JFDR – New Dreams

I stare into nothing, I yearn for the innocence I once think I had
A lack of sense of fear that grows as I grow older
I’ve carried these thoughts and I’ve drowned them in work
And I’ve worn myself blue on the way down

(JFDR – My Work)

Der musikalische Output von Jófríður Ákadóttir scheint schon mit 25 Jahren für eine ganze Karriere zu reichen: ob drei Alben mit ihrer Zwillingsschwester Ásthildur als Pascal Pinon, ebenso viele Aufnahmen mit dem Trio Samaris oder Zusammenarbeiten mit Lapalux und Damien Rice – seit ihrer frühen Jugend feilt die isländische Multi-Instrumentalistin an einer Symbiose aus fragilem Indie-Folk und elektronischen Minimalismus. Auf New Dreams, ihrem zweiten Solowerk als JFDR, legt Jófríður (im Isländischen gilt nicht der Familien-, sondern der Vorname als Anrede) nun eine nachdenkliche Zwischenpause ein.

Der Opener Care For You schält sich noch aus dahingetupften Klavierakkorden und Effekt-Einsprengseln, da singt sie auf Taking A Part Of Me schon über einen zurückhaltenden Breakbeat oder ergänzt in Think Too Fast gezupfte Loops um unaufgeregte Dub-Percussion. So sehr die Songs auch zum Versinken einladen, fließen sie nicht gleichförmig ineinander, sondern bilden stets ihre eigenen Traumwelten. Das liegt nicht zuletzt daran, dass JFDR nun auch vermehrt auf akustische Instrumente setzt: im nicht minder melancholischen Dive In oder dem vorsichtig beschwingten Shimmer machen die Synthesizer Platz für die bisher Projekten wie Pascal Pinon vorbehaltene Folk-Gitarre. Vom Neuen wird hier mehr als nur geträumt, denn auch die Streicher-Einlagen von der vorangegangenen EP White Sun Live. Part I: Strings durften bleiben und werden auf Juno nun mit einem zurückgenommenen Synth-Arpeggio kombiniert.

Den Kern der Songs bildet jedoch weiterhin die unverwechselbare Stimme JFDRs: ihr andächtiges Wispern und Hauchen, wie in der Single-Auskopplung My Work immer wieder gekonnt miteinander verflochten, trägt durch das Album. So präsent sie musikalisch ist, pflegt JFDR lyrisch abstrakte Zurückhaltung. Wie in Shimmer dreht sich vieles ums Innehalten, Hinterfragen, hoffnungsvolles Weiterziehen („Staying, waiting and moving along / We’ll tie them together / The strings we’ve undone“). Solange die Worte sich nur weiter so behutsam entfalten, dürfte wohl ohnehin niemand nach konkreter Bedeutung verlangen.

Die Konsequenz, mit der JFDR stattdessen Song für Song viel Effekt aus wenigen Bestandteilen zieht, bewahrt sie davor, mit diesem Rezept an ihre Grenzen zu stoßen. Nur die vergleichsweise große Geste, die zum Ende des Albums in Drifter anklingt, kann das Versprechen nicht einlösen. Bevor die Balance zwischen stimmungsvollem Ausklang und generischem Hoffnungs-Pop zu kippen droht, verhallt alles jäh im Ungewissen. Leise Zweifel – alles lautere wäre bei diesem Hauch von Musik vermessen – verfliegen jedoch spätestens mit einem Klick auf Repeat: New Dreams ist ein Album zum liegen bleiben, noch einmal umdrehen und weiterträumen.

JFDR – New Dreams
VÖ: 13. März 2020, Rykodisc
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