GET WELL SOON – Interview

© Titelbild Clemens Fantur

Worum geht es in deinem neuen Album The Horror?

Um Angst. Das Wort »Horror« habe ich nur gewählt, weil es ein bisschen schöner klingt als Fear oder Angst. Es ist schon ein sehr thematisches Konzeptalbum.

Was reizt dich an der Idee ein Konzeptalbum zu machen?

Grundsätzlich sind überhaupt Alben als Werk das Medium mit dem ich aufgewachsen bin und das was ich machen will. Dass es immer ein Konzept hat, ist gar nicht unbedingt eine freiwillige Entscheidung. Sondern einfach die Art, wie ich das mache. Einfach mit der Gitarre ein paar Songs schreiben und dann warten bis ich zwölf zusammen habe, könnte ich gar nicht. Das ist immer ein Prozess und am Anfang steht die Themensuche.

Vermutlich ist durch die klare Benennung – auch bei LOVE – der inhaltliche Faden etwas klarer erkennbar.

Diese beiden Alben sind auch tatsächlich noch klarer definiert. Also ich hatte immer irgendwie Themen, die waren aber ein bisschen diffuser. Jetzt die letzten beiden Platten behandeln schon relativ große und eindeutige Themen.

Ist es dann auch der krasseste Kontrapunkt, den man nach LOVE mit Angst setzen kann?

Das glaube ich nicht. Das ist wahrscheinlich näher beieinander als man denkt. Bei LOVE werden nicht unbedingt nur die romantischen Seiten beschrieben, sondern auch die schwierigen Aspekte. Die Idee war  nicht, thematisch was ganz anderes zu machen – das war eher musikalisch der Fall. Mein persönliches Ding ist ja, dass ich immer Angst davor habe, mich zu wiederholen.

Was hat das Thema Angst für dich so spannend gemacht?

Grundsätzlich ist es ein sehr spannendes, umfangreiches Thema. Das ist dankbar. Aber darüber hinaus ist es natürlich auch ein sehr aktuelles und sehr präsentes. Ich wollte kein Album machen, das sich so vollkommen vor der Realität verschließt. Wenn man versucht das einzuordnen, was überhaupt gerade passiert, dann kommt man schnell zu diesem Thema.

Es gibt dann direkt drei Versionen von »Nightmares« – wie besteht da eine inhaltliche oder auch musikalische Verknüpfung?

Alpträume sind so eine ungefilterte Angst, so unmittelbar.  Sie sind einfach eine große Inspirationsquelle. An diesen Abstraktionsgrad kommt man ja nicht, wenn man sich anstrengt. Der autonome Teil des Hirns macht einem da ein Geschenk. Das ist relativ gut umsetzbar und deswegen ein ganz logischer Ausgangspunkt. Auch zu sagen, ich singe schon über die Gesellschaft aber irgendwo muss ich ja auch bei mir anfangen. Ich wollte außerdem schon immer was mit Träumen machen, das hat sich bei dem Album angeboten.

Es heißt, es sei deine orchestralste Platte bisher, wie kam das? 

Ich hab ja schon vorher relativ groß orchestrierte Platten gemacht, die letzte war eher eine Ausnahme mit dem Bandsound. Ich glaube es war schon auch die Idee sich von dem letzten Album wieder abzugrenzen. Zudem ist es natürlich auch mein persönlicher Geschmack. In der Zeit habe ich viel Orchester-Musik gehört. Ich wollte schon immer eine Platte machen, die diesen 50er-Jahre-Sinatra-Sound hat. Es ist eben ein sehr orchestraler, der sich eben auf das 19./20 Jahrhundert klassische Musik bezieht. Das war der vordergründige Gedanke dabei.

Ihr habt jetzt das erste mal auch ein paar Features auf der Platte, wie ergänzen sie die Songs?

