AMILLI – Interview

© Yannis Schmidt

Amilli, die im richtigen Leben Amelie Flörke heißt, hat im letzten Jahr einmal kurz die deutsche Musikszene auf den Kopf gestellt und beweist, dass es Hoffnung für soulige Musik aus Deutschland gibt. Während andere nach dem Abitur erst einmal durchatmen, rumreisen oder in WG-Küchen und Erstsemesterveranstaltungen versacken, lädt Amilli 2018 ihren ersten Song auf Soundcloud hoch, gewinnt die 1LIVE Krone und bezieht damit quasi über Nacht ihren Platz in der deutschen Musik-Szene, geht mit AnnenMayKantereit auf Tour und tritt auf den großen Festivals auf. Mit ihrem Kumpel und „I Am Jerry“-Gitarristen Leo Müller-Klönne bastelt sie einen warmen R’n’B-Sound, der so modern klingt, dass viele erst einmal nicht so richtig glauben können, dass er aus Bochum kommen soll. Warum eigentlich nicht? Wir haben Amilli im September beim Lollapalooza in Berlin getroffen und mit ihr über Vorurteile, den Senkrechtstart ihrer Karriere und Coversongs gesprochen. 

2019 ist deine erste Festivalsaison als Künstlerin auf der Bühne – wie fühlt sich das an? 

Voll krass, richtig gut! 

Wie ist das, wenn du jedes Mal an einen anderen Ort reist und auf den Festivals auf ein Publikum triffst, das nicht nur wegen dir gekommen ist? 

Ich habe schon vorher einige Support-Touren gespielt, da ist das noch ein bisschen krasser, weil es da noch schwieriger ist, die Leute von sich zu überzeugen. Aber es ist mega gut, ich habe von Festival zu Festival und von Gig zu Gig immer mehr gelernt. 

So richtig los ging es bei dir nach deinem Gewinn der 1LIVE Krone. Wie war dieser Kickstart für dich, was hat das verändert? 

Es war schon alles von einem auf den anderen Tag und die 1LIVE Krone hat sehr sehr viel zu allem beigetragen. Ich bin am nächsten Morgen aufgewacht und hatte 10.000 Follower mehr, dann ging die Festivalsaison los. Ich hatte kaum diesen organischen Übergang wie andere Bands, die zuerst Jugendheime und kleinere Feste spielen, sondern ich bin direkt mit AnnenMayKantereit auf Tour gegangen und habe relativ große Festivals gespielt. 

Mit denen hast du ja auch gerade das Cover von Chers Bang Bang (My Baby Shot me Down) nach der Version von Nancy Sinatra veröffentlicht und hast dabei Henning ziemlich an die Wand gesungen. Wie kam es dazu? 

Das war im Rahmen dieser Support-Tour im Februar. Ich war bei vier Shows dabei und es war relativ unkonventionell und spontan. Henning hat mich gefragt, ob ich dazu Lust hätte und dann haben wir das im Backstage gedreht und aufgenommen. 

War es schwierig, sich da auf einen Song zu einigen? 

Nein, Henning hatte den Song von Anfang an vorgeschlagen und ich fand es cool – da gab es gar keine Diskussion. 

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Wenn du es dir aussuchen könntest, was wäre der Song, den du am liebsten covern würdest und mit wem? 

Das ist eine sehr schwierige Frage! Darüber muss ich kurz nachdenken…

Du kannst jede Person und jeden Song nehmen, egal, ob es realistisch ist oder nicht. 

Dann würde ich gern mit Tom Misch oder Mahalia irgendeinen Jazzklassiker covern. 

Auf deinen Konzerten spielst du aber keine Covers, sondern eigene – zum Teil unveröffentlichte – Songs. 

Genau, es sind im Moment 6 Songs veröffentlicht, wir spielen ungefähr doppelt so viele, aber alles eigene Songs, keine Covers. 

Arbeitest du gerade an einem Album? 

Wir haben eine EP fertig, die am 8. November erscheint. 

Wie bist du eigentlich zur Musik gekommen? Wie ist das alles passiert? 

Ich bin relativ musikalisch aufgewachsen, ich habe mit sieben Jahren angefangen, Klavier zu spielen. Meine Mama singt, mein Papa spielt auch Klavier, alles sehr jazzlastig. Ich habe auch immer gesungen, aber eher für mich oder im Chor. Erst vor zwei bis drei Jahren als eine Freundin meinte, ich könnte richtig gut singen, habe ich das einfach mal ausprobiert. Aber ich hatte nie den Gedanken, eine Sängerin werden zu wollen. Ich wollte einfach nur immer Musik machen. Ich habe das spaßeshalber angefangen, einen Song geschrieben und den auf Soundcloud veröffentlicht und dann fanden das die Leute auf einmal ganz schön gut. 

Du hast ja gerade Abi gemacht was war dein eigentlicher Plan? 

Ich habe letztes Jahr Abi gemacht und dann ein FSJ im Kindergarten angefangen als das mit der Musik alles so richtig losging. Ich habe das FSJ dann abgebrochen, um Musik zu machen und deswegen habe ich das Gefühl, es gab gar nicht so richtig den Moment, wo ich mir eine Alternative überlegen musste. Es war ein fließender Übergang. 

Das heißt, du hast auch keinen Plan B? 

Ich bin ein ganz spontaner Mensch, das wird schon alles irgendwie. 

