LAURA MARLING – Die neue Häuslichkeit

Laura Marling © Justin Tyler Close

Foto-Credit © Justin Tyler Close

Laura Marling wollte ihr siebtes Album eigentlich im September veröffentlichen. Nun schenkte sie es doch schon an die Corona-geplagte Welt. Ein Text über Unnahbarkeit, Ausnahmetalente, L.A. und neu gefundene Häuslichkeit einer großen Künstlerin.

Laura Marling fand Social Media noch nie wichtig genug, um es tatsächlich zu nutzen. Zu jedem Albumrelease gab es mal ein paar Posts. Ähnlich verhielt es sich bei Marlings Konzerten: Häufig bestand ihre Bühnenpräsenz eher in vornehmer Kühle. Böse Zungen behaupteten auch, dass es herzlicher ist, sich ihre Musik von der Platte anzuhören. Tatsächlich spricht die Britin wenig, sie ist definitiv kein Crowd-Pleaser und das, wofür sie stehen will ist eindeutig: Ihre Musik. Und ihre Distanz zu allem verlieh der sowieso schon elfenhaften Britin eine gewisse Phantastik. Man hätte auch denken können: Marling ist gar nicht von dieser Welt.

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Mit 17 Jahren brachte sie ihr Debüt Alas I Cannot Swim (2008) und begeisterte direkt sämtliche Kritiker: Als großes Folk-Talent wurde sie gefeiert, wurde in direkter Tradition Joni Mitchells und Joan Baez‘ gestellt. Allseits wurde ihr dank ihrer Lyrics eine weise, alte Seele attestiert bei gleichzeitiger jugendlicher Naivität und Frische. Seither ist Marling mit jeder Platte ihrem Ruf als Ausnahmetalent treu geblieben. Sie hat in zwölf Jahren sechs Alben herausgebracht voller herrlicher Melodien, ergreifenden Lyrics und Einblicken in die vielen Fragen und Gedanken, die Marling so in ihrem Kopf mit sich trägt. Spätestens seit Semper Femina (2017) liegt ihr Fokus auf Weiblichkeit in unserer Gegenwart.

Bei all dem blieb die Unnahbarkeit Marlings ständiger Begleiter – scheinbar, bis die Corona-Pandemie uns alle ergriff. Seither gibt Marling Gitarren-Tutorials in ihren Insta-Stories. „Ich wollte auch irgendetwas leisten. Wollte irgendetwas tun, was vielleicht helfen kann. Ich dachte: Vielleicht kann man so ja jemanden ein bisschen ablenken oder erfreuen.“ Letztendlich war genau das auch ihr Antrieb, ihr siebtes Album jetzt zu veröffentlichen. Eigentlich sollte Song For Our Daughter im September erscheinen – hier wird bisher auch weiterhin der physische Release terminiert. Aber digital schenkte sie es uns bereits am 10. April: „Ich habe keinen Grund gesehen, etwas zurückzuhalten, was im besten Fall ein bisschen Einigkeit in der Welt hervorrufen kann.“ schrieb sie dazu.

Laura Marling Songs Cover
Albumcover Song For Our Daughter

Natürlich ist es ein typisches Marling-Album geworden: Es sind virtuose Singer-/Songwriterstücke darauf zu finden, grandiose Melodien und ein Arrangement, dass die glasklare Stimme der Künstlerin elegant in Szene setzt. Streicher und Chöre sind dieses Mal vielleicht ein bisschen üppiger ausgefallen und insgesamt gleiten die Stücke einem gänzlich widerstandslos in die Ohren. An Frische hat Marling nicht eingebüßt, dennoch scheint sie ein wenig erwachsener – wenn man dieses Wort doof findet, könnte man auch sagen: aufgeräumt ist es.

„Es hat sich vieles in meinem Leben verändert. Ich bin wieder in London, lebe ein ziemlich beständiges Leben. Das hat mich sehr geerdet. Ich war lange unterwegs davor,“ sagt sie und lacht. Seit ihrer sehr frühen zwanziger war Marling konstant auf Tour oder in Studios. Sie verfolgte Projekte und irgendwann eine Beziehung, die sie nach L.A. führte. Schnell ging dies in die Brüche und dennoch blieb Marling in Amerika, eine Zeit die sie als negativ und lehrreich zugleich beschreibt „Ich war sehr einsam. L.A. ist ein sehr einsamer Ort und die Vorurteile über die Stadt stimmen: Es sind zwar alle oberflächlich nett, aber da steckt nie etwas dahinter. Außerdem habe ich sehr viel von dem Lifestyle mitgemacht.“ Sie beschreibt übertriebene Fokussierung auf Yoga-Praxen, Selbstoptimierung und erzählt vom Selbstfinden und dann aber direkt wieder -verlieren. Heute ist sie 30 Jahre alt und lebt in einer festen Beziehung. Sie wohnt inmitten ihrer Familie: Eine ihrer Schwestern ist ihre Mitbewohnerin, die andere lebt mit der Nichte in unmittelbarer Nähe „Ich genieße das sehr. Und mir hat Corona gezeigt, dass ich eigentlich alles um mich habe, was ich brauche. Ich muss mir nichts Krasses kaufen, brauche keine unnötigen Dinge oder so. Das was zählt sind die die man liebt und deren Gesundheit.“

 

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Für eine mögliche zukünftige Liebe hat Marling ihr neues Album geschrieben: Sie hat A Song For Our Daughter, wie unschwer zu verstehen, ihrer fiktiven Tochter gewidmet. Sie möchte ihr damit Hilfestellung leisten damit sie weiß, wie sie als Frau durch unsere aktuelle Welt kommt. Es geht um Liebe, Leid, Selbstbilder, Stärke und Verlust. Damit macht sie mal wieder alles richtig – und beschert uns tatsächlich ein bisschen Balsam auf unsere Seele. Zumindest lohnt es sich sehr, sich ganz intensiv den zehn Songs hinzugeben und sich von Marling und ihren Kompositionen zumindest kurz ganz weit weg tragen zu lassen.

Silvia Silko

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