Es sind relativ unterschiedliche Arten von Features. Der Grundstock von dem Opener ist ein Song aus dem arabischen Mittelalter, den ich irgendwann mal entdeckt habe und super fand. Dadrum habe ich dann diesen Song gebaut. Das Feature war dann eher so ein Glücksfall, da ich eine so tolle Sängerin gefunden habe, die das für mich interpretiert. Dann ist der Song mit Sam Vance Law ein klassisches Duett, weil es da in dem Song theoretisch um zwei Männer geht. Vom Sound her war das auch Sinatra-mäßig als Duett gedacht. Bei »Nightjogging« war von vornherein klar, dass den Refrain eine Frau singen muss.

Hast du das Thema für die nächste Platte schon im Kopf?

Tatsächlich nicht. Da ich zwischen den Platten meistens andere Projekte mache, gehe ich erst dann auf Themensuche, wenn wieder ein Album ansteht. Es ist nicht so, als ob ich einen Katalog abarbeite.

Wenn für dich das Medium des Albums so wichtig ist, wie betrachtest du dann die derzeitigen Entwicklungen auf dem Musikmarkt, insbesondere innerhalb des Streamings, indem Singles immer mehr an Bedeutung gewinnen?

Finde ich natürlich sehr schade. Ich habe selbst Schwierigkeiten damit, aus einem Album ein Song raus zu picken, der die Single wird. Da halte ich mich deshalb immer raus. Für mich ist es das Album, was zählt. Ich finde dies Kompiliererei schon ein bisschen schade. Es ist fatal für die Art, wie ich Musik mache. Der Hörer muss der Musik schon ein bisschen Zeit geben, so ist sie zumindest gedacht. Ich glaube allerdings nicht, dass das Medium ausstirbt – es wird immer Leute geben, die das zu schätzen wissen. Generell finde ich: man muss das beste draus machen. Das wird sich schon alles irgendwie einpendeln – Streaming hat beispielsweise den skandinavischen Musikmarkt gerettet. Ich glaube wir müssen langfristiger denken und diese Übergangsphasen auch mal in Kauf nehmen.

Ich sehe auch, dass hier The Horror als Vinyl-Sammlerbox rumsteht…

ja, für mich muss das Album am Ende auch nach was aussehen. Das fängt schon beim Cover an.

Kannst du was zu dem aktuellen Cover erzählen?

Ja! Das ist von einer französischen Fotografin Agnes Geoffray, die habe ich vor ein paar Jahren mal kennengelernt. Sie beschäftigt sich in ihrem Werk auch sehr viel mit Alpträumen und sehr düsteren Themen. Für mich stellt das ziemlich gut Angst dar: Es ist der schwarze Hund im weißen Raum, sehr ikonenhaft auf eine Art. Der schaut einen an – man weiß nicht, ob er Angst hat oder ob man Angst haben soll. Es steht in einem schönen Kontrast zum orchestralen Album weil es sehr schlicht ist. Man kann viel reinlesen, wenn man will, muss man aber nicht. Das finde ich immer das Beste an Covern.

Ihr habt dieses Jahr zumindest 10 Jahre Get well soon-Album-Jubiläum, was hat sich in der Zeit alles an eurer Arbeitsweise geändert?

Es hat sich tatsächlich an der Arbeitsweise gar nichts geändert. Das ist immer noch so: ich schreibe die Songs alleine und produzieren die dann mehr oder weniger aus. Danach gehe ich ins Studio und die Band kommt dazu, dann nehmen wir auf und gehen auf Tour. Ich hatte bisher auch nicht das Bedürfnis nach Veränderung. Mit dieser eigentlich relativ unromantischen Arbeitsweise komme ich ziemlich gut klar, ich habe meine festen Bürozeiten. Wenn ich erstmal auf irgendeine Berghütte fahren müsste um ein Album aufzunehmen, dann würde ich mich eher verzetteln.

Danke!

Get Well Soon – The Horror
VÖ: 8. Juni 2018, CAROLINE INTERNATIONAL
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