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Du schreibst all deine Songs selbst, wie muss ich mir das vorstellen? Passiert das spontan oder setzt du dich bewusst hin und nimmst dir Zeit? 

Die Musik schreibe ich mit Leo zusammen und der Prozess ist unterschiedlich. Zum Beispiel sind ich, Leo und Lukas – mit denen ich zusammen Musik mache – zusammen in ein kleines Häuschen ins Sauerland gefahren, um Musik zu machen. Wir haben zusammen Beats gemacht oder fertige Tracks, die ich schon hatte, durchgehört. Wir kamen so in einen flow und ich habe geschrieben und so entstanden dort Songs. 

Schreibst du zuerst die Text oder macht ihr zuerst die Musik und überlegt euch dann was drauf? 

Das ist unterschiedlich, aber hauptsächlich ist es so, dass ich irgendetwas höre und dann beginne. Melodien fallen mir leicht, das heißt, es kommt eine Melodie in meinen Kopf und dann überlege ich mir dazu den Text. Es ist weniger so, dass ich einen Text im Kopf habe und dann ein Lied mache, es ist eher andersherum. 

Was hat dich beim Songschreiben geprägt, wer sind deine größten musikalischen Einflüsse? 

Ich höre viele Soul-Klassiker wie Amy Winehouse. Das sind die, die mich viel beeinflusst haben. Aber auch neue Sachen wie Jorja Smith. 

Sind diese Einflüsse auch der Grund, warum du auf Englisch schreibst? Oder schreibst du auch auf Deutsch und hast nur noch nichts Deutsches veröffentlicht? 

Ich schreibe nur auf Englisch, ich höre auch eigentlich nur englischsprachige Musik. Ich habe ein kleines Problem mit der deutschen Sprache bei der Musik. Das ist einfach auch Geschmackssache.

Es wurde relativ oft über dich geschrieben, dass dein Sound besser nach Los Angeles passt als nach Bochum. Denkst du, deutsche Musik oder deutsche Künstlerinnen und Künstler haben ein Imageproblem? 

Ich glaube schon ein bisschen. Das merkt man ja, wenn direkt gesagt wird: „Oh, die hört sich an als würde sie aus Amerika kommen.“ Es gibt, glaube ich, wenige Leute hier, die solche Musik machen wie ich. Ich weiß aber nicht, ob das unbedingt ein Problem ist, es ist auch das, was die Leute halt hören. 

Denkst du, dass Deutschland immer ein bisschen spät dran ist? Dass die musikalische Entwicklung woanders schneller geht als hier? 

Auf jeden Fall, ja! Ich denke, dass es vor allem für soulige Sachen und so weiter viel schwieriger ist als zum Beispiel in Amerika, weil es da auch viel mehr Leute gibt, die solche Musik hören. Aber das heißt trotzdem nicht, dass man es in Deutschland nicht hinkriegen kann. 

Wenn du an deine Platten und deine Karriere denkst, denkst du dann aber schon international, oder? 

Dadurch, dass ich von Anfang an gar nicht so richtig dieses Ziel hatte, meine Musik an Menschen zu bringen, glaube ich, dass ich relativ frei bin, was das angeht. Natürlich ist es ein Traum, dass meine Musik international anerkannt wird, aber ich mache mir da nicht so viele Gedanken. Wenn es gut ankommt, dann kommt es gut an und wenn es nicht international wird, dann ist das auch okay. 

Du bist jetzt noch relativ frisch dabei, was findest du denn bisher am besten an diesem neuen Job Musik? 

Die Tatsache, dass es Leute gibt, die meine Musik hören und dass ihnen das etwas bedeutet und sie dabei etwas fühlen. Es ist superschön, solche Nachrichten zu bekommen oder vor Leuten zu stehen, die das abfeiern. Und dass man damit erfolgreich ist, ist einfach mega schön. 

Du gibst im Moment ziemlich viele Interviews, gibt es eine Sache, die du immer wieder gefragt wirst, auf die du gar keine Lust mehr hast? 

Was mich nervt sind Sätze wie: „Du bist ganz schön gut dafür, dass du erst 19 bist.“ Oder: „Du bist ganz schön gut dafür, dass du aus Bochum kommst.“ Das finde ich ganz bescheuert – entweder man ist gut oder eben nicht. Aber woher jemand kommt oder wie alt jemand ist, ist eigentlich scheißegal. 

Das Imageproblem der deutschen Musikszene, über das wir vorhin schon gesprochen haben, zeigt ja auch, dass wir junge Künstlerinnen wie dich brauchen, die mal etwas Neues machen. 

Ich glaube überhaupt, dass junge Menschen und junge Frauen unterschätzt werden. Weil es sowas noch nicht so viel gab. Dann ist es direkt so: „Uh, da ist ein 19jähriges Mädchen – wow, wow, wow, wow, krass, krass…“. 

In deinen Videos sind auch häufig Freundinnen und Freunde von dir zu sehen. Wie ist das für die, wenn plötzlich eine Person aus dem Freundeskreis berühmt ist? 

Die sind super stolz und freuen sich. Ich habe jetzt natürlich ein ganz anderes Leben als sie, ich habe relativ wenig Zeit und bin viel unterwegs, aber ich bin immer noch derselbe Mensch. Es hat sich eigentlich nicht so viel verändert. Ich glaube, das ist relativ wichtig und das merken meine Freunde auch. 

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