szenen, Auszüge aus dem täglichen Drama der Familie. Und somit liegt auch der Fokus, eher auf Familiendrama, denn auf Geisterfilm, denn die Präsenz interagiert kaum. Alle nicht Genre- und vor allem nicht Horrorfans, die das Konzept spannend finden, seien daher beruhigt, es wird nicht wirklich gruselig. Doch auch ohne sich in den Vordergrund zu stellen ist die Einbindung der Präsenz als größtenteils stiller Beobachter beeindruckend. So wird ganz nebenbei ein fantastisches Lehrbeispiel abgeliefert, wie stark allein die Perspektive unsere Wahrnehmung des Gezeigten beeinflusst. Ein sehr ruhiger, sehr ergreifender Film. Schwächen sind zwar in den nicht sehr vielschichtigen Figuren zu finden und manche wird irritieren, dass die Mobilität der Präsenz auf das, was ein Kameramann physisch leisten kann, beschränkt ist. Dies sollte jedoch niemanden davon abhalten, einen Blick auf diesen sehr ruhigen, einfühlsamen und ergreifenden kleinen Film zu werfen.
Ein weiteres Highlight, bei dem sich auch schon der reguläre Kinorelease für den 6. Februar angekündigt hat, ist Companion. Einer dieser Filme, bei dem es besser ist, je weniger man darüber weiß. Daher nur so viel, wir befinden uns „5 minutes from now“, also leicht in der Zukunft, in der zum Beispiel selbstfahrende Autos Realität sind, aber noch genauso aussehen wie heute. Eine Gruppe von Freunden trifft sich zum Feiern in dem abgelegenen Anwesen eines Milliardärs, wo durch einen Mordfall die Situation eskaliert. Dass eine Situation nach einem Mordfall noch weiter eskalieren kann, deutet an: es wird blutig, vor allem aber witzig und sehr, sehr schwarzhumorig. Im Fokus steht dabei Gesellschaftskritik in Form einer sehr schönen Parabel auf Incels, sprich Männer, die sich selbst ein Anrecht auf Sex mit Frauen und bevorzugte Behandlung in der Gesellschaft im Allgemeinen zuschreiben. Besonders das zentrale Pärchen gespielt von Sophie Thatcher (die Genre-Fans jüngst in Heretic begeistere) und Jack Quaid (den ihr aus dem 2022er Scream kennt) gibt dabei schauspielerisch wirklich alles und hat eine fantastische dysfunktionale Chemie. Daneben begeistert auch noch Harvey Guillén (bekannt als Guillermo aus der What we do in the Shadows-Serie), der es schafft, sogar den beiden noch die eine oder andere Szene zu stehlen. Zwischen harten Gewaltspitzen, Gesellschaftskritik und extrem schwarzem Humor sicher nicht für jeden, sondern nur für die, die (den) Film in den Extremen genießen oder die inhaltliche Tiefe komplett ignorieren können oder wollen.

Wesentlich weiter weg vom Mainstream war dann Dead Talents Society von Regisseur John Tsu aus Taiwan. Der Ansatz der Horror-Komödie klingt dabei zunächst ein wenig nach Beetlejuice von Tim Burton: Geister haben nach ihrem Tod die Wahl, entweder sie ziehen nach einer gewissen Zeit (und unter gewissen Voraussetzungen) weiter ins Jenseits oder sie bemühen sich um eine Lizenz zum Heimsuchen. Diese muss jedoch regelmäßig teuer erneuert werden und an Geld kommt man nur durch erfolgreiches Erschrecken, bestenfalls in dem man es schafft, eine echte Urbane Legende zu werden. Das Ganze Spektakel ist dabei inszeniert wie eine völlig überdrehte asiatische Reality Show – von, mit und für Geister. Eine der vielen cleveren Ideen dabei: Geister haben keine übernatürlichen Fähigkeiten. Es bedarf somit viel Einfallsreichtum und einer ganzen Crew um elaboriertere übernatürlich wirkende Szenarien für den Schrecken der Lebenden zu inszenieren. Wer auch nur ansatzweise etwas mit asiatischen Komödien anfangen kann und sich vielleicht noch etwas im asiatischen Geister-Horror Genre auskennt, sollte sich dieses liebevoll inszenierte und völlig überdrehte Spektakel nicht entgehen lassen. Wenn auch nicht mit dem wegweisenden Style eines Tim Burton, steht der Film zumindest was den Einfallsreichtum angeht dem eingangs zitierten Klassiker Beetlejuice in nichts nach.
