
Foto-© Evan Mason
Who are you to tell me I am wrong?
I’d rather run into another’s arms
I’d rather run into another’s arms
If you could stop for a minute, maybe you would hear me
If you could stop for a minute, maybe you would see me
If you would stop for a minute, maybe you would just agree
If you would stop for a minute, maybe you would just agree
I’m not afraid to let you go, I dare you to let me down
I’m not afraid to let you go, I dare you to let me down
(Joviale – Let Me Down)
Die in Nordlondon geborene Künstlerin Joviale ist schon länger mehr als ein Geheimtipp. Mit ihren bisherigen EPs Crisis und Hurricane Belle hat sie sich als Visionärin zwischen Musik, Performance und Konzeptkunst etabliert – immer mit einem Hang zum Dramatischen, Theatralischen, aber auch zum Tiefpersönlichen. Nun erschien mit Mount Crystal ihr Debütalbum – und das fühlt sich nicht nur wie ein nächstes Kapitel, sondern wie eine völlig neue Ära an.
Ursprünglich war Mount Crystal als Bühnenstück gedacht – ein surrealer Raum, eine Art Parallelwelt, in der nichts unausgesprochen bleibt. Joviale selbst beschreibt das Konzept als „a mirrored dimension in a distant reality where nothing is left unsaid“. Entstanden ist daraus ein vielschichtiges Werk zwischen Funk, Jazz, Pop, Rock und elektronischem Experiment. Der Sound ist zugleich verspielt und präzise, roh und glitzernd – ein Album, das nicht in Genres, sondern in Szenen und Emotionen denkt.
Produziert wurde Mount Crystal in enger Zusammenarbeit mit John und Joshua (beide Teil ihres Live- und Studiokollektivs). „We all have one thing in common, which is that we love to jam as musicians and love to have a stupid time… In this trio I felt very much in the lead“, sagt Joviale über die Sessions – und genau das hört man: Diese Songs atmen Freiheit, Spontaneität, Risiko.
Schon der Opener The Mountain setzt den Ton: schwebende Chöre, ein rhythmisches Pochen, als würde man selbst auf den Gipfel steigen. Doch wirklich in Fahrt kommt das Album mit Moonshine, einer funkgetriebenen Explosion aus Energie und Selbstbewusstsein. Saxophonist James Mollison (Ezra Collective) sorgt für das jazzige Strahlen, während Joviale mit der Eleganz einer Prince-Muse durch den Song tanzt. „One could say, I’ve woken up from the dead. I’m alive, I’m awake and I know what I want. A drop of moonshine was all it took“, sagt sie im Gespräch mit She Makes Music – und tatsächlich klingt Moonshine wie eine Wiedergeburt: Ekstatisch, körperlich, berauschend.
Ein anderes Highlight ist HARK!, als wohl wildester Moment auf Mount Crystal. Zwischen „sinister funk“ und hymnischer Dringlichkeit schreit Joviale: „Not even them mountains can stop you! Not even them angels can help you!“ – ein Stück zwischen Kampf und Katharsis, das die Kernidee des Albums in einen einzigen Satz verdichtet: Aufstieg trotz Widerstand, Selbstermächtigung trotz Schmerz.
Joviale spricht davon, das Album sei ein Versuch, „die Illusion von Vergnügen zu zerreißen, indem ich den Schmerz alchemisiere, den ich beim Lieben, Verleugnen und Umarmen erfahren habe“ (femmusic.com). Und so ist es dann auch schmerzhaft, schön, transformativ – während die Songs wie Szenen eines modernen Mythos spirituell, körperlich, aber nie pathetisch wirken.
Im Vergleich zu ihren früheren Veröffentlichungen zeigt sich Joviale auf Mount Crystal selbstbewusster, größer gedacht, mit einer klaren Vision. Wo ihre EPs noch introspektiv wirkten, öffnet sich das Album hin zu einem raumgreifenden, fast filmischen Sound – irgendwo zwischen Kate Bush, Sade und FKA twigs, aber immer unverkennbar Joviale. Die Basslines sind gummiartig und schnalzen vor Energie, Synths und Bläser schichten sich zu schillernden Klangkaskaden, während jede Note nach Bewegung klingt.
Mount Crystal ist kein einfaches Album – es will entdeckt werden, Schicht für Schicht. Es lädt dazu ein, sich einzulassen, mitzugehen, mitzufühlen. Es ist ein Werk, das zwischen Club und Theater, zwischen Traum und Realität pendelt – und gerade deshalb so lebendig wirkt. Und am Ende bleibt der Eindruck, dass Joviale mit Mount Crystal nicht nur ein Debütalbum, sondern eine Art Manifest geschaffen hat: für künstlerische Freiheit, für emotionale Wahrheit und für die Schönheit, laut zu sein.

Joviale – Mount Crystal
VÖ: 12. September 2025, Ghostly International
https://joviale.bandcamp.com
www.instagram.com/jovial3

