THE BLACK KEYS – oder ein anderes Wort für die letzten Rockstars ohne Attitude

Nach fünf Jahren Pause melden sich die Black Keys endlich wieder. Die neue Platte Let’s Rock steht in den Startlöchern. Grund genug nach Nashville zu reisen und genau nachzufragen, was dahinter steckt. Die große Erkenntnis: Weniger als man denken könnte.

Nashville – ein internationales Musikmekka, möchte man sagen. Es ist die Geburtsstätte des klassischen Country, ein Ort an dem die Cowboystiefel Johnny Cashs schon über das Trettoir schritten. Es ist der Ort, der Keith Urban groß gemacht hat (ob trotz oder gerade wegen seiner blondgesträhnten, flotten Damen-Kurzhaarfrisur, die ihre Hochphase in Mitteleuropa vor gut zwei Jahrzehnten hatte, bleibt zu diskutieren). Es ist der Ort an dem Taylor Swift, mit weißer Gitarre in ihren Teenie-Händen die Basis für ihre große Popkarriere legte. Das beste Hotchicken gibt es übrigens bei Margaritaville auf dem Broadway der Stadt – ein typisches Gericht der Gegend, wie mir der Kellner entgegenplärrt. Er steht auf dem Gehweg und peinigt einem Flyer zu den Angeboten des Tages auf – ein Pitcher Margaritas kostet nur 11 Dollar. Aus Kid Rock’s Big Honky Tonk & Steakhouse ein paar Schritte weiter wird man mit Maschinengewehr-Schlagzeug-Solo bombardiert – der Laden geht über drei Stockwerke, alle Türen und Fenster sind geöffnet, Klimaanlage und Lautstärkeregler voll aufgedreht. Es ist mitten am Tag und selbst die kleinsten Bars bieten das, was die Tourie-Truppen (vornehmlich weiße AmerikanerInnen in der zweiten Hälfte ihres Lebens), hier wollen: Alkohol (Whiskey, Bier oder eben Margaritas), besagtes Hotchicken und Live-Country-Musik. All day long. Es kommt einem ein bisschen vor, als sei man in einer Art Country-Vergnügungspark gelandet – Howdy, y’all!

Nashville – internationales Musikmekka, erste Adresse legendärer Namen der letzten 70 Jahre Popkultur und Gelddruckmaschine auf den Schultern großer MusikerInnen-Träume. Nashville vereint diejenigen, die an ihre Karriere glauben, deshalb herkommen und die bereits eingeschlafenen Erwartungen derjenigen, die einst herkamen und nun für 50 Dollar pro 4-Stunden-Schicht unermüdlich Country-Songs für ihr Publikum spielen. „Es ist eine einzigartige Industrie aber gleichzeitig auch inspirierend – wer hier lebt, arbeitet, welche Leute es herverschlägt. Es ist ein riesiger Pool an teilweise großartigen Musikern,“ erklärt Dan Auerbach. Muss ja einen Grund geben, warum er und Bandkollege Patrick Carney vor gut fünf Jahren ihren gesamten Lebensmittelpunkt hierher gelegt haben. Herz des Ganzen ist Auerbachs Easy Eye Sound Studio, das er vor gut zehn Jahren aufzubauen begann. Vorher war da, wo sich jetzt das Studio befindet, ein Callcenter. An Schmucklosigkeit hat es – zumindest von außen – nicht eingebüßt. Es liegt ein bisschen außerhalb Downtown Nashville, jenseits vom Broadway, weit weg von Margaritas und Kid Rock-Bars. Whiskey gibt es in der Küche des Studios aber dennoch: Auerbachs Lieblingssorte ist Pappy Van Winkle, neat. Der Musiker sitzt an dem großen Vintage-Tisch, hinter ihm eine enorme Wand aus Regalen, in denen sich unzählige Vinyls aufreihen, eine bunte Lichterkette hängt irgendwo dazwischen, die Eiswürfelmaschine surrt leise.

Natürlich trinkt Auerbach gerne Whiskey, er trägt ja auch Cowboystiefel und hat hinten im hoch abgezäunten Garten einen Cadillac stehen. Dan Auerbach erscheint wie Nashville selbst – ein Abziehbildchen oder gar ein Klischee des musizierenden Cowboys. Ein echter Mann, der sich auch gerne mal eine Zigarre, einen Besuch beim Barbier und eine Vintage-Gitarre gönnt. Er lacht kurz. „Ich mache mir ehrlich gesagt nichts aus Bildern, die ich erfüllen soll – das habe ich, haben wir noch nie gemacht. Ist mir egal, was für ein Image wir haben, uns interessiert nur die Musik,“ versichert Auerbach. Und man glaubt es ihm. Stellt kurz sogar den Begriff Klischee infrage – denn: Ab wann ist ein Klischee eigentlich kein Klischee mehr? Sobald es authentisch ist?