Wenn vielleicht auch nicht der Film, so war auf jeden Fall die Vorstellung von The Surfer unser Highlight der White Nights, denn davor und danach stellte sich Regisseur Lorcan Finnegan dem Publikum und hinterher auch geduldig all ihren Fragen. Der Film selbst ist eine surrealistische, minimalistisch inszenierte Kritik an toxischer Maskulinität und Kapitalismus und dabei erneut ein fantastischer Spielplatz für Hauptdarsteller Nicolas Cage, um sein ganzes Spektrum an darstellerischem Können zu präsentieren. Er spielt einen lediglich als den titelgebenden The Surfer bezeichneten Mann, einen Amerikaner, der zu seinen australischen Wurzeln zurückkehrt und das abgelegene Strandhaus seiner Familie zurückkaufen möchte. Dort angekommen wird ihm und seinem Sohn unter mannigfachen Beleidigungen und Beschimpfungen von lokalen Surfern der Zugang zum Strand und somit dem Surf verwehrt. Während sein Sohn zu seiner getrenntlebenden Mutter zurückkehrt, ist der Surfer im Limbo des Parkplatzes vor dem Strand gefangen. Es ist ihm einerseits unmöglich den Ort seiner Begierde zu verlassen, andererseits bleibt ihm dieser weiterhin verwehrt. Das fühlt sich streckenweise sehr nach David Lynch an und das können wir, nachdem er kürzlich von uns gegangen ist, gerade alle ganz gut gebrauchen. Trotz des im Laufe des Filmes zusehends präsentem Surrealismus ist auch das Gefühl der australischen Strände realistisch eingefangen, man kann das Salz förmlich schmecken und die brennende Sonne spüren. Dass der Film dabei in poppigen Pastellfarben gehalten eine sehr bittere Kritik und Realität präsentiert, ist dabei ein ebenso willkommener Kontrast, wie das gewohnt breite Spektrum von Cages Spiel. Ein absoluter Ausnahmefilm, der dann am Ende vielleicht auch ohne den charmanten Regisseur das Highlight der White Nights darstellt.
Den Abschluss des Festivals stellt dann Street Trash dar. Leicht verspätet, denn man musste noch mit den Kollegen des Festivals in Hamburg (wir schauen ja traditionell in unserem Stammkino, der Harmonie, in Frankfurt) klären, dass wir natürlich das aktuelle Remake von Fried Barry Regisseur Ryan Kruger aus 2024 schauen und nicht das J. Michael Muro Original aus 1987. Nach einer kurzen Videobotschaft von Kruger ging es dann los und die ersten 10-15 Minuten waren wir sehr beeindruckt, wie authentisch Kruger das 80er Jahre Flair des Originals eingefangen hat, bis dann, ihr ahnt es, der Film pausierte und das Licht anging. Eine Erklärung hatte man nicht, aber aus irgendeinem Grund wurde das Original und nicht das Remake angeliefert. Wer wollte, bekam sein Geld zurück, wir haben natürlich Tor 2 gewählt und den uns unbekannten Klassiker zu Ende geschaut. Eigentlich geht es um einen Kioskbetreiber, der im Keller eine Kiste Schnapsflaschen findet und diese günstigst an das primär obdachlose Volk verscherbelt. Was er und sie nicht wissen, das Zeug ist absolut tödlich. Daneben geht es aber auch noch um die Mafia und einen Schrottplatzbesitzer, so ne Art Bandenkriege und einen Anführer einer Gang von Obdachlosen mit Vietnam-Flashbacks. Kurz gesagt, es wird sich geprügelt, gewitzelt und ab und an nimmt einer nen Schluck von dem blauen Schnaps und zerfällt, schmilzt oder explodiert maximal blutig unter Höllenqualen. In den besten Szenen erinnert das ein wenig an John Carpenter, auch ob des Synthie-Soundtracks, über weite Strecken aber eher wie ein durchschnittlicher bis schlechter Troma Film. In Summe nicht so schlimm wie der blaue Schnaps, aber auch nicht unbedingt zu empfehlen. Zu ernst sind die Themen und zu unzusammenhängend und quatschig ihre Darstellung. Das Remake scheint den Pressestimmen nach eher noch etwas weniger zu begeistern, in Summe haben wir also Glück gehabt.
Im Hinblick auf das diesjährige Gesamtprogramm sticht das aber nur deshalb hervor, weil sonst wirklich alle Filme, die wir gesichtet haben, herausragend waren. Also haltet in euren (Arthouse) Kinos Ausschau nach den Filmen und freut euch auf die FFF Nights Anfang / Mitte Mai, es gab kaum einen besseren Zeitpunkt im Genrekino im Allgemeinen und dem Fantasy Filmfest im Speziellen!
