ATTIC GIANT – Flush

You once said you could live alone
Without falling on your head,
But your voice when you‘re on the phone
Is telling something else

(Attic Giant – Blow)

Eine zündende Idee ist das wohl wertvollste Gut eines jeden Musikers – sei es eine Melodie, die schon seit Tagen im Kopf herumschwirrt oder erste Reime und Fragmente, die später zu ganzen Songtexten heranreifen. Im Falle von Attic Giant – das Pseudonym von Wiener Songwriter Daniel Tischler – gab eine alte, rätselhafte, schon recht in Mitleidenschaft gezogene Gitarre den entscheidenden Anstoß. Tischler besuchte sein Elternhaus, als sein Nachbar ihm die Gitarre dessen verstorbenen Großvaters in die Hand drückte, für die er selbst keine Verwendung fand. Der einzigartige und eigentümliche Klang des Instruments sollte fortan die Quelle einer Handvoll Songs werden und das Herzstück von Attic Giants Debüt-EP Flush bilden.

Sobald die ersten Akkorde des Openers IO erklingen, wird deutlich, warum diese Gitarre so speziell und wertvoll für Tischler ist: Mit einem unglaublich warmen, organischen Klang füllen die schwingenden Saiten den ganzen Raum. Hinzukommen ein fast schon gehauchter Gesang, der von einer weiblichen Stimme begleitet wird und dem Stück einen Duett ähnlichen Charakter verleiht. Doch es bleibt nicht nur bei Gitarre und Gesang – zusammen mit dem ebenfalls aus Wien stammenden Musiker INNER TONGUE in der Rolle als Produzent hat Tischler fast schon imposant und mit einem beeindruckenden Gespür für’s Detail die Stücke weiterentwickelt und formvollendet. Fernab konventioneller Pop-Instrumentierungen finden Elemente klassischen Schlagwerks sowie Holz- und Blechbläser ihren Platz in den stets geschickten Arrangements. So eröffnet das Stück Blow mit einer Klangwelt, die dem eines kleinen Orchesterwerks gleich kommt: Streicher und ein Windspiel harmonisieren so eindrucksvoll, dass man sich gefühlt in einem frühlingshaften Garten voller Vogelgesänge wiederfindet. Wieder wird ins Mikrofon gehaucht, bevor kurz Stille einkehrt und der Song dann mit einem druckvollem E-Gitarrenriff in eine komplett unvorhersehbare Ästhetik ausbricht. Auch in diesem Stück findet Tischlers Gesang seinen weiblichen Gegenpart, sodass der Song ein Gespräch zweier Individuen abzubilden scheint, deren Liebesbeziehung vielleicht gerade zu Grunde gegangen ist: “You once said you could live alone, Without falling on your head / But your voice when you’re on the phone, Is telling something else”. Mit dezenten Aufnahmen eines Regenschauers beginnt hingegen der Song Ghosts, ehe sich Gitarren und ein Banjo hinzugesellen. Und auch hier – immer wieder Momente, in denen die Musik zum Stillstand zu kommen scheint, bevor das Stück in eine unvorhersehbare packende Entwicklung ausbricht.

Attic Giants Songwriting ist unglaublich geschickt und ausgereift – all das auf eine so natürliche Art und Weise, dass man als Hörer die Emotionen und Ursprünge der Stücke nahezu fühlen kann. Für eine knappe viertel Stunde lässt Flush tief in die Gedankenwelt eines talentierten jungen Mannes aus Wien blicken.

Attic Giant – Flush
VÖ: 26. Mai 2017, Attic Giant
www.facebook.com/atticgiant

Steffen Sydow

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