Wo wir beim Thema Geradlinigkeit sind: Dieser Tage erscheint das nunmehr neunte Studioalbum von The Black Keys: Let’s Rock heißt es, das Cover zeigt einen elektrischen Stuhl. Die Gitarren sind also eingestöpselt, vermutlich auch hier alle Regler hochgedreht, die Blitze geladen – kann losgehen. Carney und Auerbach tun auf dieser Platte komplett unprätentiös und ohne jeglichen Verdacht auf Verspieltheit, was sie am allerbesten können: Sie machen fokussierten Bluesrock voller energischer Riffe, trocken produziert, keine Kompromisse und voll auf die Zwölf. „Wir haben uns durch unsere eigenen Anfänge inspirieren lassen, alte Schule und so. Dennoch würd ich nicht sagen, dass Let’s Rock eine Retro-Scheibe ist, eher ein Klassiker,“ sagt Carney. Er klingt beim Sprechen genauso, wie er Schlagzeug spielt: reduziert und effektiv. Mit Klassiker meint er übrigens vor allem die Zeitlosigkeit, ergänzt er kurz.

Foto-© Alysse Gafkjen

Weder Auerbach noch Carney sind Freunde vieler Worte. Mittlerweile sind sie auch keine Freunde langen Tourens – ob sie für diese Platte überhaupt nach Europa kommen ist fraglich. Sie sind auch keine Freunde von Promoreisen und laden sich die Schreiberlinge kurzerhand einfach nach Nashville ein. Sie wollen eigentlich überhaupt niemandes Freund sein, der oder die sie von dem abhält, was sie eigentlich wollen: „Etwas kreieren, was einfach wahnsinnig gut klingt!“ sagt Auerbach. The Black Keys gibt es seit beinahe 20 Jahren. Die ersten 15 davon haben sie unermüdlich das Karriere-Karussell aus Albumveröffentlichungen, Promotouren, Konzerttouren und erneutem Platte-Aufnehmen gedreht. Dann gabs eine Pause, in der sich Auerbach und Carney um eigene Projekte, beruflich wie privat (Ehen wurden geschlossen, Babys geboren) kümmerten. Brimborium wie Rockstar-Attitüde, Fan-Erwartungen, Images und Radio-Charts sind ihnen nicht nur fremd, sondern zuwider. Unabhängig voneinander beteuern sie, dass sie doch einfach nur Musik machen wollen.

Den Startschuss, sich wieder im Studio zu treffen und wieder The Black Keys zu sein, gab ein alter Held: „Glenn Schwartz war ein Gitarren-Gott. Er hat diese verrückten, völlig abgedrehten Riffs gebaut. Dann hat er glaub ich seinen Verstand verloren und ist so einer christlichen Sekte beigetreten oder so. Jedenfalls hat er dann nur noch christlichen Rock gemacht – natürlich immer noch mit dieser kranken Gitarre,“ erzählt Auerbach. „Als Pat und ich noch in Akron gelebt haben und in der Highschool waren, sind wir in kleine Kaschemmen gegangen, wo Schwartz gespielt hat. Was ein Typ! Er hat uns echt maßgeblich begleitet als wir die Black Keys gegründet haben. Ich hab ihn vor gut einem Jahr hier ins Studio eingeladen und wir haben gemeinsam alle seine alten Sachen gespielt. Nach der Session wusste ich: The Black Keys müssen zurück ins Studio.“ Und da befanden sie sich auch. Knappe zwei Wochen, erzählt Carney, habe es gebraucht, bis das Grundgerüst der neuen Scheibe stand. Es handelte sich dabei nicht um eine Feier der Wiedervereinigung nach 5 Jahren Abstinenz. Keine unnötige Sentimentalität, wieder gemeinsam zu spielen, keine Ergriffenheit, endlich wieder gemeinsame Sache zu machen. „Wir sind die Black Keys. Wir machen was wir können. Ich war nicht überrascht, dass das so einfach ging und so schnell. Das ist das, was und wie wir schon immer zusammen gearbeitet haben. Nicht mehr und nicht weniger.“ Der Schlagzeuger zuckt mit den Achseln.

Man kann sicherlich einiges in die ganze Geschichte hinein interpretieren: Dass die Black Keys voranschreiten und die E-Gitarren endlich wieder in die Mitte der Popkultur bringen; dass sie zum richtigen Zeitpunkt wieder da sind; dass sie neben den ganzen Bands, die gefühlt alle drei Tage eine neue Single veröffentlichen und ihren Instagram-Account mehr als ihren Intim-Bereich pflegen, um möglichst maximale Aufmerksamkeit zu generieren, den Fokus endlich wieder darauf lenken, worauf es ankommt; dass die Black Keys für das stehen, was sich hinter der Glitzerwelt, der schönen Kulisse der Industrie verbirgt. Kann man auch lassen und sich hier auf das konzentrieren, was handfest vor einem liegt: Eine gute straighte Blues-Rockplatte, die zwei Typen gemacht haben, die einfach mal wieder Bock hatten, zu rocken.


Silvia Silko

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