
Foto-© Kirk Lisaj
I don’t write all my thoughts down
Scared of the permanency
Scared of what just might happen
If I go ahead and bet on me, bet on me, bet on me
Can’t say out loud what it is I want
Hard to reach for what you can’t see
Look inside for the change I want
So I go ahead and bet on me, bet on me, bet on me
(Debby Friday – Bet On Me)
Debby Friday war schon immer eine Künstlerin, die sich zwischen den Welten bewegt. Geboren in Nigeria, aufgewachsen in Kanada, hat sie sich mit frühen Releases wie BITCHPUNK (2018) und DEATH DRIVE (2019) aus der Unabhängigkeitsszene herauskatapultiert – roh, laut, kompromisslos. Mit ihrem Debütalbum GOOD LUCK (2023) gewann sie den kanadischen Polaris Music Prize und zeigte, dass sich Noise, Club und Pop nicht ausschließen müssen. Seitdem steht ihr Name für eine neue Generation von Künstler:innen, die nicht zwischen EBM, Rave und Pop trennen, sondern diese Grenzen als Sprungbrett benutzen.
Mit dem Anfang August erschienenem, aktuellen Album The Starrr Of The Queen Of Life wendet sich Friday einer helleren, fast kosmischen Vision zu – ein Album, das in Bewegung bleibt, zwischen Ekstase und Introspektive pendelt und dabei ihre bisher vielleicht zugänglichste, zugleich aber spirituellste Arbeit markiert. „It’s definitely very different from a lot of my discography,“ sagt sie in einem Interview. „I feel like my life is still a lot of sweetness, a lot of gentleness, and I also feel a lot more comfortable showing different sides of myself.“ Diese Offenheit zieht sich wie ein Faden durch das ganze Werk: Wo GOOD LUCK noch mit kantigem Industrial-Pop und kalten Club-Vibes spielte, erblüht The Starrr Of The Queen Of Life in warmen, trancigen Synthesizern, pulsierenden Breakbeats und einer fast überirdischen Emotionalität.
Der Opener 1/17 funktioniert wie ein Tor: Ein vibrierendes Synth-Arpeggio, eine Stimme zwischen Andacht und Trance, ein Beat, der sich langsam entfaltet. Es ist ein Wagnis – kein klassischer Hit, eher eine atmosphärische Weihe. Hier deutet sich an, was das Album vorhat: die Tanzfläche als Raum der Offenbarung. Friday beschreibt die Inspiration so: „The geography of places informs the sounds that are made there … when you hear a lot of Detroit techno, you can hear that empty space.“ Dieses Gefühl von Weite, von urbaner Einsamkeit und spiritueller Sehnsucht zieht sich durch das ganze Album.
Mit Bet On Me schlägt Friday ein anderes Kapitel auf – energiegeladen, hymnisch, selbstbewusst. „Life can be so dizzy,“ singt sie, „this song is an ode to intuition and raw self-belief.“ Es ist ihr vielleicht klarster Popsong bisher, eine Selbstermächtigungserklärung mit Breakbeat-Unterbau, die sowohl auf der Tanzfläche als auch im Kopfhörer funktioniert. Der Song verdichtet die Essenz des Albums: Bewegung, Vertrauen, Transformation.
Ganz anders Alberta, das emotionale Zentrum des Albums. Hier wird es stiller, verletzlicher. Overdrive-Gitarren und sphärische Pads umrahmen eine Stimme, die weniger predigt als bittet. „Alberta encapsulates so much of what I’ve learned about love, grief, forgiveness and what it means to be together with others,“ sagt Friday über das Stück. „I see your heart and I know that I and Thou are the same.“ Selten klang sie so offen, so nahbar. Der Clubsound weicht der Kontemplation – ein Lied über Liebe als Spiegel und über die Versöhnung mit sich selbst.
Klanglich bewegt sich The Starrr Of The Queen Of Life zwischen Club-Avantgarde und Popvision: Trance-Schimmer, Detroit-Techno-Einflüsse, Gqom- und Baile-Funk-Rhythmen – aber alles in Fridays charakteristischem, fiebrig-emotionalem Ton. Das Album klingt groß, fast überbelichtet, manchmal zu viel, aber genau das scheint die Absicht zu sein: Ekstase als Zustand, nicht als Pose. Manchmal stolpert die Platte über ihren eigenen Anspruch – etwa, wenn 1/17 etwas zu ausufernd wirkt – doch das Gesamtergebnis bleibt fesselnd, weil es ehrlich ist.
Im Rückblick wirkt The Starrr Of The Queen Of Life wie eine Spiegelung ihrer bisherigen Karriere: von der anarchischen Energie der frühen EPs über die selbstbewusste Präzision von GOOD LUCK hin zu einer fast spirituellen Synthese aus Körper, Geist und Club. Debby Friday bleibt dabei unbequem, eigen, faszinierend – eine Künstlerin, die ihre Dunkelheit nicht verliert, aber das Licht hereinlässt. The Starrr Of The Queen Of Life ist kein Album, das man einfach hört – es will erlebt werden, im Rausch, im Zweifel, im Nachglühen. Und genau das macht es so besonders.

Debby Friday – The Starrr Of The Queen Of Life
VÖ: 1. August 2025, Sub Pop
www.debbyfriday.com
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